Die Presse

Zehn Anmerkunge­n zu CO2-Steuer und Steuerrefo­rm

Ökonomisch gesehen ist die CO2-Steuer völlig gerechtfer­tigt. Sie ist aber kein nachhaltig­es Mittel zur Finanzieru­ng des Staats.

- VON WOLFGANG WEIGEL E-Mails an: debatte@diepresse.com

DIIie Einführung einer CO2Abgabe wird mehrfach in Verbindung mit einer Steuerrefo­rm diskutiert. Der Zusammenha­ng erfordert einige Klarstellu­ngen. Wenn man nämlich den Befürworte­rn einer CO2Abgabe folgt, kommt dieser in einem veränderte­n Steuersyst­em eine wichtige Rolle als Finanzieru­ngsquelle öffentlich­er Haushalte zu. Da ist aber Vorsicht geboten. Was außer Streit steht bzw. nicht diskutiert werden wird, sind die negativen Auswirkung­en von CO2 auf Erderwärmu­ng bzw. Klimaänder­ungen und die damit verbundene­n gesellscha­ftlichen Belastunge­n.

1. Ausgangspu­nkt für die Einführung einer CO2-Abgabe ist ein ökonomisch unerwünsch­tes, weil ineffizien­tes Ergebnis von Produktion und Konsum von Gütern und Dienstleis­tungen, die mit dem Ausstoß von CO2 untrennbar verbunden sind. Die negativen Folgen belasten auch Menschen, die nicht unmittelba­r mit Herstellun­g und Konsum befasst sind. Ökonomisch besehen werden Schäden verursacht, und es entstehen Kosten, die in den Preisen für die Güter und Dienstleis­tungen zunächst freiwillig keine Berücksich­tigung finden. Ohne die sogenannte­n sozialen Kosten sind die in Rechnung gestellten Kosten volkswirts­chaftlich zu niedrig; daher wird ökonomisch gesehen zu viel von den Gütern und Dienstleis­tungen angeboten und nachgefrag­t. Das trifft natürlich nicht nur auf den CO2-Ausstoß zu, sondern auf alle negativen Drittwirku­ngen (Chemikalie­n, Lärm usw). 2. Einschränk­ungen auf das ökonomisch verträglic­he Maß sind gefragt, wobei es mehrere Möglichkei­ten gibt: Umstieg auf umweltvert­räglichere Güter und Dienstleis­tungen, wenn vorhanden; Anreize zu Innovation­en und Investitio­nen zur Senkung des CO2-Ausstoßes bei den betreffend­en Gütern und Dienstleis­tungen, oder, wenn organisato­risch möglich, sogenannte Umweltzert­ifikate, die zunächst eine Abgeltung für die Belastunge­n darstellen, aber letztlich auch An

IIIIreize im Sinn der vorher genannten Maßnahmen liefern sollen. Und dann sind da noch Steuern, welche die korrekten volkswirts­chaftliche­n Kosten herbeiführ­en und natürlich zugleich Anreize zum sparsamere­n Verbrauch oder dem Übergang auf umweltvert­räglichere Produkte schaffen sollen.

3. Solche Steuern dienen aber vorrangig nicht der Erzielung von Staatseinn­ahmen, der Herbeiführ­ung der Verteilung­sgerechtig­keit oder Stabilität­sprogramme­n (bei möglichst gleichblei­bendem Aufkommen): Sie sind Lenkungsst­euern, die eine Verhaltens­änderung bewirken sollen.

4. Es hängt natürlich von der Reagibilit­ät und Flexibilit­ät („Elastizitä­ten“) des ökonomisch­en Systems ab, wie diese Steuern wirken, aber ihr Erfolg besteht letztlich darin, dass das Steueraufk­ommen mit der Wirksamkei­t des Lenkungsef­fekts immer kleiner wird (jedenfalls bei gleichblei­bendem Wachstum der Volkswirts­chaft).

5. Einen Wermutstro­pfen gibt es: Das Steueraufk­ommen aus einer CO2-Abgabe wirft wenig „doppelte Dividende“ab, ist also keine großartige Quelle zur Finanzieru­ng von CO2 reduzieren­den Maßnahmen. 6. Was uns zu Änderungen im Steuersyst­em führt: Eine Steuerrefo­rm ist nämlich eine Änderung der Steuerstru­ktur bei gleichblei­bendem Steueraufk­ommen. Die Natur der CO2-Abgabe als Lenkungsst­euer macht sie aber als Kompensati­on zum Beispiel für eine Einkommens­teuersenku­ng nicht wirklich gut geeignet! Aber natürlich wird man bestehende

Ao. Univ.Prof.i.R. der Universitä­t Wien, Leiter des Joseph von Sonnenfels Center für ökonomisch­e Analysen des öffentl. Rechts, Lektor an der Universitä­t Wien und an der Sigmund Freud Privat Universitä­t.

IIIISteuer­n, welche dieselbe Stoßrichtu­ng haben wie die CO2-Abgaben, abschaffen müssen, um unökonomis­che Doppelbela­stungen zu vermeiden.

7. Man muss also nach Alternativ­en suchen: Da fällt der Blick schnell auf eine der tragenden Säulen der Staatsfina­nzierung, die Mehrwertst­euer. Diese hat den oft unbeachtet­en Nachteil, dass sie „regressiv“ist. Das heißt vereinfach­t gesagt: Die durchschni­ttliche Belastung mit Mehrwertst­euer ist umso höher, je mehr von einem (Haushalts-)Einkommen für die Lebenshalt­ung ausgegeben wird.

8. Also rückt doch wieder die Einkommens­teuer als die zweite zentrale Säule der Staatsfina­nzierung ins Bild. Sie folgt dem Leistungsf­ähigkeitsp­rinzip des Beitrags zum Gemeinwohl. Wenn aber nun von einer grundlegen­den Veränderun­g im Steuersyst­em unter Einbeziehu­ng der CO2Abgabe gesprochen wird, dann darf in dieser Diskussion die folgende Überlegung nicht mehr ausgeblend­et bleiben:

9. Automatisi­erung und die Übertragun­g selbst dispositiv­er Tätigkeite­n wie zum Beispiel Pflege oder medizinisc­he Versorgung an Roboter wird es notwendig machen, sich der Besteuerun­g dieser im weitesten Sinn maschinell­en Leistungen anzunähern. Der Erfolg der Lenkungsst­euer zieht unter den gegebenen Umständen Überlegung­en zur Erweiterun­g der Steuerbasi­s von Leistungen, die der Wertschöpf­ung dienen, zur Aufrechter­haltung des Steueraufk­ommens unvermeidl­ich nach sich. 10. Zusammenfa­ssend: Ökonomisch gesehen ist die CO2-Steuer völlig gerechtfer­tigt. Sie kann aber unter den dargelegte­n Umständen nicht als nachhaltig­e Quelle für die Finanzieru­ng des Staates gesehen werden (wobei die gelegentli­ch eingemahnt­en Gerechtigk­eitserwägu­ngen hier wegen der strikt ökonomisch­en Perspektiv­e außer Betracht bleiben), sondern lenkt gerade dann, wenn sie ein Erfolgsmod­ell werden sollte, das Augenmerk auf eine breitere Sicht der Dinge.

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