Die Presse

„EU soll Botschafte­r aus ei abziehen" esse“-Telefonint­erview von der en Hilfsappel­l an Europa.

Nordsyrien. Der kurdische Spitzenpol­itiker Salih Muslim bericesse“-Telefonint­erview von der verzweifel­ten Lage im eingekesse­lten Ras al-Ain. Er richtet einen en Hilfsappel­l an Europa.

- VON WIELAND SCHNEIDER

Die Presse: Wie sieht derzeit die Lage in Nordsyrien aus? Salih Muslim: Die Türkei greift entlang der gesamten Grenze auf einer Länge von 500 Kilometern an. Die heftigsten Gefechte gibt es um Ras al-Ain und Tal Abyad. Zwischen beiden Städten liegen 150 Kilometer Grenze zur Türkei. Ankara hat hier die Grenztore geöffnet und ihre islamistis­chen Söldner eingeschle­ust. Den brutalsten Angriff führt die türkische Armee in Ras al-Ain durch, mit Artillerie und Luftangrif­fen. Sie rückt mit ihren Söldnern von drei Seiten auf die Stadt vor und will sie einkreisen. Jetzt finden dort gerade Straßenkäm­pfe statt. Das Spital in Ras al-Ain wurde bombardier­t. Wir brauchen Hilfe für die vielen Verletzten. Viele können nicht aus dem Krankenhau­s heraus. Wir rufen die Europäer dazu auf zu helfen. Wir müssen diese Menschen sicher aus dem Spital und der Stadt rausbekomm­en.

Waren Sie auf diese Situation vorbereite­t? Wir wussten, dass die Türkei Angriffe plant. Aber wir erwarteten nicht, dass die USA so einfach abziehen. Es gab ja einen Deal zwischen den USA und der Türkei über gemeinsame Patrouille­n an der Grenze. Das wurde auch von unseren Kräften akzeptiert.

Sie haben mit dem syrischen Regime ein Abkommen geschlosse­n und seinen Truppen die Rückkehr nach Nordsyrien erlaubt. Fürchten Sie nicht, dass nun die Autonomie in Nordsyrien verloren geht? Nein. Im Abkommen mit Damaskus geht es nur um den militärisc­hen Schutz der Grenze zur Türkei. Das Regime mischt sich demnach nicht in unsere Selbstverw­altung und die Arbeit unserer lokalen Zivil- und Militärrät­e ein. Vielleicht wird das aber später einmal zur Sprache kommen, wenn Diskussion­en über eine politische Lösung für Syrien und eine neue Verfassung beginnen. Jetzt ist jedoch am dringlichs­ten, die Grenze und die Souveränit­ät Syriens zu verteidige­n. Syriens Regierung hatte offenbar auch Sorge, dass dieses Gebiet von der Türkei erobert werden könnte. Die Russen sind an uns herangetre­ten und haben gesagt, dass wir einen Deal mit Damaskus machen sollen.

Sind die USA nun in Syrien endgültig aus dem Spiel? Ist Russland der neue Makler in dem Konflikt? Die Amerikaner sind noch nicht völlig draußen. Sie haben sich in den Süden zurückgezo­gen und noch Truppen rund um Deir ezZor. Es ist schwierig zu sagen, was sie nun tun werden. Präsident Donald Trumps Entscheidu­ngen sind nicht ganz klar. Fühlen Sie sich von den USA und Präsident Trump betrogen? Sie haben die Soldaten abgezogen und die türkische Invasion nicht gestoppt. Das bedeutet: Sie haben betrogen. Alles begann mit dem grünen Licht der USA für Erdogan.˘

Was erwarten Sie von den Europäern? Es ist natürlich klar: Wenn es den USA und Russland nicht gelingen sollte, den Angriff der Türkei zu stoppen, dann können das auch die Europäer nicht. Aber die EU-Staaten sollten trotzdem deutliche Maßnahmen gegenüber der türkischen Regierung setzen. Sie sollten die Invasion ganz klar verurteile­n. Und sie sollten ihre Botschafte­r aus der Türkei zurückberu­fen. Soweit ich die Europäer kenne, werden sie das wohl nicht tun.

Was geschieht nun mit den IS-Kämpfern und ihren Familien, die von den Kurden in Nordsyrien festgehalt­en werden? Unsere Leute versuchen, sie weiterhin zu bewachen. Aber wir wissen nicht, was weiter passieren wird. Die Türkei hat ein Gefängnis bei Qamishli beschossen. Danach konnten fünf IS-Kämpfer ausbrechen. Aus dem Lager bei Ain Issa für Frauen, die beim IS waren, konnten 800 Personen fliehen. Einige davon konnten wir wieder einfangen. Ich denke, dass einige IS-Leute versuchen werden, in die Türkei zu flüchten. Um dann weiter nach Europa zu kommen.

Unter den IS-Gefangenen befinden sich zahlreiche Europäer, die sich den Jihadisten angeschlos­sen haben. Er

warten Sie, dass die EU-Staaten nun diese Personen zurücknehm­en, um die Kurden zu entlasten? Zuerst sollten die Europäer helfen, die türkische Invasion zu stoppen. Dann können wir uns um das andere kümmern. Wir bewachen 12.000 IS-Kämpfer, 1500 davon sind Ausländer. Wir hatten schon früher die Europäer gebeten, etwas zu unternehme­n, aber niemand wollte das Thema angreifen. Für uns ist das ein internatio­nales Problem. Wir können das nur gemeinsam lösen.

Ankara argumentie­rt, dass es in Nordsyrien den Terror bekämpft und die kurdischen YPG-Volksverte­idigungsei­nheiten eine Gefahr für die Türkei darstellen. Wir haben die Türkei nicht bedroht. Bevor wir unsere Selbstverw­altung einrichten konnten, hatte der IS hier weite Gebiete kontrollie­rt. Und die Türkei hatte nichts dagegen, den IS jahrelang an ihrer Grenze zu haben. Sie hatten eine gute Beziehung zueinander. IS-Leute konnten leicht die Grenze passieren.

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Kampf um Nordsyrien. Kurdische Einheiten haben Reifen
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