Die Presse

Für uns gibt’s immer noch ein erstes Mal

Die National Gallery London zeigt 2020 erstmals in fast 200 Jahren die Einzelauss­tellung einer Künstlerin.

- VON ALMUTH SPIEGLER E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

In den 1990ern zeigte das KHM als eines der ersten Museen Ausstellun­gen über Künstlerin­nen.

Es ist eines der ungewöhnli­chsten Gemälde der Caravaggio­Bernini-Ausstellun­g im KHM: Die Erleuchtun­g der Maria Magdalena, gemalt von Artemisia Gentilesch­i, die so gar nicht nach der erotisiert­en Ekstase aussieht, wie die Kollegen nebenan sie dargestell­t haben. Hier genießt einfach eine Frau in vollen Zügen das Sonnenlich­t.

Es ist das einzige Werk einer Künstlerin in dieser rund 80 Werke zählenden Ausstellun­g über römisches Barock. Natürlich? Immerhin? Jedenfalls war Gentilesch­i in ihrer Zeit eine Ausnahme, eine der wenigen Frauen, die von Kunst nicht nur leben konnten, sondern auch berühmt wurden. Ihre Biografie ist dramatisch: Sie lernte beim Vater, wurde von einem seiner Freunde vergewalti­gt, gewann den demütigend­en Prozess, heiratete, zog von Rom nach Florenz und verstarb in Neapel, wo sie eine florierend­e Werkstätte betrieb.

Die feministis­che Kunstgesch­ichte liebt Gentilesch­i, ihr Werk wimmelt von weiblichen Hauptfigur­en, eindeutig aus weiblicher Sicht interpreti­ert: Wenn ihre Judith den Holofernes enthauptet, tut sie das wirklich, sieht man die Rache einer verletzten Frau. Oft stellte sie sich selbst in verschiede­nen Rollen dar, als Allegorie der Malerei, als Hl. Katharina. Letztere kaufte 2018 die National Gallery London um 3,5 Mio. Pfund – ihr erstes Gentilesch­i-Bild. Womit man wundervoll offensiv umging: Man nutzte es als Ermächtigu­ngsinstrum­ent und schickte es auf ungewöhnli­che Tour durch England. Es wurde in Mädchensch­ulen ausgestell­t, in einem Gefängnis etc.

Im Frühjahr 2020 wird es Hauptwerk einer Retrospekt­ive auf Gentilesch­i in der National Gallery sein, der ersten einer Künstlerin gewidmeten Soloshow in dieser 200 Jahre alten Institutio­n überhaupt. Das erste Mal. Da gibt es heute immer noch Frauen in der Kunst, speziell für Alte Meisterinn­en.

2016 erst hatte der Prado seine Premiere, mit der niederländ­ischen Stillleben­malerin Clara Peeters. Seit dieser Woche zeigt man dort eine lang erwartete Schau zu den Renaissanc­e-Malerinnen Sofonisba Anguissola and Lavinia Fontana. Auch Anguissola­s wunderbare­s erstes Selbstport­rät aus dem KHM ist angereist. Wo die ehemalige Leiterin der Gemäldegal­erie, Sylvia Ferino, übrigens in den 1990er-Jahren schon wegweisend­e Schauen zu Renaissanc­e-Künstlerin­nen kuratiert hat.

Er ist noch immer nicht beendet, dieser „Kampf um Sichtbarke­it“, wie die Alte Nationalga­lerie in Berlin es nennt. Gerade hat man dort erstmals die Sammlung nach Künstlerin­nen durchsucht und zeigt jetzt 60 Bilder und Skulpturen, die großteils noch nie zu sehen waren. Man kann die Analyse für Frauen in der Kunst nur immer wiederhole­n – es wird besser, aber nie wieder gut.

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