Der Finanzminister und sein ziemlich löchriges Fass
Auf ein nachhaltig saniertes Budget werden wir wohl bis Sankt Nimmerlein warten.
D ie schwarze Null im Budget des Bundes war also nur eine Eintagsfliege. Schon im kommenden Jahr werde wieder das seit Jahrzehnten gewohnte Defizit Einzug halten, sagt der Finanzminister. Und er sollte es eigentlich wissen.
Allerdings: Hat irgendjemand etwas anderes erwartet? Wieso sollte ein nicht nachhaltiges Budget mit ungelösten Ausgabenproblemen plötzlich von allein ins Plus drehen? Eines, das selbst bei Rekord-Steuereinnahmen, voll wirksamer kalter Progression und vorübergehend etwas angezogener Ausgabendisziplin der Ministerien, gerade einmal mit Ach und Krach die Nulllinie erreichte?
Die Probleme des Staatshaushalts liegen ja viel tiefer als im Spendierrausch des Nationalrats vor der Wahl und der nachlassenden Konjunktur. Sie liegen darin, dass die Ausgabenseite des Staatshaushalts weiterhin nicht saniert ist. Und dass man einen Staatshaushalt selbst in einem Höchststeuerland nicht einnahmenseitig, sondern nur ausgabenseitig nachhaltig aufstellen kann, das ist unter Ökonomen nun wirklich kein Geheimnis mehr. Man kann in ein löchriges Fass oben noch so viel hineinschütten. Wenn man die Löcher nicht stopft, rinnt alles wieder irgendwie heraus.
Damit sind wir jetzt beim eigentlichen Budgetproblem dieses Landes: Jeder weiß seit vielen Jahren, welche Effizienzpotenziale in den Fehlentwicklungen im Föderalismus, im Gesundheitswesen, in der Organisation des Bildungssystems, im Förderwesen und so weiter liegen. Wirtschaftsforscher gehen da seit Jahrzehnten von Potenzialen im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Milliardenbereich aus. N ur einen Teil davon zu heben – und wir reden nicht nur lang nicht mehr über Defizite, sondern haben auch Spielraum, um die dringend notwendigen Investitionen in Bildung, Forschung, digitale Infrastruktur und so weiter zu tätigen.
Eine Zeit lang hat es im Wahlkampf 2017 so ausgesehen, als wäre die Zukunft des Landes erstmals seit Langem ein wichtiges politisches Thema und als könnte eine politische Mehrheit für die seit Jahrzehnten weitergeschobenen dringenden Strukturreformen zu finden sein.
Im Wahlkampf 2019 war das allerdings kein großes Thema mehr. Offenbar haben die Reformer schnell bemerkt, dass man sich am von Ländern, Sozialpartnern und Sozialversicherungen angerührten Strukturbeton nur den Kopf blutig schlagen kann, weil der politische Presslufthammer, der hier Abhilfe schaffen könnte, nirgends zu finden ist. Zumal das Wahlvolk ja offenbar doch auf kleine, von späteren Generationen zu begleichende Zuckerln eher anspringt als auf Reformen, die in gewachsene politische Besitzstände eingreifen. D er schnelle Rückfall ins Defizit ist also keine Überraschung. Er ist durch die jüngste Ausgabenorgie nur ein wenig vorgezogen worden. Und auch die sinkende Staatsschuldenquote ist kein Trost: Diese wird, dafür sorgen die reformresistenzbedingten Ausgaben mit ihrem unangenehmen Hang zur Kumulierung, schon in ein paar Jahren wieder zu steigen beginnen. Auf ein nachhaltiges Budget werden wir wohl weiter warten. Wahrscheinlich bis Sankt Nimmerlein.