Zwei Schweizer werden für die Entdeckung des ersten Exoplaneten geehrt, ein Kanadier für Kosmologie.
Physiknobelpreis.
War es ein Kompromiss in letzter Minute? Seltsam mutet die Kombination an, die das Nobelkomitee der Schwedischen Akademie der Wissenschaften heuer für den Nobelpreis für Physik gewählt hat: Eine Hälfte des Preises teilen sich die beiden Entdecker des ersten „richtigen“Planeten eines fremden Sterns, die andere geht an einen Kosmologen, also einen Physiker, der sich mit dem Kosmos als Ganzem befasst. Gemeinsam haben die prämierten Forschungsgebiete nur, dass sie beide über das Irdische hinausgehen. Das Nobelkomitee formuliert das recht pathetisch: „Beiträge zu unserem Verständnis der Evolution des Universums und dem Platz der Erde im Kosmos“(wobei das Wort Evolution schlecht gewählt ist: Es hat in der Biologie einen präzisen Sinn, der gewiss nicht aufs ganze Universum passt).
Die populärere Hälfte ist wohl die Arbeit von Michel Mayor und Didier Queloz. Sie hat unser Weltgefühl verändert. Man bedenke: Noch vor 30 Jahren konnte man sich nicht sicher sein, dass auch andere Sterne als die Sonne Planeten um sich haben. Natürlich, es galt als wahrscheinlich, aber wer weiß . . .
Die ersten Exoplaneten (Planeten außerhalb des Sonnensystems), die in den frühen Neunzigerjahren entdeckt wurden, waren sozusagen eine halbe Sache: Sie gehörten nicht zu normalen Sternen, sondern zu Pulsaren, rotierenden Neutronensternen, die arge Strahlung aussenden. 1995 gelang es dann Mayor und Queloz an der Universität Genf, den ersten Exoplaneten bei einem „richtigen“Stern zu entdecken. 51 Pegasi heißt der Stern, weil er im Sternbild Pegasus steht, doch 2015 wurde er von der Internationalen Astronomischen Union quasi verschweizert und in Helvetios umbenannt. Den Planeten nannten Mayor und Queloz prosaisch 51 Pegasi b. Andere Astronomen schlugen Bellerophon vor (von einem griechischen Helden, der den Pegasus geritten hat), durchgesetzt hat sich der Name Dimidium.
Das bedeutet „die Hälfte“und kommt daher, dass der Planet etwa die halbe Masse des Jupiters hat. Im Gegensatz zu diesem ist er seiner Sonne aber viel näher: Er umrundet sie in nur vier Tagen, in einem Abstand von einem Zwanzigstel des Abstandes zwischen Erde und Sonne. Es muss also auf ihm sehr heiß sein – Leben ausgeschlossen. „Hot Jupiters“nennt man solche Exoplaneten. Man kennt viele solche, einfach weil sie leicht zu entdecken sind. Vor allem mit der Methode, die Mayor und Queloz verwendeten: Sie maßen regelmäßige Veränderungen der Radialgeschwindigkeit des Sterns und schlossen daraus auf die Existenz eines Körpers, dessen Gravitation diese Veränderungen hervorruft. Das geht natürlich umso leichter, je schwerer dieser Körper ist.
Inzwischen gibt es auch andere Methoden zum Nachweis von Exoplaneten. Man hat auch schon kleinere und kältere gefunden. 2015 entdeckte Queloz den ersten erdähnlichen Planeten: Kepler-452b. Insgesamt sind über 4000 Exoplaneten registriert, und es werden immer mehr.
Eines ist klar: Alle bisher bekannten Exoplaneten sind in unserer Galaxie, der Milchstraße, die nur eine von Tausenden Milliarden Galaxien ist, die sich schnell voneinander entfernen. Diese Expansion des Universums hat laut heutigem Weltbild vor 13,8 Milliarden Jahren in einem Urknall begonnen. Von diesem zeugt die kosmische Hintergrundstrahlung, die Arno Penzias und Robert Wilson 1964 entdeckten. Zuerst wollten sie dieses Rauschen mit Taubenmist auf der Antenne erklären. Doch dann fanden sie theoretische Arbeiten, die dieses Rauschen vorhersagten, etwa von James Peebles. Penzias und Wilson bekamen den Nobelpreis bereits 1978, Peebles bekommt ihn erst jetzt.
Aber nicht nur dafür. Als echter Kosmologe rehabilitierte er etwa die kosmologische Konstante, die Einstein erst eingeführt und dann als „Eselei“verworfen hatte. Sie dient den Kosmologen heute dazu, zu erklären, dass das Universum nicht statisch ist, sondern sich fortwährend ausdehnt. Peebles identifizierte sie mit der Dunklen Energie. Sie soll laut heutigem Weltbild über 70 Prozent der Energie (inklusive Materie) des Universums darstellen, obwohl keiner sie kennt oder versteht. Dass die schlichte Gleichsetzung von Dunkler Energie und kosmologischer Konstante problematisch ist, war Peebles klar: Er nannte die Zweitere einen „Fremdkörper“im Theoriegebäude. 23 Prozent des Kosmos soll Dunkle Materie sein, die ebenfalls unbekannt, aber nicht ganz so rätselhaft ist. Auch mit ihr hat sich Peebles viel befasst, zum Beispiel in Modellen zur Strukturbildung im Universum. So zeigte er, dass man die Struktur von Galaxien wie der Milchstraße nur mit der Annahme von Dunkler Materie erklären kann.
Vorbildliche Selbstkritik zeigte der heute 84-jährige Peebles, als der Anruf aus Stockholm kam: Man möge nicht vergessen, sagte er, dass er „auch viele falsche Ideen“publiziert habe. Dass auch weniger theoretisch gesinnte Astronomen ihn schätzen, zeigt, dass ein Kleinplanet nach ihm benannt wurde: „(18242) Peebles“ist freilich kein Exoplanet, sondern in unserem Sonnensystem.
geboren 1935 in Winnipeg, Kanada, studierte an der University of Manitoba und promovierte an der Princeton University, wo er auch blieb. Sein Lehrbuch „Physical Cosmology“(1971) hat Generationen von Kosmologen geprägt. Ein Kleinplanet ist nach ihm benannt.
geboren 1942 in der Nähe von Lausanne, studierte Physik an der Universität Lausanne und wurde 1971 im Fachbereich Astronomie am Observatorium Genf promoviert, wo er auch blieb. Er hat die Spektrografen entwickelt, mit denen über 500 Exoplaneten entdeckt wurden.
geboren 1966 in der Schweiz, studierte an der Universität Genf und arbeitete in der Gruppe von Michel Mayor. Er ist seit 2013 Professor für Physik am Cavendish Laboratorium der Universität Cambridge und an der Universität Genf.