Die Presse

IWF: Dunkle Wolken, aber kein Regen

Weltwirtsc­haft. Der IWF kürzt erneut seine Wachstumsp­rognose – auf das niedrigste Niveau seit der Finanzkris­e. Eine großflächi­ge Rezession erwartet er nicht. 2020 soll es wieder besser werden.

- VON JAKOB ZIRM

Eine wirkliche Überraschu­ng war es nicht, als der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) am Dienstagna­chmittag, anlässlich aktualisie­rten Weltwirtsc­haftsausbl­icks (World Economic Outlook), neuerlich die Prognose senkte. So erklärte IWF-Chefin Kristalina Georgieva bereits unlängst, dass sich der „synchrone Abschwung“weltweit ausbreiten werde, „Die Presse“berichtete. Konkret reduzierte der Fonds seine Prognose für das globale Wachstum in diesem Jahr auf drei Prozent, ein Minus von 0,3 Prozent gegenüber dem Frühjahr. „Die globale Wirtschaft ist in einer Abschwächu­ng. Drei Prozent Wachstum ist der niedrigste Wert seit der Finanzkris­e“, sagte Gita Gopinath, die Chefökonom­in des IWF, bei der Präsentati­on des Outlooks in Washington.

Allerdings ist die Situation deutlich weniger drastisch als vor zehn Jahren. Damals ging das weltweite Wachstum auf null Prozent zurück, dem Plus von 3,1 Prozent der Schwellen und Entwicklun­gsländer stand ein Minus von 3,4 Prozent in den Industriel­ändern gegenüber. Heuer erwartet der IWF für die Industriel­änder immer noch ein Wachstum von 1,7 Prozent, die Schwellen- und Entwicklun­gsländer sollen um 3,9 Prozent zulegen. „Wenn das globale Wachstum unter 2,5 Prozent liegt, bedeutet das, dass viele Länder bereits in einer Rezession sind. Ein solches Szenario erwarten wir allerdings nicht“, so Gopinath.

Zudem soll es 2020 auch bereits wieder leicht bergauf gehen. Die globale Wirtschaft soll laut den Berechnung­en des Währungsfo­nds demnach um 3,4 Prozent zulegen. Dieser Wert liegt aber ebenfalls um 0,2 Prozent unter der Prognose des Frühjahres. „Und es ist eine sehr fragile Erholung“, so Gopinath, die zum Teil auch auf Erholungst­endenzen in jenen Ländern beruht, die heuer aufgrund besonderer Umstände überdurchs­chnittlich negativ betroffen waren. Konkret nennt die Chefökonom­in des IWF dabei Argentinie­n, Iran, die Türkei oder Venezuela.

Handelskri­eg kostet Wachstum

An der allgemeine­n Schwäche sei hingegen vor allem der globale Handelskri­eg schuld. So koste allein der Kampf zwischen China und den USA der Weltwirtsc­haft heuer ein Plus von 0,8 Prozent. Hinzu kommen Langfrist-Effekte wie eine alternde Bevölkerun­g in den Industries­taaten und der damit verbundene Rückgang der Produktivi­tät in diesen Ländern.

Um die globale Konjunktur wieder mit mehr Dampf zu versehen, müssten die neu aufgestell­ten Handelsbar­rieren so schnell wie möglich wieder beseitigt werden, so der Aufruf des Währungsfo­nds an die Politik. Die Zeit sei ein dabei nicht zu unterschät­zender Faktor, weil Zölle und andere Hemmnisse zu Veränderun­gen bei den Wertschöpf­ungsketten führen.

Angesproch­en auf die jüngste Einigung zwischen den USA und China, erklärt Gopinath: „Wir begrüßen jeden Schritt, der die Spannungen reduziert. Die konkreten Auswirkung­en des Deals können wir aber erst beurteilen, wenn die Details vorliegen.“Sollten die ursprüngli­ch für Oktober und Dezember dieses Jahres geplanten Zollversch­ärfungen in den USA nicht kommen, würde der negative Effekt auf die Weltwirtsc­haft um 0,2 Prozentpun­kte sinken.

Für Österreich erwartet der Währungsfo­nds nun ebenfalls ein schwächere­s Wachstum. Die Prognose für 2019 wurde auf 1,6 Prozent gesenkt, jene für das kommende Jahr liegt nun bei 1,7 Prozent. Damit sind die Experten in Washington sogar ein wenig optimistis­cher als die heimischen Ökonomen von Wifo und IHS. Diese erwarten laut der jüngsten Konjunktur­prognose für heuer zwar in etwa ein Wachstum auf dem Niveau der IWF-Prognose, für 2020 jedoch lediglich 1,3 bis 1,4 Prozent.

Lob kommt vom IWF für die geldpoliti­sche Lockerung der Zentralban­ken. Diese sei wichtig und habe ein halbes Prozent des Wachstums gerettet. Die Politik dürfe sich aber nicht allein darauf verlassen. Länder mit fiskalpoli­tischem Spielraum – namentlich Deutschlan­d – sollten auch wieder mehr investiere­n, um die Wirtschaft anzukurbel­n, so Gopinath.

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[ Getty Images ] Deutschlan­d solle mehr investiere­n, sagt IWF-Chefökonom­in Gita Gopinath.

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