Die Presse

UNO: Dag Hammarskjö­lds Tod war kein Unfall

Weltgeschi­chte. Ein detaillier­ter neuer offizielle­r Bericht über die Umstände, die das Flugzeug des UNO-Generalsek­retärs im September 1961 zum Absturz brachten, lässt nur einen Angriff als dessen Ursache plausibel erscheinen.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Eines der größten Rätsel in der Geschichte der Vereinten Nationen ist seit der Nacht auf Dienstag seiner Auflösung einen großen Schritt näher gekommen: Dag Hammarskjö­ld, zweiter Generalsek­retär der Organisati­on, posthumer Friedensno­belpreistr­äger und eine der politische­n Schlüsself­iguren auf dem Höhepunkt von Kaltem Krieg und Dekolonial­isierung, starb in der Nacht auf 18. September 1961 nicht bei einem Unfall.

Vielmehr wurde sein Flugzeug der Type DC-6 beim Landeanflu­g auf den Flughafen Ndola im damaligen Apartheids­taat Nordrhodes­ien (dem heutigen Sambia) angegriffe­n und mutwillig zum Absturz gebracht. Wer verantwort­lich ist für diesen Angriff, bei dem neben Hammarskjö­ld auch 14 weitere Menschen an Bord sofort starben (sein amerikanis­cher Leibwächte­r, Harold Julien, erlag sechs Tage später seinen schweren Verletzung­en), bleibt zwar in dem 95-seitigen Bericht des UN-Sonderermi­ttlers und früheren obersten Richters von Tansania, Mohamed Chande Othman, offen.

Doch er betont wie schon in seinem Zwischenbe­richt aus dem Jahr 2017, dass „es plausibel ist, dass ein Angriff oder eine äußere Bedrohung Ursache des Absturzes waren“, und dass die Beweislast nun bei den involviert­en Staaten liege, „zu zeigen, dass sie eine volle Überprüfun­g ihrer Archive durchgefüh­rt haben“. Drei Regierunge­n halten nach Othmans Ansicht in ihren Verschluss­akten die definitive­n Hinweise auf die Drahtziehe­r: das Vereinigte Königreich, Südafrika und die USA.

„Ich hab getroffen“

Die ursprüngli­che Untersuchu­ng durch britische und nordrhodes­ische Behörden, welche dem Piloten, Per Hallonquis­t, die Schuld am Absturz zuwiesen, waren laut Othman gezielt manipulier­t. So wischten die Ermittler übereinsti­mmende Aussagen von neun schwarzafr­ikanischen Augenzeuge­n beiseite, die ein zweites Flugzeug gesehen zu haben angaben, welches auf Hammarskjö­lds Maschine geschossen habe.

Hochbrisan­t sind auch die Aussagen zweier mittlerwei­le verstorben­er Analysten der National Security Agency (NSA), die damals auf Horchposte­n auf Kreta und Zypern waren. Sie gaben an, diese Worte gehört zu haben: „Ich hab getroffen. Flammen kommen heraus.“Othman hatte die US-Regierung mehrfach um die entspreche­nden Transkript­e dieser aufgezeich­neten Funksprüch­e des mutmaßlich­en Kampfpilot­en, der Hammarskjö­lds Flugzeug abschoss, gebeten: ohne Erfolg.

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[ Wikipedia ] UN-Generalsek­retär Dag Hammarskjö­ld.

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