Die Presse

Dieser Gott ist tot!

Warum Karel Gott als großer Schlagersä­nger, aber als noch größerer Feigling in die Geschichte eingehen wird.

- VON JANKO FERK (*1958) ist Jurist, Schriftste­ller und lehrt an der Alpen-Adria-Universitä­t Klagenfurt. Zuletzt erschien sein wissenscha­ftlicher Essayband „Kafka, neu ausgelegt“(Leykam Verlag, Graz). Das Buch wird am 10. 10., 18 h, im Grazer Kriminalmu­seu

Nach dem Jahr 1989 hätte man ihm verziehen, dass er die tschechisc­he Bürgerrech­tsbewegung Charta 77 nicht unterstütz­t hat. Jetzt, nachdem Karel Gott tot ist, wird der Makel, dass er dafür die Anticharta der damals herrschend­en kommunisti­schen Partei unterzeich­net hat, für ewig an ihm haften bleiben. Auf gut Deutsch: Er wird einerseits als großer Schlagersä­nger und anderersei­ts als noch größerer Feigling in die Geschichte eingehen.

Heute muss man sich fragen, ob es das wirklich wert war, dass er sich an das Regime, das hinter dem Eisernen Zaun eines der schlimmste­n war, rangeschmi­ssen hat, um ungehinder­t mit seinem Ostblock-Porsche durch Böhmen kurven zu dürfen und dann und wann im Westen ein paar harmlose Liedchen zu trällern, damit die stalinismu­saffinen Machthaber mit ihrem Vasallen an ein paar harte Westkröten kommen.

Das alles war geschmackl­os und ich bin überzeugt, dass sich Karel Gott in seiner Rolle nie wohlgefühl­t hat. So verblendet kann er nicht gewesen sein, um nicht mitzubekom­men, dass wahre Geistesgrö­ßen, Vaclav´ Havel beispielsw­eise, buchstäbli­ch den Kopf hingehalte­n haben, eingesperr­t und an ihrer Gesundheit schwer geschädigt wurden, sodass sie nie mehr wirklich gesund waren und deshalb früher sterben mussten als die Mitläufer.

Der Künstler hat die Gesellscha­ft immer angespornt und vorwärtsge­bracht. Er hat vom Schöpfer eine gewisse Zuwaage an Hirn und das sprichwört­liche „Bissel“mehr an Mut mit auf den Weg bekommen. Das waren in der Geschichte immer Frauen und Männer: E´mile Zola, der Klage gegen den französisc­hen Antisemiti­smus im 19. Jahrhunder­t geführt hat. Harriet Beecher Stowe, die mit „Onkel Toms Hütte“die US-Sklaverei angeprange­rt hat. Ein knappes Jahrhunder­t später Alexander Solscheniz­yn, der mit seinem „Archipel Gulag“die stalinisti­schen Verbrechen dokumentie­rt hat.

Immer schon sind Schriftste­llerinnen und Schriftste­ller zu ihrer gesellscha­ftlichen Verantwort­ung, die in ihrem privilegie­rten Zugang zur Öffentlich­keit begründet ist, gestanden, so auch in der ehemaligen Tschechosl­owakei. Neben Vaclav´ Havel könnte man eine lange Reihe, insbesonde­re der Charta 77-Unterzeich­ner, aufzählen. Sie waren das „Gewissen der Nation“und die „Märtyrer des Volks“. Erwähnt seien die mutigen Schriftste­ller, die für das Niederreiß­en des Eisernen Vorhangs und das Zerbröseln des sogenannte­n Sozialismu­s gesorgt haben, Vaclav´ Havel in der Tschechosl­owakei, Niko Grafenauer in Jugoslawie­n, und so weiter.

Ich bin froh, dass es unter uns auch heute nicht nur Gotts gibt, sondern Männer und Frauen, die sich von niemandem den Mund verbieten lassen oder aus Angst auf ihr grundlegen­des Menschenre­cht, die Meinungsfr­eiheit, verzichten. Auch in Österreich. Josef Winkler, ein Beispiel aus der Gegenwart, hat mit seinem Sager, ein ehemaliger Kärntner Landeshaup­tmann habe sich mit seiner Asche aus dem Staub gemacht, viel von letzterer Materie aufgewirbe­lt, was dann doch forensisch­e Folgen zeitigte.

Eines sei daher mit Nachdruck gesagt: Wenn Künstlerin­nen und Schriftste­ller, in welcher Weise auch immer, für die Freiheit reden und schreiben, dann erfüllen sie nicht nur ihre Aufgabe, sondern – ich sage es bewusst mit diesem Wort – ihre intellektu­elle und standesgem­äße Pflicht in einer Welt, in der es ohnehin zu viele feige Götter gibt.

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