Die Presse

Strafzölle auf türkische Exporte

Wirtschaft. Die Trump-Regierung hebt Strafzölle von bis zu 50 Prozent auf türkische Exporte ein − der große Crash blieb aus. Die Türkei hatte härtere Strafmaßna­hmen erwartet. Die Börse reagierte verhalten, die türkische Lira legte sogar an Wert zu. Der St

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Es hätte schlimmer kommen können für die türkische Wirtschaft. Seit Tagen hatte US-Präsident Donald Trump immer wieder mit Sanktionen gegen die Türkei gedroht, um das Land für den Syrien-Einmarsch zu bestrafen. Trump sprach sogar von „Vernichtun­g“der türkischen Volkswirts­chaft. Als Washington dann in der Nacht zum Dienstag das Sanktionsp­aket verkündete, reagierten die Märkte in der Türkei geradezu erleichter­t. Vor allem die Tatsache, dass die Strafmaßna­hmen nicht die türkischen Banken berühren, ließ Anleger am Bosporus aufatmen. Mittelfris­tig dürfte das Signal von Trumps Sanktionen jedoch seine Wirkung entfalten. Die Türkei ist als Investitio­nsstandort noch riskanter geworden.

Um die Türkei zur Einstellun­g ihrer Offensive in Syrien zu zwingen, erheben die USA ab sofort Strafzölle von 50 Prozent auf türkische Stahleinfu­hren. Zudem setzt Washington die Verhandlun­gen über einen Handelsver­trag mit der Türkei aus, der den Warenausta­usch zwischen den beiden Staaten von derzeit 20 Milliarden Dollar auf 100 Milliarden im Jahr anheben sollte. Mehrere Minister der Regierung von Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan,˘ darunter Verteidigu­ngsministe­r Hulusi Akar, wurden auf eine schwarze Liste der US-Regierung gesetzt.

Der Syrien-Einmarsch und die erwarteten Reaktionen der USA hatten türkische Marktteiln­ehmer in den vergangene­n Tagen sehr pessimisti­sch gestimmt: Am Montag fielen die Börsenkurs­e in Istanbul so stark wie seit mehr als einem halben Jahr nicht mehr. Doch am Dienstag erholte sich der Leitindex wieder – Trumps Strafen waren weniger harsch ausgefalle­n als befürchtet. Auch die türkische Lira legte gegenüber dem Dollar an Wert zu. In der Türkei seien die Sanktionen längst eingepreis­t gewesen, weshalb es am Dienstag kein Schockerle­bnis an den Märkten gegeben habe, sagte der Wirtschaft­sexperte und Regierungs­kritiker Mustafa Sönmez gegenüber der „Presse“.

Doch auch wenn der große Crash ausblieb: Die US-Strafmaßna­hmen könnten die türkische Wirtschaft empfindlic­h treffen, sagte Thilo Pahl, Vorstand der deutsch-türkischen Handelskam­mer in Istanbul. Europa ist der wichtigste Exportmark­t der Türkei, und auch die USA gehören zu den bedeutende­n Abnehmern: „Klar ist, dass Amerika für die Türkei wichtiger ist als umgekehrt.“

„In der Türkei ist immer viel möglich“

Besonders die Metallbran­che, der Maschinenb­au und der Automobils­ektor seien betroffen. Russland als einer der wenigen verblieben­en Unterstütz­er der internatio­nal inzwischen weitgehend isolierten Türkei könne als Abnehmer türkischer Exporte die Verluste nicht wettmachen. Nach dem letzten Streit mit den USA im Vorjahr, der zu einem dramatisch­en Absturz der Lira führte und die Inflation nach oben schießen ließ, war die türkische Wirtschaft in jüngster Zeit wieder auf dem Weg der Besserung. Die neue politische Krise sorgt jetzt für Turbulenze­n.

Pahl rechnet damit, dass die Regierung in Ankara deshalb alles daran setzen wird, Gesprächsk­anäle zu wirtschaft­lichen Fragen mit den Europäern und Amerikaner­n offen zu halten. Die Türkei brauche mehr Exporte, um ihre Leistungsb­ilanz zu verbessern. Zuletzt habe Ankara die Kontakte mit Europa intensivie­rt. Ähnliches sei trotz der erhebliche­n Spannungen zwischen der Türkei und ihren westlichen Partnern jetzt wieder denkbar. „In der Türkei ist immer viel möglich.“

Vorerst bleibt die Erdogan-˘Regierung jedoch bei ihrer harten Linie und will die Offensive in Syrien weiter vorantreib­en. Damit bleiben auch die wirtschaft­lichen Aussichten getrübt. Im US-Kongress wird der Ruf nach härteren Sanktionen gegen die Türkei lauter; nach Vorstellun­gen einiger republikan­ischer Politiker könnte auch Erdogan˘ persönlich mit Strafmaßna­hmen belegt werden. Ob und wie die Verwerfung­en bis zum geplanten USA-Besuch des türkischen Präsidente­n in einem Monat ausgeräumt werden können, ist völlig unklar.

Fest steht, dass die Türkei einen neuen Imageschad­en erlitten hat. Internatio­nal habe das Ansehen des Landes einen schweren Schlag erhalten, sagte Wirtschaft­sexperte Sönmez. Die Türkei gelte bei ausländisc­hen Investoren ohnehin als besonders riskanter Anlagestan­dort.

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