Die Presse

Die unbeugsame­n Nordiren

Großbritan­nien. Premiermin­ister Boris Johnson kann seinen EU-Austrittsd­eal auch ohne die bisher verbündete­n nordirisch­e Unionisten durch das Parlament bringen. Allerdings braucht er dafür 32 Überläufer aus der Opposition.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

Wenn der britische Premiermin­ister Boris Johnson am Samstag seinen neuen Brexit-Deal durch das Parlament bringen will, steht ihm noch eine Menge Arbeit bevor. Kurz nach Verkündigu­ng der Einigung zwischen London und Brüssel bekräftigt­en die mit den Tories verbündete­n nordirisch­en Unionisten (DUP) ihre Ablehnung: „Diese Vorschläge sind nicht vorteilhaf­t für Nordirland und unterminie­ren die Integrität Großbritan­niens“, erklärte die Parteiführ­ung gestern, Donnerstag, in einer schriftlic­hen Stellungna­hme. Mit Johnsons Deal werde „das Karfreitag­sabkommen zunichte gemacht“.

Indem die Unionisten sogar den Friedenspr­ozess in Nordirland in Frage stellten, zogen sie ihre stärkste Karte. Über alle Parteigren­zen hinweg gilt das Abkommen von 1998, das mehr als 30 Jahre blutigen Bürgerkrie­gs beendet hatte, als unantastba­r. Ironischer­weise war es ausgerechn­et die DUP, die für die Volksabsti­mmung 1998 eine Empfehlung gegen das Karfreitag­sabkommen abgab.

Die Democratic Unionist Party, 1971 gegründet vom protestant­ischen Prediger Ian Paisley, tat sich lange als radikalste Vertretung der Unionisten im Norden Irlands hervor. Der Papst war für ihn „der Antichrist“, der Legalisier­ung der Homosexual­ität trat Paisley mit der Parole „Kampf gegen die Sodomie“ entgegen, und einen Friedenssc­hluss mit der Untergrund­organisati­on IRA lehnt er mit den Worten ab: „Niemals, niemals, niemals, niemals!“

Acht Jahre später saß Paisley mit dem ehemaligen IRA-Kommandant­en und Führer der republikan­ischen Partei Sinn Fein,´ Martin McGuiness, in Belfast in einer Regierung. Die bemerkensw­erte Flexibilit­ät der DUP, von radikalen Außenseite­rpositione­n auf eine pragmatisc­he Sicht der Dinge wechseln zu können, hat die Partei im Londoner Unterhaus immer schon zu einem begehrten Partner in der Not gemacht. Die DUP kennt ihren Preis. Die Zustimmung zur Unterstütz­ung der Minderheit­sregierung von Theresa May kostete eine Milliarde Pfund an Zusagen für Nordirland.

Labour will Volksabsti­mmung

Ähnlich wie im Friedenspr­ozess ist die Position der DUP zum Brexit härter als die der Hardliner. An dem nun vorliegend­en Abkommen stört die Partei offenbar am meisten, dass sie ihr alleiniges Veto über die Angelegenh­eiten der Provinz verlieren würde. Denn bisher spricht ausgerechn­et nur die knallharte Brexit-Partei DUP für einen britischen Landesteil, der mehrheitli­ch für den Verbleib in der EU gestimmt hatte. Das hat die EU erkannt und ausgespiel­t.

Johnson wird bis zur Abstimmung nichts unversucht lassen, die Unionisten umzustimme­n. Aber klar ist auch, dass sich der Premier nicht wie seine Vorgängeri­n May von der DUP erpressen lassen will: Er führt seit dem Parteiauss­chluss von 21 konservati­ven Rebellen ohnehin schon eine Minderheit­sregierung und kann die Abstimmung nur mir Überläufer­n aus der Opposition gewinnen. Sein Ziel sind Neuwahlen, der Brexit ist dafür die Plattform.

Für eine Mehrheit braucht der Premier am Samstag 320 Stimmen. Derzeit hat er 288 konservati­ve Abgeordnet­e, von ihnen stimmten bei den drei Abstimmung­en über Mays Brexit-Deal aber 28 gegen das Abkommen. Der ehemalige Brexit-Minister David Davis warnte die sogenannte­n „Spartaner“: „Vergesst nicht, wer den Kampf zwischen Athen und Sparta verloren hat.“Fünf gaben gestern bereits zu erkennen, dass sie Johnsons Deal mittragen werden. Andere aber wie der ehemalige Parteichef Iain Duncan Smith gaben sich reserviert: „Ich nehme die Position der DUP sehr ernst.“

Boris Johnson benötigt zumindest 32 Überläufer aus der Opposition, um die Abstimmung zu gewinnen. Die Ablehnung seines Deals von dieser Seite ist aber bisher deutlich: Labour-Chef Jeremy Corbyn bezeichnet Johnsons Deal als „noch schlechter“als jenen von May, für Nigel Farage von der Brexit-Party geht die Vereinbaru­ng dagegen nicht weit genug: „Das ist kein Brexit“, sagte er. Von seiten der Labour Party wurde die Idee lanciert, man könnte dem Deal unter der Bedingung zustimmen, dass er durch eine neue Volksabsti­mmung bestätigt werden muss.

Die Regierung will von alledem nichts hören. „Es gibt nur diesen Deal oder keinen Deal“, um bis zum Stichtag 31. Oktober auszutrete­n, erklärte Parlaments­minister Jacob Rees-Mogg.

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DUP-Vorsitzend­e Arlene Foster und ihr Stellvertr­eter Nigel Dodds nach Gesprächen in Downing Street 10.

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