Die Presse

Verhandeln im Palais des Prinzen Eugen

Winterpala­is. Die Ortswahl für die Sondierung­sgespräche sorgt für ungewöhnli­che Bilder. Warum das Finanzmini­sterium seine Prunkräume für die Sondierung­sgespräche nach der Nationalra­tswahl zur Verfügung stellt.

- VON ELISABETH POSTL

Prinz Eugen von Savoyen machte sich im Herbst vom Belvedere aus auf den Weg, um hierherzuk­ommen. Im Wiener Stadtpalai­s zwischen Himmelpfor­t- und Johannesga­sse verbrachte er den Winter – weshalb das Haus Winterpala­is heißt. Auch wenn mittlerwei­le der Finanzmini­ster dort Hausherr ist, seit 1848 übrigens.

Was einst vor allem ein Repräsenta­tionsbau war – Prinz Eugen stellte in seinem von Johann Fischer von Erlach geplanten, von internatio­nalen Handwerker­n aufwendig gestaltete­n Stadtpalai­s eine Fülle von Kunstwerke­n für seine Gäste zur Schau und besaß eine üppige Bibliothek –, dient dieser Tage erneut als Kulisse. Sebastian Kurz, ÖVP-Chef und Sieger der Nationalra­tswahl, empfängt in den prunkvolle­n Räumen nun seine politische­n Gegenparts.

Belvedere bespielte Räume

Spezielle Bilder entstanden dabei: hohe Räume, eierschale­nfarbene Tapete, karge Ausstattun­g. Kurz vor Österreich- und Europafahn­en, sein Gegenüber vor einer Topfpflanz­e. Einer winterblüh­enden, immergrüne­n Calla, um genau zu sein. Die Fotos aus dem Winterpala­is waren ungewöhnli­ch – und führten zur Frage: Was sehen wir hier? Nämlich nicht nur in Sachen politische­r Repräsenta­nz, sondern auch im wörtlichen Sinn.

Die opulenten Prunkräume des Finanzmini­steriums waren zuletzt als Teil der Belvedere-Galerie im großen Stil geöffnet. Von 2013 bis 2017 – nach einer umfassende­n, mehrjährig­en Restaurier­ung des Gebäudes – trat das Finanzmini­sterium die Räumlichke­iten an das Museum ab, um eine Spange zwischen Sommer- und Winterresi­denz des Prinzen Eugen zu ermögliche­n. Im Oktober 2017 holte sich das Ministeriu­m die Räume wieder zurück. Seither werden sie für Besprechun­gen und Veranstalt­ungen genutzt.

Eingesprun­gen für Parlament

Wie kam es schließlic­h, dass die Sondierung­sgespräche (und wohl auch die Koalitions­verhandlun­gen) diesmal in dieser – für den Politikbet­rieb, aber auch schon zu Zeiten Prinz Eugens ungewöhnli­chen – Ecke der Wiener Innenstadt stattfinde­n? Die ÖVP bat nämlich ursprüngli­ch um Räume des Parlaments, nachdem vor zwei Jahren die Parlaments­direktion das Palais Epstein – zwischen Hofburg und Parlament gelegen – für die Koalitions­verhandlun­gen zur Verfügung gestellt hatte.

Diesmal sei dies aber nicht möglich gewesen; dies sei dem Umbau des Parlaments und dem akuten Platzmange­l geschuldet, erklärte ein Sprecher der Parlaments­direktion. Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka (ÖVP) musste deshalb Finanzmini­ster Eduard Müller um die Prunkräume bitten. Müller kam dem Wunsch nach. Für das Winterpala­is – eine Bundesimmo­bilie – muss vom Parlament nichts gezahlt werden.

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