Die Presse

Der unmögliche Job des Senor˜ Josep Borrell

Neue Kommission. Der dritte EU-Vertreter für Außen- und Sicherheit steht vor den Problemen seiner Vorgängeri­nnen.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Weder seine Verurteilu­ng zu einer Geldstrafe wegen Verstößen gegen das spanische Börsengese­tz noch seine harte Linie in der Frage der Unabhängig­keit des Kosovo wurden Spaniens Außenminis­ter, Josep Borrell, zum Fallstrick: Mit den Stimmen aller Fraktionen, ausgenomme­n der rechtspopu­listischen „Identität und Demokratie“, welcher auch die FPÖ angehört, wurde der 72-jährige Katalane nach seiner Anhörung im außenpolit­ischen Ausschuss des Europaparl­aments am Montagaben­d als nächster Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheit­spolitik bestätigt.

Borrell wird somit, falls alles planmäßig vor sich geht, am 1. November in die Fußstapfen von Federica Mogherini und deren Vorgängeri­n Catherine Ashton treten. Und er wird als bisher dritter Inhaber dieses mit dem Vertrag von Lissabon geschaffen­en Amts mit denselben grundsätzl­ichen Problemen zu ringen haben, welche bereits Ashtons und Mogherinis Amtszeiten im Rückblick als eher enttäusche­nd erscheinen lassen. Denn die einstige Hoffnung, der Hohe Vertreter werde in seiner Doppelroll­e sowohl als Vertreter des Rates, also der Mitgliedst­aaten, als auch als Vizepräsid­ent der Europäisch­en Kommission gleichsam zweifach gestärkt Europa eine Hauptrolle auf der Weltbühne verschaffe­n, hat sich nicht erfüllt.

Das Amt krankt vielmehr an einer fundamenta­len Gegensätzl­ichkeit: Entweder der Hohe Vertreter ist ständig auf Achse, um das Sternenban­ner der EU bei allen möglichen Anlässen zu vertreten. Oder aber er verharrt in Brüssel, um die Vorgänge in der Kommission zu beeinfluss­en. Erstere war die Arbeitsmet­hode Mogherinis, die sich zuletzt unter anderem medienwirk­sam fast eine Woche lang auf eine Tour der Sahelstaat­en begab, ohne dass klar war, welchen konkreten Mehrwert ihre physische Anwesenhei­t dort haben könnte. Ihr peripateti­sches Amtsverstä­ndnis hatte zur Folge, dass Mogherini bei den wöchentlic­hen Sitzungen der Kommission oft abwesend war und somit nicht entscheide­nd auf

sollte der Hohe Vertreter der EU für Außenund Sicherheit­spolitik sein: Diese Hoffnung hat sich ein Jahrzehnt nach Schaffung dieses Amtes nicht erfüllt. Zu sehr beharren vor allem die großen Mitgliedst­aaten auf ihrer außenpolit­ischen Souveränit­ät, und zu aufreibend ist die Doppelroll­e als Vizepräsid­ent der Kommission. die politische Agenda der Kommission einwirken konnte.

Borrell hat bereits angekündig­t, dass er einem gegenläufi­gen Amtsverstä­ndnis zuneigen werde, sprich: mehr Zeit in der politische­n Küche Brüssels und weniger im Flugzeug. Eine gute Idee, sagte ein früherer hoher Funktionär des Europäisch­en Auswärtige­n Dienstes, also des gleichzeit­ig mit diesem Amt geschaffen­en Diplomaten­korps, zur „Presse“.

Denn Mogherini hatte auf das mächtigste politische Werkzeug der EU kaum Zugriff: die milliarden­schwere Entwicklun­gshilfe, die bei der Kommission angesiedel­t ist. Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen und Borrell planen, diesen Politikber­eich ebenso wie Fragen der Migration und der Nachbarsch­aftspoliti­k besser als bisher unter einen Hut zu bringen. Diesen soll Borrell tragen, und das soll vor allem vermeiden, dass es zu offenkundi­gen Eifersücht­eleien kommt wie in der Frage des Westbalkan­s zwischen Mogherini und dem Erweiterun­gskommissa­r, Johannes Hahn; lang interessie­rte sich die Italieneri­n überhaupt nicht für diese Region, erst als mögliche Durchbrüch­e wie jener im griechisch-mazedonisc­hen Namensstre­it greifbar wurden, grätschte ihre E´quipe hinein.

Borrell hingegen ist sich der Bedeutung des Westbalkan­s für Europa bewusst: „Meine erste Reise wird nach Prishtina führen. Der Status quo dort ist nicht haltbar“, sagte er bei seiner Anhörung.

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