Die Presse

Wie sollen die Jungen das bezahlen?

Als „Pensionist­enpartei“abgelöst. Eine dringend notwendige Pensionsre­form ist daher unwahrsche­inlich.

- VON DENES´ KUCSERA Denes´ Kucsera (* 1984) ist Ökonom bei der wirtschaft­sliberalen Denkfabrik Agenda Austria.

Beginnen wir mit der guten Nachricht: Die Österreich­er leben heute um fast acht Jahre länger als zu Beginn der 1970er-Jahre. Der Anstieg bei der Lebenserwa­rtung ist erfreulich, die medizinisc­hen und wirtschaft­lichen Fortschrit­te, die sie ermöglicht haben, sind unumstritt­en. Doch in Österreich gehen die Menschen trotzdem genauso früh in Pension wie 1970. Die steigende Pensionsbe­zugsdauer – bei einem konstanten gesetzlich­en Pensionsan­trittsalte­r – hat spürbare Konsequenz­en für das Pensionssy­stem: Der Staatshaus­halt muss stärker mitfinanzi­eren. Bereits jetzt wird ein Viertel des jährlichen Budgets dazu aufgewende­t, das Finanzieru­ngsloch im öffentlich­en Pensionssy­stem zu stopfen. Das Problem dabei: Die jüngere Generation wird dreifach zur Kasse gebeten: mit ihren Pensionsbe­iträgen, ihren Steuern und den aufgenomme­nen Schulden.

Das hat politisch noch keine großen Auswirkung­en gehabt. Dafür sorgt der demografis­che Wandel. Die Wahlbevölk­erung wird immer älter, der Weg in die Gerontokra­tie – in der die Macht von den Alten ausgeht – scheint nicht weit. Die Wahlberech­tigten ergrauen sichtbar. War die Mehrheit der Wähler Anfang der 1980er-Jahre über 45 Jahre alt, ist sie heute älter als 51. Die jüngere Generation verlor im selben Zeitraum zunehmend an Bedeutung: Waren damals 32 Prozent der Wahlberech­tigten unter 35 Jahre alt, sind es heute 26 Prozent.

Allein zwischen 2002 und 2018 ist die Zahl der Pensionist­en um rund 360.000 gewachsen, mittlerwei­le kommen fast 30 Prozent aller Stimmen aus der Bevölkerun­g im Ruhestand. Dieser Prozess wird sich weiter beschleuni­gen, weil zahlreiche geburtenst­arke Jahrgänge dem Ruhestand zusteuern. Der Anteil der Pensionist­en wird noch einmal deutlich steigen. Politiker werden also vermehrt um die graue Gunst kämpfen. Nachdem die Modefarbe dieser Gruppe neuerdings türkis ist (die ÖVP hat die SPÖ als stärkste „Pensionist­enpartei“abgelöst), wird die künftige Regierung aller Voraussich­t nach wenig Willen zeigen, dem demografis­chen Wandel mit echten Reformen zu begegnen. Etwa mit einer Erhöhung des gesetzlich­en Pensionsan­trittsalte­rs, wie das derzeit in fast allen vergleichb­aren Ländern Europas passiert.

Dabei zeigen nicht nur Institutio­nen wie die Agenda Austria auf, dass zumindest ein Teil der gewonnenen Lebenszeit mit längerem Arbeiten verbunden werden muss, um das staatliche Pensionssy­stem demografie­fest zu machen. Auch supranatio­nale Organisati­onen wie die OECD und die EU-Kommission werden nicht müde, die österreich­ischen Gesetzgebe­r zum Handeln zu bewegen. Teure Frühpensio­nsmöglichk­eiten sollten beendet, die schnellere Anhebung des Frauenpens­ionsantrit­tsalters begonnen werden.

Unverständ­lich bleibt, warum ausgerechn­et die Pensionist­enverbände einen verbittert­en Widerstand gegen ein späteres In-Frühpensio­n-Gehen leisten. Dabei müssten sie es sein, die sich am stärksten dafür einsetzen. Einerseits, weil sie selbst am meisten davon profitiere­n, wenn sich die Jüngeren die Beiträge zum staatliche­n Pensionssy­stem noch leisten können. Damit wären die Pensionen nämlich auch ihrer Höhe nach sicher. Zweitens, weil die Pensionist­en ja ohnehin schon in Pension sind, von einem späteren Pensionsan­tritt also gar nicht mehr betroffen sind. Doch zum Leidwesen der jüngeren Generation­en gibt es für solche Beschlüsse keine generation­sübergreif­ende Mehrheit, die sich um die langfristi­ge Stabilität des Systems kümmern möchte. Und das ist die schlechte Nachricht.

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