„Seien Sie kein Idiot . . .“
USA/Türkei. Ein bizarrer Brief Donald Trumps an Erdo˘gan erschwert die Vermittlungsmission von US-Vizepräsident Mike Pence zusätzlich.
Kein Lächeln für die Kameras, kaum ein freundliches Wort. Als der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan,˘ am Donnerstag den US-Vizepräsidenten Mike Pence in seinem Palast in Ankara empfing, wirkten beide Politiker selbst beim Händedruck für die Fotografen wie zwei Boxer, die darauf warten, aufeinander loszugehen. Pence war nach Ankara gekommen, um Erdogan˘ zu einem Waffenstillstand der türkischen Armee in Nord-Syrien zu bewegen. Die Türken gehen im Nachbarland gegen die Kurdenmiliz YPG vor, die sie als terroristische Bedrohung betrachten – doch die USA sehen die YPG als Partner im Kampf gegen den Islamischen Staat.
Nachdem US-Präsident Donald Trump am 6. Oktober zunächst grünes Licht für die türkische Intervention gegeben hatte, drohte Washington nun mit verheerenden Wirtschaftssanktionen gegen Ankara. Nicht nur wegen dieser Widersprüche hatte Pence einen schweren Stand.
Vor seiner Ankunft war ein Brief von Trump an Erdogan˘ vom 9. Oktober bekannt geworden, der in der Geschichte der Diplomatie beispiellos ist. „Spielen Sie nicht den starken Mann, seien Sie kein Idiot“, schrieb Trump. In dem Schreiben fordert Trump den türkischen Staatschef mit drastischen Formulierungen zu Verhandlungen mit der YPG auf und drohte erneut, er werde die türkische Wirtschaft mit Sanktionen „zerstören“, wenn es keine gütliche Lösung gebe. Wenn Erdogan˘ nicht zurückstecke, werde er in der Geschichte für immer der „Teufel“bleiben.
Türkische Medien zitierten hochrangige Regierungsvertreter in Ankara mit den Worten, Erdogan˘ habe Trumps Brief „in den Mistkübel geworfen“. Als Antwort auf das Schreiben sei die Türkei am 9. Oktober losmarschiert. Der türkische Staatschef dürfte Pence auch genau erläutert haben, warum er Trumps Vorschlag, mit der YPG zu verhandeln, ablehnt: Der von Trump in seinem Brief zitierte YPG-General Mazloum Abdi ist ein früherer Kommandeur der terroristischen Kurdengruppe PKK und nach türkischen Angaben verantwortlich für den Tod von 41 Zivilisten bei PKKAnschlägen auf türkischem Boden. Dass sich ein Vertreter Ankaras mit Mazloum an einen Tisch setzt, ist ausgeschlossen.
Ein Durchbruch war bei dem Treffen von Erdogan˘ und Pence deshalb nicht zu erwarten. Trotzdem könnte es bald Bewegung im Syrien-Konflikt geben. Noch während Pence in Ankara weilte, begann die türkische Regierung mit den Vorbereitungen für ein Gipfeltreffen Erdogans˘ mit dem russischen Präsidenten, Wladimir Putin, kommende Woche. Putin, Schutzherr des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, will mit Erdogan˘ über einen Interessenausgleich von Türkei und syrischer Regierung im Nordosten Syriens reden.
Verzichtet Türkei auf Sicherheitszone?
Syrische Staatsmedien veröffentlichten unterdessen Fotos von Regierungssoldaten, die in der Stadt Kobane an der Grenze zur Türkei die Staatsflagge hissten. Die Einnahme der Stadt durch die syrische Armee bedeutet, dass ein Vorstoß der türkischen Armee vorerst ausgeschlossen ist. Das Moskauer Außenamt erklärte ebenfalls, die syrische Grenze zur Türkei müsse von der Regierung in Damaskus kontrolliert werden. Erdogans˘ Außenminister Mevlüt C¸avus¸og˘lu ließ erkennen, dass Ankara auf die Einrichtung einer türkisch kontrollierten Sicherheitszone in Nordsyrien verzichten könnte. Sein Land habe kein Problem damit, wenn Russland zusammen mit der syrischen Armee die YPG von der türkischen Grenze fernhalte, erklärte er.