Die Presse

Die Schuldenbr­emse gehört in die Verfassung

Auf den Gastkommen­tar von Franz Nauschnigg (OeNB). Warum eine kluge Budgetpoli­tik wichtiger wäre als weitere Verschuldu­ng.

- VON ERICH PITAK

In seinem Gastkommen­tar („Warum Schuldenbr­emse keine so gute Idee ist“, „Die Presse“vom 28. August 2019) verweist Franz Nauschnigg auf gewichtige Gründe, warum eine Schuldenbr­emse nicht in die Bundesverf­assung sollte. Allerdings werden durchaus interessan­te Sachargume­nte durch mindestens acht Seitenhieb­e auf die Politik von Schwarz-Blau bzw. Türkis-Blau, auf Neoliberal­ismus usw. etwas entwertet. Nachstehen­d möchte ich die dargestell­ten Gründe dahingehen­d überprüfen, ob diese tatsächlic­h entscheide­nd gegen eine Schuldenbr­emse sprechen.

Dieses Argument wird gern von „Halb-Keynesiane­rn“gegen Schuldenbr­emsen vorgebrach­t. Damit gemeint: Politiker, die zwar die eine Hälfte der Theorien von Lord Keynes bejubeln – notwendige antizyklis­che Anhebung der Staatsausg­aben in einer Rezession, das berühmte „deficit spending“–, aber gern auf die unangenehm­ere andere Hälfte vergessen – nämlich auf Zurückfahr­en der Staatsausg­aben im Aufschwung. Seit 1970, unter überwiegen­d SPÖ-geführten Regierunge­n, sind insgesamt die Staatsschu­lden doppelt so stark gestiegen wie das Bruttoinla­ndsprodukt, ob nun Rezession oder Boom angesagt war. Wahlwerben­de Politiker verteilen am liebsten Zuckerbrot – schon deshalb erscheint die Peitsche der Schuldenbr­emse in der Verfassung dringend geboten. Die Politik der türkis-blauen Regierung, keine neuen Schulden zu machen, war dazu ein erster Ansatz. Die „schuldenge­bremste“Schweiz zeigt, wie es geht.

Nauschnigg hat zwar recht: Nach der Finanzkris­e 2008 war unbestritt­en eine antizyklis­che Fiskalpoli­tik erforderli­ch, um die Fehler der 1930er-Jahre zu vermeiden. Muss man aber wegen der Gefahr künftiger Finanzkris­en auf eine Schuldenbr­emse verzichten? Nein! Der Verfassung­sgesetzgeb­er hat zwei Möglichkei­ten. Entweder er definiert vorweg klare wirtschaft­liche Parameter, bei denen die Schuldenbr­emse vorübergeh­end (!) außer Kraft tritt. Oder er installier­t eine Schuldenbr­emse ohne Ausnahmen – im Vertrauen darauf, dass in einer echten Krisensitu­ation das Parlament wiederum mit einer Zweidritte­lmehrheit ohnedies eine temporäre Aussetzung der Schuldenbr­emse beschließe­n kann.

Die erforderli­chen Zukunftsin­vestitione­n werden vor allem dadurch behindert, dass wir leider die Schuldenbr­emse nicht schon vor Jahrzehnte­n eingeführt haben. Aber das ist nur Jammern über vergossene Milch und löst das Problem nicht. Etwas Spielraum kann vielleicht durch intelligen­te Umschichtu­ngen der Staatsausg­aben geschaffen werden. „Presse“Leser, insbesonde­re Urschitz

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