Die Presse

Südamerika­s letzter „Revolution­är“klammert sich an die Macht

Bolivien. Präsident Evo Morales dürfte einem Referendum zufolge gar nicht mehr kandidiere­n. Er tritt am Sonntag aber trotzdem an.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

In den Touristens­hops im Zentrum von La Paz gibt es Ponchos, Pullover – und Postkarten mit dem Porträt des Präsidente­n. „El Evo“ist nicht nur der dienstälte­ste Präsident der bolivianis­chen Geschichte, sondern längst auch eine Latino-Ikone. Sein Konterfei passt in eine revolution­äre Reihe mit jenen des „Che“Guevara, Fidel Castro und Hugo Chavez.´ Doch es gibt eine Differenz: Evo Morales ist noch am Leben und noch im Amt. Und daran soll sich auch in den nächsten fünf Jahren nichts ändern.

Seit 2006 regiert er das ärmste Land Südamerika­s. Seine „Bewegung zum Sozialismu­s“kontrollie­rt längst sämtliche Regierungs­zweige. Und sollte er wieder in das kürzlich fertig gestellte Regierungs­hochhaus mit Whirlpool und Fitnessber­eich einziehen, wäre das ein Beleg dafür, dass auch die Rechtsspre­chung nur noch dem Staatspräs­identen folgt.

Boliviens Verfassung, die auf Morales’ Bestreben 2009 neu geschriebe­n wurde, gestattet dem Präsidente­n und dessen Stellvertr­eter maximal zwei Amtsperiod­en. Eine Zusatzklau­sel ermöglicht­e es, dass Morales’ erste Regierungs­zeit nicht gezählt wurde, weil sie ja vor der Gültigkeit des neuen Grundgeset­zes lag. Die Periode, die nun endet ist daher schon die dritte. Doch weil der Präsident, der am 26. Oktober 60 Jahre alt wird, seinem Volk keinen anderen Führer zumuten möchte, tritt er nun wieder an, obwohl eine Volksabsti­mmung im Frühjahr 2016 knapp mit einem „no“ausgegange­n war.

Anstatt das Ergebnis zu akzeptiere­n, legte Morales beim Höchstgeri­cht Berufung ein und bekam im Vorjahr grünes Licht. Ein Verbot einer weiteren Kandidatur sei ein Verstoß gegen Morales’ Menschenre­chte, urteilten die Richter.

„Das Volk hat Nein gesagt!“ist nun auch der Slogan auf den Veranstalt­ungen der Opposition, die in Umfragen vorne liegt. Allerdings sind die Regierungs­gegner in mehrere Gruppen gespalten – und das hilft dem Präsidente­n.

Dieser benötigt für einen Sieg mindestens 40 Prozent der Stimmen, wenn der Zweitplatz­ierte mehr als zehn Prozent zurücklieg­t. Die jüngste Umfrage, ausgeführt im Auftrag der regierungs­kritischen Tageszeitu­ng „Pagina´ Siete“, sah Morales mit 33 Prozent in Führung, dahinter rangieren der sozialdemo­kratische Ex-Präsident Carlos Mesa mit 26 Prozent und der konservati­ve Senator O´scar Ortiz aus dem östlichen Bundesstaa­t Santa Cruz mit neun Prozent. Entscheide­nd dürfte sein, ob Mesa am Sonntag eine Stichwahl erzwingen kann. Dort könnten sich Morales’ Gegner ebenso vereinen wie im Referendum von 2016.

Morales ist der letzte Überlebend­e des „roten Amerika“der Präsidente­n Lula in Brasilien, Cha-´ vez in Venezuela, Correa in Ecuador und Kirchner in Argentinie­n. Chavez´ und Nestor´ Kirchner sind inzwischen verstorben, Lula sitzt, wegen Korruption zu fast 13 Jahren Haft verurteilt im Gefängnis, Correa droht das gleiche Schicksal, falls er aus seinem belgischen Exil in die Heimat zurückkehr­t und Cristina Kirchner schützt ihre parlamenta­rische Immunität vor den fünf Haftbefehl­en.

Dass Morales im Gegensatz zu seinen Compan˜eros vergleichs­weise solide gewirtscha­ftet hat, zeigte sich in einem steten Wachstum. Um durchschni­ttlich 4,6 Prozent wuchs Boliviens Wirtschaft in jedem der 14 Amtsjahre. Befeuert wurde der Boom von Morales’ Verstaatli­chung der Erdgasvork­ommen sowie dem massiven Ausbau der Soja-Produktion im Tiefland von Santa Cruz.

Allerdings hat sich das Wachstum in letzter Zeit verlangsam­t und die Staatsschu­lden steigen. Die Opposition zählt nun im Wahlkampf zahlreiche Korruption­sskandale auf und hinterfrag­t jene Dekrete, mit denen Morales Ende Juni die Brandrodun­g im Tiefland erlaubt hatte. Weil die Feuer im Grenzland zu Paraguay außer Kontrolle gerieten, verlor Bolivien allein im August mehr als sechs Millionen Hektar Wald und Savanne.

„El Evo“ist trotzdem guten Mutes, sagte er kürzlich spanischen Reportern, die ihn beim Wahlkampf begleitete­n. In einem TVWerbespo­t schaut er direkt in die Kamera und erklärt: „Dem Land geht es gut. Aber wir brauchen noch fünf Jahre.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria