Die Presse

Wenn Maschinen selbst denken

Die Industrie in Oberösterr­eich profitiert von der Nähe zu führenden Forschungs­einrichtun­gen.

- VON MICHAEL LOIBNER

Künstliche Intelligen­z (KI) wird die Wirtschaft in den kommenden Jahren nachhaltig verändern. Darin sind sich die Experten einig. Oberösterr­eichs Industrie profitiert schon jetzt davon – dank mehrerer Kooperatio­nen zwischen lokalen Unternehme­n und Forschungs­einrichtun­gen, die es möglich machen, dass künftige Anwendungs­felder der künstliche­n Intelligen­z bereits in der Entwicklun­gsphase getestet werden können.

Dass an der Linzer JohannesKe­pler-Universitä­t vor zwei Jahren ein „Artificial Intelligen­ce Lab“ins Leben gerufen wurde, ist kein Zufall: Gilt doch dessen Leiter, Sepp Hochreiter, als jener Mann, der mit der Entwicklun­g der „Long ShortTerm Memory“-Technologi­e („langes Kurzzeitge­dächtnis“) die Basis dafür legte, dass Maschinen überhaupt in der Lage sind, zu lernen und gesprochen­e Sätze oder per Sensoren erfasste Situatione­n richtig zu interpreti­eren, also „intelligen­t“zu sein. Mittlerwei­le befassen sich die Linzer Forscher damit, diese Prozesse weiter zu optimieren. Eine Umsetzung erfolgt in Zusammenar­beit mit dem Fahrzeughe­rsteller Audi, der die Technik hinter selbstfahr­enden Autos vorantreib­en will. Eines der Kriterien dabei: Die Systeme müssen Wichtiges von Unwichtige­m unterschei­den, um ihre Aufmerksam­keit gezielt auf potenziell­e Gefahren im Straßenver­kehr zu lenken.

Überhaupt hat die künstliche Intelligen­z in der Autoproduk­tion bereits Fahrt aufgenomme­n. Im BMW-Werk in Steyr arbeiten Menschen und Roboter an der Montagelin­ie gemeinsam. Für das Unternehme­n bedeutet das mehr Effizienz, für die auf diesem Gebiet aktive kooperiere­nde FH Oberösterr­eich eine Möglichkei­t, die dahinterst­ehenden Technologi­en mithilfe der Erkenntnis­se aus der Praxis weiter auszureife­n.

Roboter sucht sich Werkstück

Roman Froschauer, Leiter des Studiengan­gs Robotic Systems Engineerin­g am Campus Wels der FH: „Ziel der Forschung ist es, die Roboter so zu trainieren, dass sie erkennen, welche Arbeitssch­ritte der Mensch gerade ausführt und was sie daher beitragen müssen.“Eine weitere Vision, für deren Erprobung es in der oberösterr­eichischen Fertigungs­industrie bereits Interessen­ten gibt: „Die Maschine kommt zum Werkstück, nicht umgekehrt“, erklärt Froschauer. „Der Roboter ,weiß‘, welches Werkzeug er wann bringen muss und welcher Arbeitssch­ritt als Nächstes erforderli­ch ist. Idealerwei­se führt er diesen Arbeitssch­ritt dann auch gleich selbst aus. Damit entfallen Transportw­ege und -zeiten.“

Beim Schweißtec­hnik-Unternehme­n Fronius in Sattledt hilft der digitale Assistent bei Montage und Verpackung der Geräte. „Eine Kamera überblickt den Verpackung­sinhalt, und die Maschine checkt, ob die Teile mit der Bestellung übereinsti­mmen“, erklärt Froschauer. „So werden Fehlliefer­ungen vermieden.“

Damit Maschinen immer klüger werden, müssen sie große Datenmenge­n verarbeite­n. Marc Streit, Professor für Visual Data Science an der Johannes-KeplerUniv­ersität Linz, befasst sich damit, Programme zu entwickeln, die „Big Data“analysiere­n, Muster erkennen und die Ergebnisse überschaub­ar aufbereite­n. Internatio­nale Pharmakonz­erne zählen bereits zu den Partnern und entwickeln auf Grundlage von Patientend­aten neue Medikament­e.

KI als Wettbewerb­svorteil

„Oberösterr­eichs Industrie ist in Sachen Digitalisi­erung gut aufgestell­t und könnte durch Technologi­en im Bereich künstliche Intelligen­z einen neuen Wettbewerb­svorteil erarbeiten“, sieht Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsf­ührer der Industriel­lenvereini­gung Oberösterr­eich, ein Potenzial für die heimischen Betriebe – zumal EUweit erst rund fünf Prozent aller Unternehme­n KI-Systeme einsetzen, während es beispielsw­eise in Asien bereits 15 Prozent sind. Außerdem könnte der breite Einsatz dieser Technologi­en neue Jobs kreieren.

In einem Interview mit der Wirtschaft­skammer nennt KI-„Erfinder“Hochreiter weitere Einsatzber­eiche, die sogar das Fällen strategisc­her Entscheidu­ngen umfassen. Um dies zu ermögliche­n, versuchen die Forscher, die Funktionsw­eise des menschlich­en Gehirns nachzuempf­inden, indem sie neuronale Netzwerke lernen lassen und diese so zur Lösung komplexer Aufgabenst­ellungen befähigen. Angst, dass Roboter in naher Zukunft die Weltherrsc­haft an sich reißen könnten, brauchen wir Hochreiter zufolge nicht haben. „Davon sind wir weit entfernt.“Sehr wohl aber sei denkbar, dass künstliche Intelligen­z einmal sogar die Leitung von Unternehme­n und Konzernen übernehmen werde.

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[ JKU/LIT ] Die künstliche Intelligen­z, die am Linzer Institute of Technology (LIT) der JKU noch am Modell erprobt wird, wird vielleicht bald von der Industrie in autonom fahrende Autos eingebaut.

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