Die SPÖ und das Risiko des Regierens
Sondierungen. Die Parteispitze bereitet sich zwar für den unwahrscheinlichen Fall vor, dass sie von der ÖVP zu Koalitionsverhandlungen eingeladen wird. Aber eigentlich hat sie andere Sorgen.
Wien. Eineinhalb Stunden lang unterhielt sich Pamela Rendi-Wagner am Dienstagvormittag im Winterpalais in der Himmelpfortgasse mit Sebastian Kurz. Ein „freundlicher Austausch“sei dieses erste Sondierungsgespräch gewesen, berichtete die SPÖ-Chefin hinterher. Oberflächlich habe man sogar die wichtigsten Themen angesprochen.
Ein Folgetermin wurde vorerst nicht vereinbart. Ob es weitere Gespräche geben werden, hänge von Kurz ab, sagte Rendi-Wagner. „Der Ball liegt bei der ÖVP.“Insgeheim geht man in der SPÖ aber nicht davon aus, dass man für Sebastian Kurz ernsthaft als Koalitionspartner infrage kommt. Man sei wohl nur die letzte Option, heißt es.
Was der Partei vielleicht gar nicht so unrecht ist. Immerhin hat die SPÖ Probleme genug: Nur noch 21,2 Prozent, das schlechteste Ergebnis in der Geschichte, 16 Prozentpunkte hinter der ÖVP. Dass man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann, steht außer Streit. Eine Regierungsbeteiligung könnte diesem Veränderungswillen dann doch entgegenstehen. Und intern stark polarisieren.
Allerdings möchte sich die Parteispitze um Rendi-Wagner auch nicht vorwerfen lassen, sie wäre „patzig“in Opposition gegangen – wie schon nach der Wahl 2017. Damals wurde intern kritisiert, dass es Parteichef Christian Kern nicht einmal versucht habe. Und deshalb bereitet sich die SPÖ nun vorsorglich auf Koalitionsverhandlungen vor, für den unwahrscheinlichen Fall, dass Kurz fragen sollte.
Inhaltlich gelte, was sie vor der Nationalratswahl gesagt habe, erklärte RendiWagner am Dienstag. Bedingungen habe sie Kurz noch keine genannt, aber sehr wohl Themen angesprochen, die auf der Agenda der nächsten Bundesregierung „ganz oben stehen sollten“.
Darunter finden sich zumindest zwei, die Kurz nicht unterschreiben würde, nämlich eine „Reparatur des Zwölf-Stunden-Tages“und ein Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft. Bei den genannten Reformen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Pflege verfolgen beide Parteien grundsätzlich andere Ansätze. Finden könnte man sich allenfalls bei der von Rendi-Wagner geforderten „Klimaschutzoffensive“. Die SPÖ-Chefin hielt es mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen: Nun sei die „Zeit des Findens von gemeinsamen Lösungen“gekommen.
Aus SPÖ-Sicht gilt das vor allem auch intern. Am Mittwoch gibt es eine Sitzung der Landesgeschäftsführer mit Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. An sich handelt es sich um einen Routinetermin, man trifft sich einmal im Monat. Aber angesichts des Wahlergebnisses ist wohl mit scharfer Kritik zu rechnen. Nicht nur an Deutsch selbst, der den SPÖ-Wahlkampf geleitet hatte und nach dem Rücktritt von Thomas Drozda zum Bundesgeschäftsführer befördert wurde. Es gibt auch Unmut darüber, dass Drozda sein Nationalratsmandat annehmen wird. „Das ist das völlig falsche Signal“, heißt es aus einigen Landesparteien.
„SPÖ neu denken“– aber wie?
Am Freitag geht dann das SPÖ-Präsidium in Klausur, um die Reform einzuleiten. „Wir müssen die SPÖ neu denken, so radikal, wie wir es seit ihrer Gründung nicht mehr gemacht haben“, sagte Rendi-Wagner in einem Facebook-Video, das an alle SPÖ-Mitglieder und -Unterstützer adressiert war.
Was das an konkreten Schritten bedeutet, ist vorerst offen. Die Bandbreite der Reformvorschläge ist groß. Die einen wollen die Parteistrukturen reformieren, um die SPÖ zu öffnen und basisdemokratischer auszurichten. Andere würden am liebsten alles zur Disposition stellen, Inhalte, Personen und Strukturen. Bis hin zu einer Neugründung, einem „zweiten Hainfeld“, wie es Ex-Bundesgeschäftsführer Max Lercher formuliert hat. Aber dass man Zeit benötigen wird, darin sind sich alle einig. Und dieses Bestreben kollidiert dann doch mit einer Regierungsbeteiligung.
Ich warte auf die nächsten Schritte, ob Folgeeinladungen (von der ÖVP) kommen. Pamela Rendi-Wagner, SPÖ-Vorsitzende