Strafzölle auf türkische Exporte
Wirtschaft. Die Trump-Regierung hebt Strafzölle von bis zu 50 Prozent auf türkische Exporte ein − der große Crash blieb aus. Die Türkei hatte härtere Strafmaßnahmen erwartet. Die Börse reagierte verhalten, die türkische Lira legte sogar an Wert zu. Der St
Es hätte schlimmer kommen können für die türkische Wirtschaft. Seit Tagen hatte US-Präsident Donald Trump immer wieder mit Sanktionen gegen die Türkei gedroht, um das Land für den Syrien-Einmarsch zu bestrafen. Trump sprach sogar von „Vernichtung“der türkischen Volkswirtschaft. Als Washington dann in der Nacht zum Dienstag das Sanktionspaket verkündete, reagierten die Märkte in der Türkei geradezu erleichtert. Vor allem die Tatsache, dass die Strafmaßnahmen nicht die türkischen Banken berühren, ließ Anleger am Bosporus aufatmen. Mittelfristig dürfte das Signal von Trumps Sanktionen jedoch seine Wirkung entfalten. Die Türkei ist als Investitionsstandort noch riskanter geworden.
Um die Türkei zur Einstellung ihrer Offensive in Syrien zu zwingen, erheben die USA ab sofort Strafzölle von 50 Prozent auf türkische Stahleinfuhren. Zudem setzt Washington die Verhandlungen über einen Handelsvertrag mit der Türkei aus, der den Warenaustausch zwischen den beiden Staaten von derzeit 20 Milliarden Dollar auf 100 Milliarden im Jahr anheben sollte. Mehrere Minister der Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan,˘ darunter Verteidigungsminister Hulusi Akar, wurden auf eine schwarze Liste der US-Regierung gesetzt.
Der Syrien-Einmarsch und die erwarteten Reaktionen der USA hatten türkische Marktteilnehmer in den vergangenen Tagen sehr pessimistisch gestimmt: Am Montag fielen die Börsenkurse in Istanbul so stark wie seit mehr als einem halben Jahr nicht mehr. Doch am Dienstag erholte sich der Leitindex wieder – Trumps Strafen waren weniger harsch ausgefallen als befürchtet. Auch die türkische Lira legte gegenüber dem Dollar an Wert zu. In der Türkei seien die Sanktionen längst eingepreist gewesen, weshalb es am Dienstag kein Schockerlebnis an den Märkten gegeben habe, sagte der Wirtschaftsexperte und Regierungskritiker Mustafa Sönmez gegenüber der „Presse“.
Doch auch wenn der große Crash ausblieb: Die US-Strafmaßnahmen könnten die türkische Wirtschaft empfindlich treffen, sagte Thilo Pahl, Vorstand der deutsch-türkischen Handelskammer in Istanbul. Europa ist der wichtigste Exportmarkt der Türkei, und auch die USA gehören zu den bedeutenden Abnehmern: „Klar ist, dass Amerika für die Türkei wichtiger ist als umgekehrt.“
„In der Türkei ist immer viel möglich“
Besonders die Metallbranche, der Maschinenbau und der Automobilsektor seien betroffen. Russland als einer der wenigen verbliebenen Unterstützer der international inzwischen weitgehend isolierten Türkei könne als Abnehmer türkischer Exporte die Verluste nicht wettmachen. Nach dem letzten Streit mit den USA im Vorjahr, der zu einem dramatischen Absturz der Lira führte und die Inflation nach oben schießen ließ, war die türkische Wirtschaft in jüngster Zeit wieder auf dem Weg der Besserung. Die neue politische Krise sorgt jetzt für Turbulenzen.
Pahl rechnet damit, dass die Regierung in Ankara deshalb alles daran setzen wird, Gesprächskanäle zu wirtschaftlichen Fragen mit den Europäern und Amerikanern offen zu halten. Die Türkei brauche mehr Exporte, um ihre Leistungsbilanz zu verbessern. Zuletzt habe Ankara die Kontakte mit Europa intensiviert. Ähnliches sei trotz der erheblichen Spannungen zwischen der Türkei und ihren westlichen Partnern jetzt wieder denkbar. „In der Türkei ist immer viel möglich.“
Vorerst bleibt die Erdogan-˘Regierung jedoch bei ihrer harten Linie und will die Offensive in Syrien weiter vorantreiben. Damit bleiben auch die wirtschaftlichen Aussichten getrübt. Im US-Kongress wird der Ruf nach härteren Sanktionen gegen die Türkei lauter; nach Vorstellungen einiger republikanischer Politiker könnte auch Erdogan˘ persönlich mit Strafmaßnahmen belegt werden. Ob und wie die Verwerfungen bis zum geplanten USA-Besuch des türkischen Präsidenten in einem Monat ausgeräumt werden können, ist völlig unklar.
Fest steht, dass die Türkei einen neuen Imageschaden erlitten hat. International habe das Ansehen des Landes einen schweren Schlag erhalten, sagte Wirtschaftsexperte Sönmez. Die Türkei gelte bei ausländischen Investoren ohnehin als besonders riskanter Anlagestandort.