Der unmögliche Job des Senor˜ Josep Borrell
Neue Kommission. Der dritte EU-Vertreter für Außen- und Sicherheit steht vor den Problemen seiner Vorgängerinnen.
Weder seine Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen Verstößen gegen das spanische Börsengesetz noch seine harte Linie in der Frage der Unabhängigkeit des Kosovo wurden Spaniens Außenminister, Josep Borrell, zum Fallstrick: Mit den Stimmen aller Fraktionen, ausgenommen der rechtspopulistischen „Identität und Demokratie“, welcher auch die FPÖ angehört, wurde der 72-jährige Katalane nach seiner Anhörung im außenpolitischen Ausschuss des Europaparlaments am Montagabend als nächster Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik bestätigt.
Borrell wird somit, falls alles planmäßig vor sich geht, am 1. November in die Fußstapfen von Federica Mogherini und deren Vorgängerin Catherine Ashton treten. Und er wird als bisher dritter Inhaber dieses mit dem Vertrag von Lissabon geschaffenen Amts mit denselben grundsätzlichen Problemen zu ringen haben, welche bereits Ashtons und Mogherinis Amtszeiten im Rückblick als eher enttäuschend erscheinen lassen. Denn die einstige Hoffnung, der Hohe Vertreter werde in seiner Doppelrolle sowohl als Vertreter des Rates, also der Mitgliedstaaten, als auch als Vizepräsident der Europäischen Kommission gleichsam zweifach gestärkt Europa eine Hauptrolle auf der Weltbühne verschaffen, hat sich nicht erfüllt.
Das Amt krankt vielmehr an einer fundamentalen Gegensätzlichkeit: Entweder der Hohe Vertreter ist ständig auf Achse, um das Sternenbanner der EU bei allen möglichen Anlässen zu vertreten. Oder aber er verharrt in Brüssel, um die Vorgänge in der Kommission zu beeinflussen. Erstere war die Arbeitsmethode Mogherinis, die sich zuletzt unter anderem medienwirksam fast eine Woche lang auf eine Tour der Sahelstaaten begab, ohne dass klar war, welchen konkreten Mehrwert ihre physische Anwesenheit dort haben könnte. Ihr peripatetisches Amtsverständnis hatte zur Folge, dass Mogherini bei den wöchentlichen Sitzungen der Kommission oft abwesend war und somit nicht entscheidend auf
sollte der Hohe Vertreter der EU für Außenund Sicherheitspolitik sein: Diese Hoffnung hat sich ein Jahrzehnt nach Schaffung dieses Amtes nicht erfüllt. Zu sehr beharren vor allem die großen Mitgliedstaaten auf ihrer außenpolitischen Souveränität, und zu aufreibend ist die Doppelrolle als Vizepräsident der Kommission. die politische Agenda der Kommission einwirken konnte.
Borrell hat bereits angekündigt, dass er einem gegenläufigen Amtsverständnis zuneigen werde, sprich: mehr Zeit in der politischen Küche Brüssels und weniger im Flugzeug. Eine gute Idee, sagte ein früherer hoher Funktionär des Europäischen Auswärtigen Dienstes, also des gleichzeitig mit diesem Amt geschaffenen Diplomatenkorps, zur „Presse“.
Denn Mogherini hatte auf das mächtigste politische Werkzeug der EU kaum Zugriff: die milliardenschwere Entwicklungshilfe, die bei der Kommission angesiedelt ist. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Borrell planen, diesen Politikbereich ebenso wie Fragen der Migration und der Nachbarschaftspolitik besser als bisher unter einen Hut zu bringen. Diesen soll Borrell tragen, und das soll vor allem vermeiden, dass es zu offenkundigen Eifersüchteleien kommt wie in der Frage des Westbalkans zwischen Mogherini und dem Erweiterungskommissar, Johannes Hahn; lang interessierte sich die Italienerin überhaupt nicht für diese Region, erst als mögliche Durchbrüche wie jener im griechisch-mazedonischen Namensstreit greifbar wurden, grätschte ihre E´quipe hinein.
Borrell hingegen ist sich der Bedeutung des Westbalkans für Europa bewusst: „Meine erste Reise wird nach Prishtina führen. Der Status quo dort ist nicht haltbar“, sagte er bei seiner Anhörung.