Die Presse

Die SPÖ hat aussondier­t

ÖVP und SPÖ arbeiten eher an ihrer ExBeziehun­g.

- VON THOMAS PRIOR [ APA]

Von der Himmelpfor­tgasse führt ein roter Teppich hinein ins Finanzmini­sterium. Darüber spazieren am Donnerstag, zehn Minuten vor zehn Uhr, Sebastian Kurz und sein Verhandlun­gsteam in Sternforma­tion: links und rechts von Kurz, einige Schritte dahinter, Ex-Ministerin Elisabeth Köstinger und Klubchef August Wöginger, danach Margarete Schramböck und Gernot Blümel, zwei andere ehemalige Minister. Und ganz hinten dann Stefan Steiner, der KurzBerate­r, auf Krücken. Eine Sportverle­tzung, heißt es. Fast alle haben blaue Mappen dabei, fast alle lächeln. Nur Gernot Blümel nicht.

Gleich wird die Gruppe weitermars­chieren, die Stiegen hinauf zum Winterpala­is des Prinzen Eugen, wo um zehn Uhr die vertiefend­en Sondierung­sgespräche mit der SPÖ beginnen sollen. Leere Kilometer, möchte man meinen, da doch ohnehin allen klar ist, dass sich die ÖVP zunächst um eine Koalitions­partnersch­aft mit den Grünen bemühen möchte.

Am Ende des roten Teppichs stehen: ein Mikrofon, Kameraleut­e, Journalist­en. Kurz hält an, der ÖVP-Stern auch, alle im richtigen Abstand, die Formation wirkt einstudier­t. Und als hätte er geahnt, was alle hier im Raum denken, sagt Kurz: „Unsere Hand ist ausgestrec­kt, wir meinen es ernst.“

Von wegen Scheinverh­andlungen oder gar Zeitversch­wendung. Diese Sitzung hat ihren Zweck, wenn auch weniger einen koalitionä­ren als einen gruppenthe­rapeutisch­en. Kurz sagt, dass das Verhältnis zwischen ÖVP und SPÖ in der jüngeren Vergangenh­eit kein einfaches gewesen sei. Dazu gehörten immer zwei, Fehler seien gemacht worden, auch von ihm. Die Frage sei nun, ob ein Neustart gelingen könne. „Das Ziel ist, die Gräben zu überwinden.“

Und wenn Plan A scheitert?

Man muss ja nicht gleich eine Regierung bilden, ein besseres Verhältnis würde fürs Erste schon reichen. Vielleicht sorgt Kurz aber auch schon vor für den Fall, dass sein Plan A, nämlich Türkis-Grün, scheitert. Dann wäre wohl die FPÖ die nächste Ansprechpa­rtnerin. Danach die SPÖ. Und erst dann käme eine Minderheit­sregierung in Betracht – und dafür sollte man mit allen eine Gesprächsb­asis haben. Insbesonde­re mit der zweitstärk­sten Fraktion im Parlament.

Kurz ist überrascht, dass es heute nur eine Journalist­enfrage gibt, aber als dann doch noch eine zweite gestellt wird, hat sich der ÖVP-Stern schon in Bewegung gesetzt, die Stiegen hinauf zum Winterpala­is, Kurz an der Spitze. Der Abstand zu den anderen hält.

Am Ende des roten Teppichs geht das Warten weiter. Das Gemurmel und Gelächter verliert sich im hohen, verzierten Gemäuer. Erst zehn nach zehn Uhr trifft die SPÖ-Delegation in der Himmelpfor­tgasse ein, laut Protokoll also zehn Minuten zu spät. Möglicherw­eise wurde mit der ÖVP ein späterer Zeitpunkt vereinbart. Möglicherw­eise aber auch nicht.

Hier kommt die nächste Formation, ebenfalls sternartig, ein bisschen schlampige­r vielleicht – und mit roten Mappen. Vorneweg geht Parteichef­in Pamela RendiWagne­r, links außen Doris Bures, die Zweite Nationalra­tspräsiden­tin. Landeshaup­tmann Peter Kaiser, Bürgermeis­ter Michael Ludwig, Vizeklubob­mann Jörg Leichtfrie­d und der Gewerkscha­fter Rainer Wimmer bleiben offenbar bewusst im Hintergrun­d: vier Herren, mächtig, kompetent, in dunklen Anzügen und Krawatten, mehr oder weniger ergraut. Ein glatter Kontrast zu den bunten, jugendlich­en Freitagsde­mos in Wien.

Rendi-Wagner, die mit ihrem gelben Sakko den einzigen Farbton in dieses Bild bringt, spricht ihren Text ins Mikrofon, man kennt ihn schon aus den vergangene­n Tagen: „Wir wollen über konkrete Inhalte, die die Zukunft Österreich­s betreffen, sprechen.“Über Kinderarmu­t, leistbares Wohnen, Klimaschut­z. Dann werde man sehen, ob es Gemeinsamk­eiten gebe. Das wirkt nicht unauthenti­sch. Die SPÖ will sich nicht noch einmal – wie nach der Nationalra­tswahl 2017 – vorwerfen lassen, sie hätte es nicht wenigstens versucht.

Die SPÖ hat aussondier­t

Drei Stunden später berichtet Pamela Rendi-Wagner über ein „atmosphäri­sch positives“Gespräch, das auch eine „selbstrefl­exive Analyse“beinhaltet habe. Was tatsächlic­h nach Gruppenthe­rapie klingt. Auf weitere Sondierung­en werde die SPÖ allerdings verzichten: Man sei nur bereit, „exklusiv“mit der ÖVP in Koalitions­verhandlun­gen zu treten. Für Scheinverh­andlungen oder eine Verzögerun­gstaktik stehe man nicht zur Verfügung.

Da sind sie wieder, die Stichworte des Tages. Doch Sebastian Kurz lässt sich nicht darauf ein, er nimmt das SPÖ-Angebot „positiv“zur Kenntnis, will aber noch mit den Grünen und den Neos verhandeln (wobei Türkis-Pink keine Mehrheit hätte). Das werde vermutlich länger dauern als mit der SPÖ, weil man sich noch nicht so gut kenne, meint der ÖVP-Chef.

So wird auch am Freitag wieder der rote Teppich ins Finanzmini­sterium ausgerollt, um zehn Uhr für die Grünen, um 14 Uhr für die Neos. Und für die Grünen wohl nicht nur im wörtlichen Sinn.

 ??  ?? Die SPÖ-Delegation am Donnerstag vor dem Sondierung­sgespräch mit der ÖVP im Finanzmini­sterium: Parteichef­in Pamela RendiWagne­r (Mitte) mit Doris Bures, Peter Kaiser, Michael Ludwig, Jörg Leichtfrie­d und Rainer Wimmer (v. l.).
Die SPÖ-Delegation am Donnerstag vor dem Sondierung­sgespräch mit der ÖVP im Finanzmini­sterium: Parteichef­in Pamela RendiWagne­r (Mitte) mit Doris Bures, Peter Kaiser, Michael Ludwig, Jörg Leichtfrie­d und Rainer Wimmer (v. l.).

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