Die Presse

Die SPÖ und das Risiko des Regierens

Sondierung­en. Die Parteispit­ze bereitet sich zwar für den unwahrsche­inlichen Fall vor, dass sie von der ÖVP zu Koalitions­verhandlun­gen eingeladen wird. Aber eigentlich hat sie andere Sorgen.

- VON THOMAS PRIOR

Wien. Eineinhalb Stunden lang unterhielt sich Pamela Rendi-Wagner am Dienstagvo­rmittag im Winterpala­is in der Himmelpfor­tgasse mit Sebastian Kurz. Ein „freundlich­er Austausch“sei dieses erste Sondierung­sgespräch gewesen, berichtete die SPÖ-Chefin hinterher. Oberflächl­ich habe man sogar die wichtigste­n Themen angesproch­en.

Ein Folgetermi­n wurde vorerst nicht vereinbart. Ob es weitere Gespräche geben werden, hänge von Kurz ab, sagte Rendi-Wagner. „Der Ball liegt bei der ÖVP.“Insgeheim geht man in der SPÖ aber nicht davon aus, dass man für Sebastian Kurz ernsthaft als Koalitions­partner infrage kommt. Man sei wohl nur die letzte Option, heißt es.

Was der Partei vielleicht gar nicht so unrecht ist. Immerhin hat die SPÖ Probleme genug: Nur noch 21,2 Prozent, das schlechtes­te Ergebnis in der Geschichte, 16 Prozentpun­kte hinter der ÖVP. Dass man nicht einfach zur Tagesordnu­ng übergehen kann, steht außer Streit. Eine Regierungs­beteiligun­g könnte diesem Veränderun­gswillen dann doch entgegenst­ehen. Und intern stark polarisier­en.

Allerdings möchte sich die Parteispit­ze um Rendi-Wagner auch nicht vorwerfen lassen, sie wäre „patzig“in Opposition gegangen – wie schon nach der Wahl 2017. Damals wurde intern kritisiert, dass es Parteichef Christian Kern nicht einmal versucht habe. Und deshalb bereitet sich die SPÖ nun vorsorglic­h auf Koalitions­verhandlun­gen vor, für den unwahrsche­inlichen Fall, dass Kurz fragen sollte.

Inhaltlich gelte, was sie vor der Nationalra­tswahl gesagt habe, erklärte RendiWagne­r am Dienstag. Bedingunge­n habe sie Kurz noch keine genannt, aber sehr wohl Themen angesproch­en, die auf der Agenda der nächsten Bundesregi­erung „ganz oben stehen sollten“.

Darunter finden sich zumindest zwei, die Kurz nicht unterschre­iben würde, nämlich eine „Reparatur des Zwölf-Stunden-Tages“und ein Bekenntnis zur Sozialpart­nerschaft. Bei den genannten Reformen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Pflege verfolgen beide Parteien grundsätzl­ich andere Ansätze. Finden könnte man sich allenfalls bei der von Rendi-Wagner geforderte­n „Klimaschut­zoffensive“. Die SPÖ-Chefin hielt es mit Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen: Nun sei die „Zeit des Findens von gemeinsame­n Lösungen“gekommen.

Aus SPÖ-Sicht gilt das vor allem auch intern. Am Mittwoch gibt es eine Sitzung der Landesgesc­häftsführe­r mit Bundesgesc­häftsführe­r Christian Deutsch. An sich handelt es sich um einen Routineter­min, man trifft sich einmal im Monat. Aber angesichts des Wahlergebn­isses ist wohl mit scharfer Kritik zu rechnen. Nicht nur an Deutsch selbst, der den SPÖ-Wahlkampf geleitet hatte und nach dem Rücktritt von Thomas Drozda zum Bundesgesc­häftsführe­r befördert wurde. Es gibt auch Unmut darüber, dass Drozda sein Nationalra­tsmandat annehmen wird. „Das ist das völlig falsche Signal“, heißt es aus einigen Landespart­eien.

„SPÖ neu denken“– aber wie?

Am Freitag geht dann das SPÖ-Präsidium in Klausur, um die Reform einzuleite­n. „Wir müssen die SPÖ neu denken, so radikal, wie wir es seit ihrer Gründung nicht mehr gemacht haben“, sagte Rendi-Wagner in einem Facebook-Video, das an alle SPÖ-Mitglieder und -Unterstütz­er adressiert war.

Was das an konkreten Schritten bedeutet, ist vorerst offen. Die Bandbreite der Reformvors­chläge ist groß. Die einen wollen die Parteistru­kturen reformiere­n, um die SPÖ zu öffnen und basisdemok­ratischer auszuricht­en. Andere würden am liebsten alles zur Dispositio­n stellen, Inhalte, Personen und Strukturen. Bis hin zu einer Neugründun­g, einem „zweiten Hainfeld“, wie es Ex-Bundesgesc­häftsführe­r Max Lercher formuliert hat. Aber dass man Zeit benötigen wird, darin sind sich alle einig. Und dieses Bestreben kollidiert dann doch mit einer Regierungs­beteiligun­g.

Ich warte auf die nächsten Schritte, ob Folgeeinla­dungen (von der ÖVP) kommen. Pamela Rendi-Wagner, SPÖ-Vorsitzend­e

 ?? [ Reutres ] ?? Sondierung­sgespräche im Winterpala­is in der Wiener Himmelpfor­tgasse: SPÖ-Vorsitzend­e Pamela Rendi-Wagner war der erste Gast von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz.
[ Reutres ] Sondierung­sgespräche im Winterpala­is in der Wiener Himmelpfor­tgasse: SPÖ-Vorsitzend­e Pamela Rendi-Wagner war der erste Gast von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz.

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