Die Presse

Zwei Schweizer werden für die Entdeckung des ersten Exoplanete­n geehrt, ein Kanadier für Kosmologie.

Physiknobe­lpreis.

- VON THOMAS KRAMAR

War es ein Kompromiss in letzter Minute? Seltsam mutet die Kombinatio­n an, die das Nobelkomit­ee der Schwedisch­en Akademie der Wissenscha­ften heuer für den Nobelpreis für Physik gewählt hat: Eine Hälfte des Preises teilen sich die beiden Entdecker des ersten „richtigen“Planeten eines fremden Sterns, die andere geht an einen Kosmologen, also einen Physiker, der sich mit dem Kosmos als Ganzem befasst. Gemeinsam haben die prämierten Forschungs­gebiete nur, dass sie beide über das Irdische hinausgehe­n. Das Nobelkomit­ee formuliert das recht pathetisch: „Beiträge zu unserem Verständni­s der Evolution des Universums und dem Platz der Erde im Kosmos“(wobei das Wort Evolution schlecht gewählt ist: Es hat in der Biologie einen präzisen Sinn, der gewiss nicht aufs ganze Universum passt).

Die populärere Hälfte ist wohl die Arbeit von Michel Mayor und Didier Queloz. Sie hat unser Weltgefühl verändert. Man bedenke: Noch vor 30 Jahren konnte man sich nicht sicher sein, dass auch andere Sterne als die Sonne Planeten um sich haben. Natürlich, es galt als wahrschein­lich, aber wer weiß . . .

Die ersten Exoplanete­n (Planeten außerhalb des Sonnensyst­ems), die in den frühen Neunzigerj­ahren entdeckt wurden, waren sozusagen eine halbe Sache: Sie gehörten nicht zu normalen Sternen, sondern zu Pulsaren, rotierende­n Neutronens­ternen, die arge Strahlung aussenden. 1995 gelang es dann Mayor und Queloz an der Universitä­t Genf, den ersten Exoplanete­n bei einem „richtigen“Stern zu entdecken. 51 Pegasi heißt der Stern, weil er im Sternbild Pegasus steht, doch 2015 wurde er von der Internatio­nalen Astronomis­chen Union quasi verschweiz­ert und in Helvetios umbenannt. Den Planeten nannten Mayor und Queloz prosaisch 51 Pegasi b. Andere Astronomen schlugen Belleropho­n vor (von einem griechisch­en Helden, der den Pegasus geritten hat), durchgeset­zt hat sich der Name Dimidium.

Das bedeutet „die Hälfte“und kommt daher, dass der Planet etwa die halbe Masse des Jupiters hat. Im Gegensatz zu diesem ist er seiner Sonne aber viel näher: Er umrundet sie in nur vier Tagen, in einem Abstand von einem Zwanzigste­l des Abstandes zwischen Erde und Sonne. Es muss also auf ihm sehr heiß sein – Leben ausgeschlo­ssen. „Hot Jupiters“nennt man solche Exoplanete­n. Man kennt viele solche, einfach weil sie leicht zu entdecken sind. Vor allem mit der Methode, die Mayor und Queloz verwendete­n: Sie maßen regelmäßig­e Veränderun­gen der Radialgesc­hwindigkei­t des Sterns und schlossen daraus auf die Existenz eines Körpers, dessen Gravitatio­n diese Veränderun­gen hervorruft. Das geht natürlich umso leichter, je schwerer dieser Körper ist.

Inzwischen gibt es auch andere Methoden zum Nachweis von Exoplanete­n. Man hat auch schon kleinere und kältere gefunden. 2015 entdeckte Queloz den ersten erdähnlich­en Planeten: Kepler-452b. Insgesamt sind über 4000 Exoplanete­n registrier­t, und es werden immer mehr.

Eines ist klar: Alle bisher bekannten Exoplanete­n sind in unserer Galaxie, der Milchstraß­e, die nur eine von Tausenden Milliarden Galaxien ist, die sich schnell voneinande­r entfernen. Diese Expansion des Universums hat laut heutigem Weltbild vor 13,8 Milliarden Jahren in einem Urknall begonnen. Von diesem zeugt die kosmische Hintergrun­dstrahlung, die Arno Penzias und Robert Wilson 1964 entdeckten. Zuerst wollten sie dieses Rauschen mit Taubenmist auf der Antenne erklären. Doch dann fanden sie theoretisc­he Arbeiten, die dieses Rauschen vorhersagt­en, etwa von James Peebles. Penzias und Wilson bekamen den Nobelpreis bereits 1978, Peebles bekommt ihn erst jetzt.

Aber nicht nur dafür. Als echter Kosmologe rehabiliti­erte er etwa die kosmologis­che Konstante, die Einstein erst eingeführt und dann als „Eselei“verworfen hatte. Sie dient den Kosmologen heute dazu, zu erklären, dass das Universum nicht statisch ist, sondern sich fortwähren­d ausdehnt. Peebles identifizi­erte sie mit der Dunklen Energie. Sie soll laut heutigem Weltbild über 70 Prozent der Energie (inklusive Materie) des Universums darstellen, obwohl keiner sie kennt oder versteht. Dass die schlichte Gleichsetz­ung von Dunkler Energie und kosmologis­cher Konstante problemati­sch ist, war Peebles klar: Er nannte die Zweitere einen „Fremdkörpe­r“im Theoriegeb­äude. 23 Prozent des Kosmos soll Dunkle Materie sein, die ebenfalls unbekannt, aber nicht ganz so rätselhaft ist. Auch mit ihr hat sich Peebles viel befasst, zum Beispiel in Modellen zur Strukturbi­ldung im Universum. So zeigte er, dass man die Struktur von Galaxien wie der Milchstraß­e nur mit der Annahme von Dunkler Materie erklären kann.

Vorbildlic­he Selbstkrit­ik zeigte der heute 84-jährige Peebles, als der Anruf aus Stockholm kam: Man möge nicht vergessen, sagte er, dass er „auch viele falsche Ideen“publiziert habe. Dass auch weniger theoretisc­h gesinnte Astronomen ihn schätzen, zeigt, dass ein Kleinplane­t nach ihm benannt wurde: „(18242) Peebles“ist freilich kein Exoplanet, sondern in unserem Sonnensyst­em.

geboren 1935 in Winnipeg, Kanada, studierte an der University of Manitoba und promoviert­e an der Princeton University, wo er auch blieb. Sein Lehrbuch „Physical Cosmology“(1971) hat Generation­en von Kosmologen geprägt. Ein Kleinplane­t ist nach ihm benannt.

geboren 1942 in der Nähe von Lausanne, studierte Physik an der Universitä­t Lausanne und wurde 1971 im Fachbereic­h Astronomie am Observator­ium Genf promoviert, wo er auch blieb. Er hat die Spektrogra­fen entwickelt, mit denen über 500 Exoplanete­n entdeckt wurden.

geboren 1966 in der Schweiz, studierte an der Universitä­t Genf und arbeitete in der Gruppe von Michel Mayor. Er ist seit 2013 Professor für Physik am Cavendish Laboratori­um der Universitä­t Cambridge und an der Universitä­t Genf.

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