Die Zickzack-Diplomatie der USA Türkei/Syrien.
US-Präsident Trump gibt nicht nur den Alliierten Rätsel auf, sondern auch seinen Parteifreunden.
Vor zehn Tagen hatte Donald Trump Recep Tayyip Erdog˘an per Telefon de facto grünes Licht für eine Offensive in Syrien gegeben. Nun erließ der US-Präsident Sanktionen gegen die Türkei für ebendiesen Einmarsch. Das Weiße Haus fordert Erdog˘an zu einem „sofortigen Waffenstillstand“auf und will Vizepräsident Mike Pence nach Ankara schicken, um zwischen den Konfliktparteien in Nordsyrien zu vermitteln.
Dabei ist unklar, wie der Schaden repariert werden soll. Die USA haben ihre Truppen aus Nordsyrien abgezogen und auch einen Gutteil der 1000 Soldaten aus dem Rest des Landes vorübergehend in den Irak verlegt. Russland und der von Moskau gestützte Diktator Baschar al-Assad kontrollieren weite Teile des bisher von Kurden verwalteten Nordsyrien. Es hagelt Kritik am US-Präsidenten: Mit seinem unbedachten Rückzug aus Syrien habe er im Norden des kriegsgeplagten Landes ein Vakuum hinterlassen, das eine Wiedergeburt der besiegt geglaubten Terrororganisation IS ermöglichen könnte.
Trump unterschätzte Gegenwind
Dabei hat das Weiße Haus mit seinem Zickzackkurs auch Trumps Parteikollegen, die die längste Zeit vor einem Rückzug aus Syrien gewarnt hatten, verärgert. Lindsey Graham, der einflussreiche republikanische Senator aus South Carolina, soll dem Präsidenten seine Wut unmissverständlich klargemacht haben. Ungeachtet der von Trump erlassenen Sanktionen arbeitet der Kongress an eigenen Strafmaßnahmen gegen Ankara.
Viel deutet darauf hin, dass Trump nicht mit so heftigem Gegenwind gerechnet hat und nun um Schadensbegrenzung bemüht ist. Seine außenpolitischen Fehltritte machen ihm auch innenpolitisch zu schaffen, nicht zuletzt angesichts der laufenden Untersuchungen rund um seine potenzielle Amtsenthebung. Die Demokraten ermitteln in der Ukraine-Affäre auf Hochtouren.
Noch halten die Konservativen dem Präsidenten zumindest innenpolitisch den Rücken frei. Doch nimmt der Anteil der Bevölkerung, der eine Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gutheißt, kontinuierlich zu. Selten war die Macht konservativer Senatoren größer: Lassen sie Trump fallen, könnte es zu einem vorzeitigen Auszug aus dem Weißen Haus kommen.
Vielleicht auch um die Gemüter in den eigenen Reihen zu beruhigen, erhöhte Trump in einem ersten Schritt Zölle auf türkische Stahlimporte, legte Verhandlungen um ein Handelsabkommen zwischen Washington und Ankara auf Eis und sanktionierte unter anderem das türkische Verteidigungsministerium. Gleichzeitig drohte er der Türkei mit der wirtschaftlichen Zerstörung, sollte Erdog˘an dem Blutvergießen in Syrien kein Ende bereiten. Als ultimative Waffe sieht Trump dabei den Zugang zum USMarkt und zum Dollar.
Kritiker warnen indes, dass die USA nach dem militärischen Rückzug in Syrien nicht mehr über ausreichendes Drohpotenzial gegenüber der Türkei verfügten. Das Pentagon sorgt sich um rund 50 Nuklearwaffen, die Washington in der südtürkischen Luftwaffenbasis Inc¸irlik gelagert hat.
Möglicherweise auf Druck aus der eigenen Partei schaltet sich nun vermehrt Vizepräsident Mike Pence ein. Er soll als Vermittler in die Krisenregion reisen. Der Zeitpunkt steht freilich noch nicht fest.