Skepsis gegenüber Islam wächst
62 Prozent der Österreicher bewerten das Zusammenleben zwischen Muslimen und Nichtmuslimen als schlecht. Die meisten Sorgen bereitet ihnen die Verbreitung eines radikalen Islam. Integration.
Das Zusammenleben von Österreichern und Zuwanderern wird mit so viel Argwohn betrachtet wie seit dem Sommer 2015 nicht mehr. 53 Prozent der Bevölkerung bezeichnen das Klima als schlecht. Im Dezember 2018 waren es noch 49 Prozent, im August des Jahres zuvor 51 Prozent.
Noch kritischer bewerten die Österreicher die Stimmung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen – hier sind 62 Prozent der Meinung, dass das Zusammenleben schlecht funktioniere. Als so negativ wie noch nie wird auch das Verhältnis der Österreicher zu Flüchtlingen betrachtet. Auf die Frage nach der Entwicklung des persönlichen Sicherheitsgefühls an öffentlichen Plätzen antworteten 53 Prozent, dass es sich eher oder sehr verschlechtert habe.
Diese Zahlen gehen aus dem aktuellen Integrationsbarometer hervor, das von Meinungsforscher Peter Hajek im Auftragg des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF ) erstellt wurde und der „Presse“vorliegt. Ziel der seit 2015 durchgeführten Befragung ist es, regelmäßig Einstellungen zum Thema Integration bzw. Migration zu erheben und damit Grundlagen für die Integrationsarbeit zu liefern. Telefonisch und online befragt wurden zwischen 15. Juli und 8. August 1000 österreichische Staatsbürger ab 16 Jahren.
Afghanen und Tschetschenen an Spitze
Besonders skeptisch zeigen sich die Österreicher gegenüber einzelnen Bevölkerungsgruppen – so betrachten 74 Prozent die Integration von Afghanen, 70 Prozent jene von Tschetschenen und 57 Prozent die von Somaliern als weniger oder gar nicht gelungen. Ungarn und Kroaten hingegen gelten als gut integriert. Bosnier, Serben, Rumänen und Türken finden sich im Mittelfeld wieder.
Die meisten Sorgen bereiten den Menschen die Verbreitung eines radikalen Islam (60 Prozent) sowie die Integration von Flüchtlingen in Schulen und in der Arbeitswelt (58 Prozent). Abgesehen von Integration sind es der Klimawandel bzw. Umweltthemen, die Sicherung ausreichender Pensionen und Engpässe in Gesundheitsversorgung sowie Pflege, die dem Großteil der Bevölkerung Ängste bereiten.
Das Kopftuch wird in nahezu jedem öffentlichen Kontext strikt abgelehnt. Die Kontrolle des islamischen Religionsunterrichts bzw. von Religionslehrern durch den Staat ist einer klaren Mehrheit (acht von zehn Personen) ein großes Anliegen – so fordern beispielsweise 90 Prozent verpflichtende Deutschkurse für Imame in Österreich.
Eine ebenso große Mehrheit spricht sich für verpflichtende Deutschkurse auch bei weiblichen Flüchtlingen mit Kinderbetreuungspflichten sowie bei Kindern mit starkem Förderbedarf in den Sommerferien aus. Zudem sollte 71 Prozent der Befragten zufolge im öffentlichen Leben nicht stärker Rücksicht auf einzelne Religionsgemeinschaften genommen werden – wenn doch, dann am ehesten noch auf religiöse Feiertage.
Bei der Arbeitserlaubnis für Migranten in Mangelberufen – wie etwa Jobs im Tourismus, aber auch Maurer, Maler, Lackierer, Elektroinstallateure, Fleischer und Bäcker – zeigt sich die Mehrheit der Österreicher (57 Prozent) eher liberal.
Mehr Maßnahmen gefordert
Neun von zehn Befragten fordern nach wie vor Integrationsmaßnahmen, insbesondere zum Erlernen der deutschen Sprache – auch unter Androhung von Sanktionen. Zudem soll das Angebot an Deutsch- und Wertekursen ausgebaut werden. Was auch bereits passiert: Ein aktueller Schwerpunkt des ÖIF liegt beispielsweise auf der Integration von Mädchen und Frauen: In speziellen Beratungen erhalten die Teilnehmerinnen konkrete Informationen für den Einstieg in den Beruf, aber auch zu Fördermöglichkeiten und Anlaufstellen bei Gewalt gegen Frauen. Themen wie Gleichberechtigung und Selbstbestimmung im privaten sowie beruflichen Kontext werden ebenfalls behandelt.
Ein erleichterter Zugang zu Gemeindewohnungen oder das Wahlrecht in Österreich werden als mögliche integrative Maßnahmen abgelehnt – im Gegenteil, der Besuch von Integrationskursen sowie Deutschkenntnisse sollten laut 84 Prozent der Befragten eine Voraussetzung für den Erhalt von Gemeindewohnungen sein. Sieben von zehn Österreichern sprechen sich dafür aus, dass es für Einbürgerungen eine Obergrenze geben sollte.
Lehre aus den Jahren 2015 und 2016
Die anhaltend skeptische Grundhaltung der Österreicher gegenüber Zuwanderung führt Studienleiter Peter Hajek hauptsächlich darauf zurück, dass jemand, der sich in Zusammenhang mit Migration einmal ein (politisches) Bild gemacht hat, schwer vom Gegenteil zu überzeugen sei – vielleicht auch als Lehre aus den Fluchtbewegungen 2015 und 2016, als die anfänglich positive Stimmung beim Großteil der Bevölkerung nach und nach schlechter wurde.
Viele würden also nach ihren Erfahrungen von damals erst einmal abwarten, bevor sie sich eine endgültige Meinung bilden bzw. eine bestehende ändern. Daher sei davon auszugehen,g dass das Zusammenleben zwischen Österreichern und Zuwanderern auch in den kommenden Jahren eher negativ bewertet wird.