Aus Grünzeug Instrumente schnitzen
Musik. Das Wiener Gemüseorchester schnitzt aus Grünzeug Instrumente. Seit 21 Jahren tritt das Ensemble weltweit auf – heute, Donnerstag, im Essl-Museum.
Das Wiener Gemüseorchester spielt seit 21 Jahren weltweit auf selbst gebauten Instrumenten aus Lebensmitteln.
Wer hätte das gedacht“, sagt Susanna Gartmayer. „Was für Klänge in einer Petersilie stecken.“Wie das Sirren in einem Regenwald, so beschreibt ihr Kollege Jürgen Berlakovich das Geräusch, wenn man zwei der Stängel aneinanderreibt. Seit 2015 sind die beiden Mitglieder im Wiener Gemüseorchester, das ausschließlich auf selbst gebauten Instrumenten aus Gemüse spielt.
1998 begann alles mit einem „Spaßprojekt“für ein Festival. Zehn Musiker planten eine Parodie auf die Wiener Orchestertradition – als einmalige Aufführung. „Dafür suchten sie etwas, was gänzlich ungeeignet zum Musikmachen war“, erzählt Gartmayer. Die Wahl fiel auf Gemüse. Es stellte sich heraus: Ganz so ungeeignet, um zu musizieren, sind Karotte, Kürbis und Lauch doch nicht. „Und es ist einfach der Reiz des Experimentierens“, sind sich Gartmayer und Berlakovich einig.
21 Jahre später hat das Orchester vier Alben herausgebracht und tourt von Asien bis in die USA. „Gerade sind wir erst von einem Konzert aus der Türkei zurückgekommen“, erzählt Gartmayer. Heute folgt das nächste Konzert: Das Orchester tritt im Rahmen der Globart Academy im Essl-Museum in Klosterneuburg auf.
Frisch klingt es am knackigsten
Um ein „gemüsiges“Konzert veranstalten zu können, bedarf es einiger Vorbereitung. „Wir kaufen das Gemüse immer erst am Vormittag, wenn wir am Abend spielen“, erzählt Berlakovich. Die Faustregel ist: Je frischer, umso besser klingt das Instrument später. „Man spricht ja nicht umsonst von knackigem Gemüse.“Auf dem Naschmarkt kauft das Orchester bei seinem Händler des Vertrauens ein, der die Anforderungen bereits gut kennt. Eine Karotte sollte etwa gerade und lang sein, damit sie später zur optimalen Flöte werden kann. Spannend sei es, wenn man während der Tour auf ausländischen Märkten einkauft. Gartmayer: „Es werden dann gern neue Instrumente erfunden, weil anderes Material da ist.“
Mehrere Stunden bauen die Orchestermitglieder die Instrumente, schaben Gemüse aus und bohren Löcher in die Schalen – bereits Teil der Gesamtperformance. Gurkophon und Kürbistrommel sind Klassiker, die Jungzwiebeloboe eine neue Erfindung. „Durch die Einschränkung auf das Gemüse geht man immer weiter“, sagt Gartmayer.
Inspiration beim Instrumentenbau finde man in anderen Kulturen. „Es gibt ja viele Ansätze, bei denen schon seit Jahrhunderten Instrumente aus Gemüse gemacht werden“, sagt Berlakovich. „Trockenkürbisse sind beispielsweise in der afrikanischen Musik weit verbreitet.“
Im Orchester gebe es zwar Spezialisierungen – Gartmayer spiele etwa am liebsten Rhythmusinstrumente –, grundsätzlich sollte aber jeder alle der rund 150 verschiedenen Instrumente spielen können. „Jede Person spielt um die zwanzig Instrumente bei einem einzigen Konzert“, sagt Gartmayer.
Das Orchester besteht aus Berufsmusikern und Künstlern. Gartmayer ist Bassklarinettistin, Berlakovich ist Autor und macht selbst elektronische Musik. Die Kompositionen im Orchester entstehen meist in der Gruppe. Die Musikgeschmäcke seien naturgemäß verschieden, die Genres deshalb vermischt. „Wir sind ein sehr buntes, lebendiges Orchester“, sagt Berlakovich.
Gemüsesuppe als Zugabe
Der letzte Teil der Performance ist Tradition: eine Gemüsesuppe, die am Ende des Konzerts an die Besucher verteilt wird. „Früher wurde sie direkt auf der Bühne mit den ausgespielten Instrumenten zubereitet“, sagt Gartmayer. „Das war aber vielleicht ein bisschen unhygienisch.“Mittlerweile wird die Suppe schon während des Instrumentenbaus aus den Gemüseresten gefertigt. Suppenchef ist hier Berlakovich – die Suppe sei eine eigene Komposition und die „letzte Zugabe“.
Auch die Instrumente selbst werden am Ende an die Zuseher verteilt. Diese können sich dann selbst als „Gemüsiker“versuchen. Ein schöner Abschluss, sagt Gartmayer: „Das ist dann immer dieselbe Szene: Jung und Alt spielen gemeinsam auf Gemüseinstrumenten.“