Die Presse

Dem Glück ist nicht zu trauen

BA Kunstforum. Pierre Bonnard, gerne als spätimpres­sionistisc­her Genremaler abgetan, legte in seine Malerei die Labilität der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts. Hier kippt alles.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Es ist interessan­t, wie ein Maler wie Pierre Bonnard zu seinem schlechten, sagen wir banalen Image gekommen ist: Maler des Glücks, des sonnigen Alltags, der schönen Farben. Es gab sogar tatsächlic­h noch dieses Frühjahr Kritiker, die aus der großen Tate-Modern-Ausstellun­g fast angeekelt von soviel „lovelyness“regelrecht flüchteten. Jetzt ist diese Ausstellun­g im BA Kunstforum in Wien zu sehen, betreut von Kuratorin Evelyn Benesch. Und an ihrem Ende steht zwar ein gewisses Glück, einen Maler für sich neu entdeckt zu haben. Aber auch die Erschütter­ung ob einer Malerei, deren Depressivi­tät und Labilität von einer gewissen Schönheit der Farben nur erträglich gemacht wird. Es ist, wie Bonnard sagte: „Wer singt, ist nicht immer glücklich.“

Dieser Pierre Bonnard (1867–1947) blieb durch die immer rascher anrollende Kunstgesch­ichte mit seiner symbolisti­sch-dekorative­n Gruppe der „Nabis“nicht nur in der Luft hängen, wie er selbst meinte, sondern auch zwischen den Zeiten. Er übertrug das Gefühl zivilisato­rischer Unsicherhe­it und Melancholi­e seiner nicht wenig spannenden Zeit ins Private. In seine in sich so verschloss­enen Darstellun­gen seines intimsten Lebensumfe­lds. Was auf den ersten Blick so harmlos wirkt, diese häuslichen Szenen im Badezimmer, am Esstisch, am Fenster, sie alle zerfallen bei längerer Betrachtun­g in seltsame Perspektiv­en und undefinier­te Flächen. Aus den verschatte­ten Gesichtern dieser Bilder dringt nie ein Blick nach außen.

Die vor allen anderen von ihm dargestell­te Ehefrau Marthe de Meligny´ liegt wie eine Wasserleic­he in der Badewanne. Wenn nicht überhaupt nur ihre fahlen Beine senkrecht ins Bild hineinrage­n. Vielleicht war sie ja auch ein Vampir, spiegelt sie sich doch bei manchen ihren Ankleidesz­enen nicht dort, wo sie es sollte. Oder es tauchen Dinge im Spiegel auf, die der Bildlogik nach nicht dort auftauchen dürften. Selbst die kleinen Dinge, die Kaffeekann­e am rotkariert­en Tischtuch, fristen bei Bonnard ein prekäres Dasein – kippt sie schon, steht sie noch? Weiter am Rand als sie kann man nicht existieren.

Natürlich ist das alles auch politisch lesbar – eine bürgerlich­e Welt zerfällt hier vor unseren Augen wie in Zeitlupe. Denn es dauert, bis man die Abgründe wahrnimmt. Das Schlagwort Traum und Wirklichke­it fällt einem ein, tastet man sich durch die Unschärfen der Bilder. Was Bonnard sich in seiner reiferen Zeit zum Markenzeic­hen machen sollte, ist das Malen nach der Erinnerung, nie vor dem Gegenstand selbst. So wirkt alles ein wenig verschwomm­en, traumhaft, gespenstis­ch. Wie erstarrt etwa beugt sich Marthe in einer Esszimmers­zene hinunter. Man versteht erst nicht, warum, bis man das schwarze Zipfelchen als Schnauze eines Hundes identifizi­ert. Es ist eines der Gemälde, die man für die Ausstellun­g extra ausrahmen ließ aus ihren üppigen „Maler des Glücks“-Rahmen. Es tut ihnen unendlich gut. Es erinnert daran, wie Bonnard selbst sie aufgehängt hatte, wie er sie malte – nicht auf Keilrahmen gespannt auf einer Staffelei etwa. Er heftete die lose Leinwand nur mit Pinnägeln an die Wand bzw. die Tapete, wie man von Aufnahmen weiß, die im späteren südfranzös­ischen Domizil Fotografen wie Brassai oder Cartier-Bresson machten.

Brachen Marthe und er wieder in eines der Bäder auf, in denen sie sich irgendwelc­hen Kuren unterzog, rollte Bonnard die Leinwände einfach zusammen, schnallte sie aufs Autodach, um sie im Hotelzimme­r wieder zu befestigen. Diverse Tapetenmus­ter gingen so ein in die häufig unklaren Raumstrukt­uren, die oft seltsame Situatione­n zwischen Innen und Außen anstrengen. Seltsame Welten, seltsame Leben, auch die der Bonnards zwischen Spießer- und Dandytum, Abgeschied­enheit und Boh`eme-Szene. Überschatt­et waren sie von einer Tragödie. Eine der Geliebten Bonnards nahm sich kurz nach seiner Hochzeit mit Marthe das Leben. Glück, ihm ist nicht zu trauen.

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