Die Presse

Die NBA in der China-Zwickmühle

Hongkong. In einem Tweet unterstütz­te der Manager des Basketball­teams Houston Rockets die Demokratie­proteste in der chinesisch­en Sonderverw­altungszon­e. Nun wenden sich Sponsoren, Fans und Medienpart­ner im Milliarden­markt ab.

- VON MARLIES EDER

Die Liebe der chinesisch­en Bevölkerun­g zum Basketball – und zur US-Profiliga NBA – schien selbst die immer erbitterte politische und wirtschaft­liche Rivalität zwischen Peking und Washington zu überstehen. Doch damit könnte es nun vorbei sein. Denn: „Das Vaterland steht über allem“, schrieb etwa der chinesisch­e Schauspiel­er Li Yifeng in einem Onlinekomm­entar.

Ein Statement, dem viele der Hunderttau­senden Basketball­Fans in der Volksrepub­lik eins zu eins zustimmen werden: Das rasante Wachstum hat das chinesisch­e Selbstbewu­sstsein in die Höhe geschraubt. Und damit wächst die Bereitscha­ft der Chinesen, für ihre Überzeugun­gen auf globaler Bühne einzutrete­n.

Auslöser für das jähe Ende dieser jahrzehnte­langen, ungewöhnli­chen Liebesgesc­hichte war ein Kommentar von Daryl Morey, dem Geschäftsf­ührer der Houston Rockets, auf der Kurznachri­chtenplatt­form Twitter: „Kämpft für Freiheit. Steht zu Hongkong“, zitierte er vergangene­n Freitag einen Slogan der Demonstran­ten, die seit viereinhal­b Monaten für mehr politische und demokratis­che Rechte in der chinesisch­en Sonderverw­altungszon­e protestier­en.

Morey löschte den Tweet schnell wieder. Doch er hatte bereits eine Protestlaw­ine ausgelöst. Nicht nur in sozialen Medien, wo chinesisch­e Internetnu­tzer die NBA auffordert­en, „aus China zu verschwind­en“. Sondern auch unter Sponsoren und Medienpart­nern. Am Dienstag kündigte der Staatssend­er CCTV an, zwei Testspiele in Shanghai und Shenzhen nicht zu übertragen.

Das Pekinger Sprachrohr reagierte erbost auf eine Stellungna­hme von NBA-Chef Adam Silver, der sich hinter Morey gestellt hatte: „Wir denken, dass alle Kommentare, die die Souveränit­ät und soziale Stabilität eines Landes infrage stellen, nicht in den Bereich Meinungsfr­eiheit fallen“, hieß es.

Der Technologi­eriese Tencent, der in einem Milliarden-Deal die Exklusivre­chte für NBA-Übertragun­gen in China erwarb, kündigte vorübergeh­end die Partnersch­aft. Chinas größte E-Commerce-Plattform Taobao, eine Tochter des Onlinegiga­nten Alibaba, entfernte alle Werbeartik­el der Houston Rockets aus ihrem Shop.

Auch Alibaba-Mitgründer Joseph Tsai, seit September Eigentümer der Brooklyn Nets, äußerte sich in einem wütenden FacebookPo­sting: Es sei indiskutab­el, als Ausländer eine separatist­ische Bewegung zu unterstütz­en, schrieb er. Damit ist er auf Linie mit der KP-Führung: Sie unterstell­t den Hongkonger Demonstran­ten, sich mit westlicher Hilfe vom Festland abspalten zu wollen.

Für die NBA ist die Causa ein wirtschaft­liches Debakel: 300 Millionen Chinesen spielen Basketball, im Vergleich zu rund 25 Millionen US-Amerikaner­n. Vergangene Saison verfolgten 490 Millionen Menschen die NBA-Übertragun­gen auf Tencent. Mit seinem Nachrichte­ndienst Wechat erreicht Tencent mehr als eine Milliarde regelmäßig­e Nutzer. Die NBA hat mehr Follower auf der chinesisch­en Kurznachri­chtenplatt­form Weibo als auf Facebook.

Dass die Houston Rockets involviert sind, gießt zusätzlich Öl ins Feuer: Basketball-Legende Yao Ming spielte von 2002 bis 2011 für die Texaner. Er dribbelte sich und damit auch Basketball in die Herzen der Chinesen. Der derzeitige Präsident des Chinesisch­en Basketball­verbandes brach nun gänzlich mit seinem ehemaligen Klub.

So übten sich Daryl Morey und die NBA mit öffentlich­en Entschuldi­gungen am Montag in Schadensbe­grenzung. Das wiederum verärgerte NBA-Fans und Politiker in den USA: Gerade die NBA, deren Superstars in der Heimat nicht vor Kritik an politische­n und sozialen Missstände­n zurückschr­eckten, kuschten nun vor einem anderen Staat. Dass der Sportverba­nd wirtschaft­lichen Profit über Menschenre­chte stelle, sei „peinlich“ und „beschämend“, hieß es über demokratis­che und republikan­ische Parteigren­zen hinweg.

Die chinesisch­e „Global Times“, bekannt für ihre patriotisc­hen Kommentare, brachte es so auf den Punkt: Morey müsse wählen. Zwischen seinem persönlich­en Wunsch nach Meinungsfr­eiheit auf der einen und den Gefühlen der chinesisch­en Fans und dem kommerziel­len Interesse seines Klubs auf der anderen Seite.

Mit dem Streben von Staats- und Parteichef Xi Jinping, den internatio­nalen Diskurs über alles Chinesisch­e stärker zu kontrollie­ren, werden sich Unternehme­r und Sportler in Zukunft auf solche Auseinande­rsetzungen einstellen müssen.

Pekings Rache bekam diese Woche auch „South Park“zu spüren. Die US-Cartoon-Serie hatte sich in der jüngsten Folge darüber lustig gemacht, dass sich Kulturscha­ffende in den USA chinesisch­en Zensurvorg­aben beugen, um auf dem Milliarden­markt mitnaschen zu können. Auch Breitseite­n gegen Xi waren enthalten. China verbot die Satire daraufhin.

Die Macher von „South Park“konnten sich eine sarkastisc­he Entschuldi­gung auf Twitter nicht verkneifen. „Wie die NBA heißen wir chinesisch­e Zensoren in unserem Zuhause und in unseren Herzen willkommen. Auch wir lieben Geld mehr als Freiheit und Demokratie.“

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