Ein „Danke“ist nicht genug
Anerkennung. Gelegentlich ein „Das hast du gut gemacht“ist zu wenig. Fehlende Wertschätzung hat viele Gesichter. Sie kostet eine Stange Geld. Und sie kann nur von oben repariert werden.
Drei Beispiele aus dem prallen Leben: die Arbeiter an der Produktionsanlage, die sich mit ihren Ideen nicht ernst genommen fühlen („Ihr werdet nicht fürs Denken bezahlt“). Achselzuckend strengen sie sich nicht mehr so sehr an, wohl wissend, dass ihre Minderleistung sich im Lauf eines Jahres zum Wert eines Einfamilienhauses summiert.
Die Sachbearbeiterin, die herausfindet, dass sie für dieselbe Leistung 20 Prozent weniger bezahlt bekommt als ihre männlichen Kollegen. „Das System . . .“, wiegelt ihr Abteilungsleiter ab. Und lobt sie umgehend für ihre Verlässlichkeit.
Der 50 plus, der sich beim Vorgesetzten um eine stärkere Lampe bemüht. „Du hast dasselbe Licht wie alle anderen“, ignoriert dieser das (alterstypische) Bedürfnis des Mitarbeiters nach mehr Helligkeit. Er lässt sich postwendend krankschreiben.
Drei von vielen Beispielen, die der Salzburger Organisationspsychologe Willi Baier aus dem Ärmel schüttelt. Keine dieser Führungskräfte war bösartig. Im Gegenteil, sie hielten sich für wertschätzend. „Aber es reicht nicht, zweimal am Tag einen Mitarbeiter zu loben“, korrigiert Baier. Anerkennung greife weiter als Lob.
Baier verweist auf das „Modell beruflicher Gratifikationskrisen“des Schweizer Soziologen Johannes Siegrist (siehe Grafik). Dabei halten sich aus der Sicht des Mitarbeiters im Idealfall Aufwand und Belohnung die Waage. Er leistet viel, er bekommt viel. Drücken aber Anforderungen und Verpflichtungen (Aufwand) zu stark nach unten und wird das von Entgelt, Arbeitsplatzsicherheit, Entwicklungschancen und eben Anerkennung (Belohnung) nicht aufgewogen, rutscht er in die sogenannte Gratifikationskrise. Diese empfindet er umso stärker, je mehr er zu Überengagement und Verausgabung neigt. Sind Geben und Nehmen über längere Zeit im Missverhältnis, resultiert das in chronischem Stress mit sämtlichen bekannten Folgeerkrankungen.
Gleichzeitig ortet Baier aufseiten der Führungskräfte jedoch ein „Zunehmen von Machogehabe und traditionalistischen Tendenzen“. Man lässt nichts mehr an sich heran. Baier: „Ich kenne einen Manager, der engagiert wurde, um einen gröberen Mitarbeiterabbau durchzuziehen. Man hat ihm sogar empfohlen, sich emotional nicht zu stark zu involvieren.“Soll heißen: Kündige ohne Mitgefühl.
Teure Gratifikationskrise
Kulturen wie dieser sei gesagt, dass Gratifikationskrisen eine schöne Stange Geld kosten. In Form von Minderleistung, entgangenem Umsatz, Krankheits- und Fluktuationskosten. Starkes Indiz für Probleme im Haus ist auch die vergebliche Suche nach neuen Mitarbeitern. Fehlverhalten spricht sich schnell herum. Baier rät, die Täter
Opfer-Rolle umzudrehen und das Management zu konfrontieren. Ein Instrument aus der betrieblichen Gesundheitsförderung sind umgekehrte Mitarbeitergespräche. Dabei interviewt die Führungskraft ihre Mitarbeiter einzeln anhand eines strukturierten Fragebogens. Sie darf nur zuhören und aufschreiben. „Wenn acht von zehn Mitarbeitern dasselbe Thema ansprechen, muss sich die Führungskraft etwas überlegen.“
Es muss ja nicht so weit gehen, einen Employee Chief Listening Officer (CLO) zu etablieren. Normalerweise sind CLO für die Social-Media-Aktivitäten verantwortlich. Hier sind sie Seismografen für die Stimmung im Haus. Nicht als passive Klagemauer, sondern als aktiver Teil des Vorstands. Da Veränderungen nur von oben angestoßen werden können.