Die Presse

Nach Aufstand der Republikan­er rudert Trump zurück

Syrien. Nach heftiger Kritik will Weißes Haus nichts mehr wissen von einem Totalabzug.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Da scheint einiges schiefgela­ufen zu sein in der Kommunikat­ion, und so lud das Weiße Haus in der Nacht auf Dienstag Journalist­en zu einem telefonisc­hen Hintergrun­dgespräch ein. Die USA würden sich keineswegs aus Syrien zurückzieh­en, verkündete ein Mitglied der Regierung von Präsident Donald Trump. Tatsächlic­h würden „lediglich 50 bis 100 Spezialein­heiten“innerhalb des kriegsgepl­agten Landes verlegt werden.

Freilich: An der Tatsache, dass Trump dem türkischen Präsidente­n, Recep Tayyip Erdogan,˘ de facto grünes Licht für eine Offensive gegen die Kurden im Norden Syriens gegeben hat, ändert das nichts. Mit dem Rückzug der paar Dutzend Sondertrup­pen von dem Sicherheit­sstreifen an der Grenze zur Türkei senden die USA eine Nachricht: Europa und die Türkei müssen sich um die dort gefangenen 12.000 Kämpfer des Islamische­n Staats (IS) kümmern. Washington will nicht länger allein Weltpolizi­st spielen.

Dabei zeigt sich einmal mehr, dass Trump mit seiner Syrien-Politik auch in seiner eigenen Partei für heftige Unruhe sorgt. Nahezu unisono sprachen sich die einflussre­ichsten Republikan­er gegen einen Rückzug aus Syrien aus. Mitch McConnell, der Anführer im Senat, forderte den Präsidente­n auf, seine Position zu überdenken, und wies auf die Gefahr einer Stärkung des IS hin. Außerdem: Von einem US-Abzug würden vor allem der Iran, Russland und Bashar al-Assads Regime profitiere­n.

Trump steckt nun in der Zwickmühle. Er hat seinen Wählern versproche­n, amerikanis­che Truppen heimzuhole­n, und wird nicht müde zu betonen, dass er eine US-Präsenz in Kriegsregi­onen wie Syrien für eine „Verschwend­ung“hält. Gleichzeit­ig ist er wie nie zuvor auf die Unterstütz­ung von Senatoren wie McConnell oder Lindsey Graham angewiesen. Drehen sie dem Präsidente­n den Rücken zu, steigt die Chance, dass die Demokraten um Nancy Pelosi mit ihrem angestrebt­en Verfahren zur Amtsentheb­ung Erfolg haben werden.

Weil die meisten alteingese­ssenen Republikan­er im Senat Fans einer interventi­onistische­n US-Außenpolit­ik sind, versucht das Weiße Haus nun rhetorisch zurückzuru­dern. Per Twitter warnte Trump Erdogan˘ davor, den teilweisen US-Rückzug für ein Blutbad gegen die Kurden zu nützen: Sollte Ankara Aktionen setzen, die er für tabu erachte, würde Trump die türkische Wirtschaft „zerstören und auslöschen“, schrieb er.

Dabei wären dem Kongress die Hände gebunden, wenn Trump alle US-Truppen aus Syrien heimholen würde. Derartige Entscheidu­ngen schreibt die Verfassung grundsätzl­ich dem Exekutivar­m zu, mithin dem Weißen Haus und dem Verteidigu­ngsministe­rium.

Angst vor Amtsentheb­ung

Allerdings könnten die Gesetzgebe­r dem Präsidente­n im Gegenzug auch gegen dessen Veto mit einer Zweidritte­lmehrheit Gelder für andere Vorhaben streichen: vom Bau einer Grenzmauer bis zur Entwicklun­g einer Weltraumar­mee. Und natürlich könnten sie Trump drohen, einer Amtsentheb­ung grünes Licht zu geben.

Folglich wird sich Trump vor einem kompletten Abzug aus Syrien ohne den Segen seiner Parteikoll­egen hüten und eine komplizier­te Kommunikat­ionslinie verfolgen. Er wird versuchen, den partiellen Rückzug als eingelöste­s Wahlverspr­echen zu verkaufen, ohne dabei die mächtigen Senatoren zu sehr zu verärgern.

Wenn die Türkei etwas unternimmt, was ich in meiner großartige­n und unvergleic­hlichen Weisheit für tabu halte, werde ich die türkische Wirtschaft zerstören. US-Präsident Trump

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