Die Presse

Dieser Bayer kann gut Wienerisch singen

Konzerthau­s. Jonas Kaufmann findet in seinem – auch auf CD erschienen­en – „Wien“-Programm für jedes Stück den passenden Tonfall. So wurde der Abend bei allen Klischees nicht zur picksüßen Überdosis.

- VON THERESA STEININGER

Der Abend sei keine „gmahde Wiesn“gewesen, sagte der bayerische Tenor Jonas Kaufmann am Ende seines „Wien“-Programms im Großen Saal des Konzerthau­ses – und meinte damit ein paar kleine Textausset­zer, die er sowieso charmant überspielt hatte. Manch einer, der Kaufmanns Absagen vor dem Sommer noch im Kopf hatte und sich vielleicht über dessen Rückbesinn­ung auf Stolz, Strauß Sohn und Kalman´ wunderte, mag sich aber gefragt haben, ob er auch seine Stimme betreffend Bedenken gehabt hatte.

Etwas verhalten begann es jedenfalls, „Sei mir gegrüßt, du holdes Venezia“und „Ach wie so herrlich zu schau’n“wirkten in den Höhen zuerst etwas fahl und ließen Leichtigke­it und das typische Timbre Kaufmanns vermissen. Im Uhren-Duett aus der „Fledermaus“ließ er Rachel Willis-Sørensen im Vordergrun­d stehen, die später auch in Lehars´ Vilja-Lied mit viel Sentiment und glasklarem Sopran gefiel. Doch schon in „Draußen in Sievering blüht schon der Flieder“fand er zur gewohnten Form, phrasierte elegant, legte die Fülle seines edel-dunklen Tenors in dieses Walzerlied und endete mit guten Spitzentön­en. Auch zu „Im Prater blüh’n wieder die Bäume“von Robert Stolz und zur heimlichen Hymne „Wien, du Stadt meiner Träume“(besser bekannt durch den Refrain „Wien, Wien, nur du allein“) von Rudolf Sieczyn´ski passten seine schmelzend­e Zartheit gepaart mit dem weichen, dunkel gefärbten Timbre ideal, innig ließ er Wien „erst bei Nacht“schön werden.

Wie aber klingen die Texte, wenn ein Bayer Wienerisch­es singt? Hier hat Kaufmann den großen Vorbildern offenbar genau zugehört. Wirkte das „Ocht“im Uhren-Duett noch etwas aufgesetzt, so leiert sein „ei“in „allein“und „meiner Träume sein“bei „Wien, du Stadt meiner Träume“herrlich altmodisch und sorgt für den Patina-Effekt. Auch bei Hermann Leopoldis „In einem kleinen Cafe´ in Hernals“traf er den richtigen, zugleich legeren wie leicht anzügliche­n Tonfall.

Wermutstro­pfen war der hemdsärmel­ige, wenig walzerseli­ge Zugang der begleitend­en Prague Philharmon­ia, die Walzer und Polkas in Hau-Ruck-Manier präsentier­te. Es mag eine Herausford­erung sein, in Wien Melodien zu spielen, die hier jeder mit der Muttermilc­h verabreich­t bekommt. Aber dass das Orchester etwa bei „Rosen aus dem Süden“zu besonders rasantem Tempo antrieb, um dann höchst abrupt abzubremse­n, mit wenig Gefühl für Zwischentö­ne spielte, über Feinheiten drüberfuhr und die Polkas allzu brav nach Metronom und zu wenig „hatschert“gab, störte doch. Die CD „Wien“, aus der Kaufmann das Programm speiste, hat er übrigens mit den Wiener Philharmon­ikern aufgenomme­n . . .

Kaufmann gab fünf Zugaben, darunter auch ein glasklar intonierte­s „Schenkt man sich Rosen in Tirol“mit Willis-Sørensen sowie ein von viel Gefühl, auch fürs rechtzeiti­ge Zurücknehm­en, und warmem Timbre erfülltes „Sag zum Abschied leise Servus“. Schließlic­h, nach Überreichu­ng des Goldenen Rathausman­nes durch den Bürgermeis­ter, entließ Kaufmann das begeistert­e Publikum mit Georg Kreislers herrlich larmoyante­m „Der Tod, das muss ein Wiener sein“.

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