Trotzig glauben mit Schubert
Konzerthaus. Einen Oscar verdient Erwin Ortner für sein Lebenswerk: Wie auf Händen trug er diesmal seinen Arnold-Schoenberg-Chor durch Schuberts Es-Dur-Messe.
Hochzeitsreise und „letzte Worte“sind nicht unbedingt zwei Begriffe, die elegant zueinanderpassen – außer Erwin G. Ortner macht Programm. Der große Pädagoge kombinierte Mendelssohn-Bartholdys während der Hochzeitsreise komponierten 42. Psalm mit der großen Es-Dur-Messe aus Schuberts Todesjahr. Ein kluges Unterfangen (zumal große Chor-Orchesterkonzerte hier rar sind), zuerst etwas Nachhilfeunterricht für den in hiesigen Breiten oft unterschätzten Mendelssohn (vielleicht eine späte Folge der Gegenreformation gegenüber dem jüdischstämmigen Protestanten) und dann zur Kür Schuberts Opus summum, das Wiens größtes Musikgenie selbst nicht mehr hören konnte, das aber für weniger informierte Hörer auch an der Besetzung mit zwei Tenorsolisten erkennbar sein sollte. Schade nur, dass diesmal die relevante Duo-Passage „et incarnatus est“den Bach hinunterging, weil der erste Tenor sich indisponiert entschuldigen ließ und der zweite sich als ebenso ungeeignet erwies.
Zu nett für Mendelssohn
Ein ungefährdetes Gottvertrauen strahlt Mendelssohns Psalm „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser“, op. 42, aus, die „Harre auf Gott!“-Rufe ziehen sich durch diese brillante Musik, für die Erwin G. Ortner die Kräfte des Wiener Kammerorchesters und des ArnoldSchoenberg-Chors wuchtig bündelte. Protestantische Klarheit wurde in der kantatenartigen Werkstruktur weniger beansprucht, zudem fehlte es der Sopransolistin Martina Jankova´ an Diktion und vokaler Facon.¸ So nett und unbedarft sollte Mendelssohn nie klingen!
Dafür trug Erwin G. Ortner seinen verjüngten Schoenberg-Chor in bewundernswerter Detailarbeit, Klarheit und Durchsichtigkeit wie auf Händen durch Schuberts großsymphonisches Konstrukt. In einer rechtschaffenen Wiedergabe von kontrollierter Dichte wird weniger auf Spannung und imperialen Klang gebaut denn auf Demut, Erschütterung, trotzigen Glauben. Die mächtigen Fugen strahlen bei Ortner glasklar scharf, entsprechend der Virtuosität und Souveränität, mit der Schubert an der Himmelstür rüttelt. Seltsam schlampig zusammengestoppelt dagegen die Besetzung der Vokalsolisten. Die Musikstadt Wien hat sich seit 1972 ein so exzellentes Ensemble wie den Schoenberg-Chor verdient – und Erwin Guido Ortner, der wunderbare Chordirigent sowie Imperator und Doyen der Chorszene, einen Oscar für sein Lebenswerk.