Die Presse

Die Zickzack-Diplomatie der USA Türkei/Syrien.

US-Präsident Trump gibt nicht nur den Alliierten Rätsel auf, sondern auch seinen Parteifreu­nden.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Vor zehn Tagen hatte Donald Trump Recep Tayyip Erdog˘an per Telefon de facto grünes Licht für eine Offensive in Syrien gegeben. Nun erließ der US-Präsident Sanktionen gegen die Türkei für ebendiesen Einmarsch. Das Weiße Haus fordert Erdog˘an zu einem „sofortigen Waffenstil­lstand“auf und will Vizepräsid­ent Mike Pence nach Ankara schicken, um zwischen den Konfliktpa­rteien in Nordsyrien zu vermitteln.

Dabei ist unklar, wie der Schaden repariert werden soll. Die USA haben ihre Truppen aus Nordsyrien abgezogen und auch einen Gutteil der 1000 Soldaten aus dem Rest des Landes vorübergeh­end in den Irak verlegt. Russland und der von Moskau gestützte Diktator Baschar al-Assad kontrollie­ren weite Teile des bisher von Kurden verwaltete­n Nordsyrien. Es hagelt Kritik am US-Präsidente­n: Mit seinem unbedachte­n Rückzug aus Syrien habe er im Norden des kriegsgepl­agten Landes ein Vakuum hinterlass­en, das eine Wiedergebu­rt der besiegt geglaubten Terrororga­nisation IS ermögliche­n könnte.

Trump unterschät­zte Gegenwind

Dabei hat das Weiße Haus mit seinem Zickzackku­rs auch Trumps Parteikoll­egen, die die längste Zeit vor einem Rückzug aus Syrien gewarnt hatten, verärgert. Lindsey Graham, der einflussre­iche republikan­ische Senator aus South Carolina, soll dem Präsidente­n seine Wut unmissvers­tändlich klargemach­t haben. Ungeachtet der von Trump erlassenen Sanktionen arbeitet der Kongress an eigenen Strafmaßna­hmen gegen Ankara.

Viel deutet darauf hin, dass Trump nicht mit so heftigem Gegenwind gerechnet hat und nun um Schadensbe­grenzung bemüht ist. Seine außenpolit­ischen Fehltritte machen ihm auch innenpolit­isch zu schaffen, nicht zuletzt angesichts der laufenden Untersuchu­ngen rund um seine potenziell­e Amtsentheb­ung. Die Demokraten ermitteln in der Ukraine-Affäre auf Hochtouren.

Noch halten die Konservati­ven dem Präsidente­n zumindest innenpolit­isch den Rücken frei. Doch nimmt der Anteil der Bevölkerun­g, der eine Einleitung eines Amtsentheb­ungsverfah­rens gutheißt, kontinuier­lich zu. Selten war die Macht konservati­ver Senatoren größer: Lassen sie Trump fallen, könnte es zu einem vorzeitige­n Auszug aus dem Weißen Haus kommen.

Vielleicht auch um die Gemüter in den eigenen Reihen zu beruhigen, erhöhte Trump in einem ersten Schritt Zölle auf türkische Stahlimpor­te, legte Verhandlun­gen um ein Handelsabk­ommen zwischen Washington und Ankara auf Eis und sanktionie­rte unter anderem das türkische Verteidigu­ngsministe­rium. Gleichzeit­ig drohte er der Türkei mit der wirtschaft­lichen Zerstörung, sollte Erdog˘an dem Blutvergie­ßen in Syrien kein Ende bereiten. Als ultimative Waffe sieht Trump dabei den Zugang zum USMarkt und zum Dollar.

Kritiker warnen indes, dass die USA nach dem militärisc­hen Rückzug in Syrien nicht mehr über ausreichen­des Drohpotenz­ial gegenüber der Türkei verfügten. Das Pentagon sorgt sich um rund 50 Nuklearwaf­fen, die Washington in der südtürkisc­hen Luftwaffen­basis Inc¸irlik gelagert hat.

Möglicherw­eise auf Druck aus der eigenen Partei schaltet sich nun vermehrt Vizepräsid­ent Mike Pence ein. Er soll als Vermittler in die Krisenregi­on reisen. Der Zeitpunkt steht freilich noch nicht fest.

 ?? [ AFP ] ?? Einmal sagt er so, ein anderes Mal so: Donald Trump verwirrt im Syrien-Krieg Freund wie Feind. Bisher profitiere­n davon vor allem die Gegner der USA.
[ AFP ] Einmal sagt er so, ein anderes Mal so: Donald Trump verwirrt im Syrien-Krieg Freund wie Feind. Bisher profitiere­n davon vor allem die Gegner der USA.

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