Kampusch kämpft gegen Hass im Netz
Natascha Kampusch (31) hat ein Buch über Hass im Internet geschrieben. Mit der „Presse“sprach das ehemalige Entführungsopfer über mediale Präsenz, Anfeindungen und Zukunftspläne. Interview.
Natascha Kampusch hat ein Buch über Hass im Internet geschrieben. Mit der „Presse“sprach das ehemalige Entführungsopfer über Anfeindungen und Zukunftspläne.
Die Presse: Sie waren und sind Opfer von Hass im Netz. Nun haben Sie ein Buch über dieses Thema geschrieben. Was war Ihr Leitmotiv? Natascha Kampusch: Ich möchte anderen einen Leitfaden mitgeben, wie sie sich bei Diskriminierung im Internet verhalten können. Ich möchte auch älteren Menschen die Augen öffnen, in welcher Welt ihre Kinder und Enkel momentan leben.
Sie schreiben für Opfer und für Außenstehende . . . Auch für Täter. Und auch für ehemalige Täter. Wäre nicht schlecht, wenn sie ein bisschen hineinlesen.
Sie werden nach wie vor angefeindet. Vielfach im Internet. Was wird Ihnen eigentlich zum Vorwurf gemacht? Mein Selbstbewusstsein und meine mediale Präsenz. Die Leute würden sich wünschen, dass ich mich zurückziehe. Wie erklären Sie sich, dass man Ihnen Ihr Selbstbewusstsein zum Vorwurf macht? Manche Menschen haben eben kein eigenes Selbstbewusstsein. Diese Leute finden es angemessener, wenn über bestimmte Dinge nicht mehr gesprochen wird. Andere wiederum meinen, dass man Frauen quälen und misshandeln soll, oder dass Frauen in der Gesellschaft nichts zu sagen haben und unterdrückt gehören. Diese wollen dann natürlich nicht, dass sich jemand so frei äußert.
Wie wehren Sie diese Anfeindungen ab? Am besten ist es, das Ganze gar nicht zu lesen. Wenn etwas Gravierendes vorfällt, sollte man schauen, aus welcher Ecke das kommt, und das Ganze dokumentieren. So mache ich das auch. Manches kommt gar nicht an mich heran. Das lösen schon meine Anwälte oder Medienberater.
Es kommt auch vor, dass Sie Strafanzeige erstatten? Ja, natürlich.
Mit Erfolg? Es gab Leute, die mich gestalkt haben. Denen wurde aufgetragen, dass sie damit aufhören müssen oder dass sie meine Mutter nicht weiter kontaktieren dürfen.
Sie wünschen sich, dass Menschen im Netz respektvoller miteinander umgehen. Braucht es nicht auch Verbote? Doch. Man sollte Plattformen wie Facebook oder Twitter dazu verpflichten, Hasspostings zu streichen. Wenn jemand dazu aufgefordert wird, sterben zu gehen oder sich vergewaltigen zu lassen, muss das von vornherein gesperrt werden. Laut neuem EuGH-Urteil können Gerichte den Internetplattformen auftragen, rechtswidrige Postings zu löschen. Das freut mich. Es geht ja in diesen Fällen nicht um die freie Meinungsäußerung. Diese besteht weiter. Es geht um rechtswidrige Dinge. Es ist notwendig, diese zu löschen. Wenn jemand im echten Leben etwas Kriminelles macht, wird er auch eingesperrt. So gesehen sollte man diese Kommentare auch einsperren. Oder eben löschen. Eigentlich ist das dann die Todesstrafe für Kommentare.
Sie schreiben in Ihrem Buch: „Politiker, Beamte, Juristen, Journalisten sowie andere Meinungsmacher wissen, wie sie die Massen manipulieren, um ihre Interessen durchzusetzen.“Sie haben offenbar keine hohe Meinung von diesen Berufsgruppen. Wenn Sie sehen, was vom Boulevard-Journalismus alles publiziert wird, oder von Pseudoaufdeckern im Internet – hier werden die Leute durch Meinungsmache in eine bestimmte Richtung gedrängt. Und es gibt auch immer Fälle, in denen sich Journalisten von Politikern einkaufen lassen.
Apropos Politik. Sie kritisieren auch Parteien. Zitat aus dem Buch: „Wenn die ÖVP das Thema Cybermobbing tatsächlich dafür missbraucht haben sollte, um Sebastian Kurz erneut zum Kanzler zu machen, wäre das wirklich beschämend und letztklassig.“Welches Cybermobbing meinen Sie? Es ist doch eine Art Manipulation im Wahlkampf passiert . . .
Offensichtlich gab es ein Eindringen ins System der Partei. Wenn etwas vorgetäuscht worden sein sollte, ist das abzulehnen, das wäre eine Art Betrug. Wenn . . . Ich stelle ja nur die Frage.
Wann schreiben Sie Ihr nächstes Buch? Ich bin Autorin, und ich verrate Ihnen etwas: Ich habe mein nächstes Buch schon zum Teil geschrieben. Ich habe nur dieses Buch vorgezogen, weil es mir passend schien. Aber das nächste Buch wird auch gut.
Wovon handelt es? Das verrate ich nicht.
Schließen Sie aus, dass es in Ihrem Entführungsfall doch noch neue Erkenntnisse geben könnte? Ich nehme es nicht an. Warum sollte ich auch? Ich weiß jedenfalls nichts Neues. Und ich denke auch nicht daran.