Was Medien dürfen
Gastkommentar. Die Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain, einer dezentral geführten Reihe von Datensätzen, sind vielfältig. Mit erhöhter Rechtssicherheit könnte der Einsatz von Finanzierungen bis zum E-Government gefördert werden.
In manchen Fällen dürfen Journalisten illegal gemachte Aufnahmen publizieren. Welche Regeln gelten?
Die Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain-Technologie sind mindestens so vielfältig wie die Chancen und Risken, die diese birgt. Das wohl bekannteste Produkt sind Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether. Die Technologie ist jedoch weit darüber hinaus einsetzbar. Es werden bereits einige staatliche Anwendungen auf der Blockchain dargestellt, so zum Beispiel ganze Grundbücher auf die Blockchain transferiert, wie in Georgien und Schweden.
Daneben haben sich durch den Einsatz sogenannter Token, die bestimmte Werte repräsentieren, vielfältige Anwendungsmöglichkeiten ergeben. Token werden vielfach wie Anteilscheine oder Wertpapiere bei bestimmten Projekten eingesetzt. Neben partiarischen Nachrangdarlehen (ohne Beteiligung an Verlusten des Unternehmens), welche durch diverse Crowdfunding-Plattformen bekannt geworden sind, bieten Token unter anderem Unternehmen Alternativen zu herkömmlichen Finanzierungsmechanismen.
Der Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten steht die Frage nach dem Bedarf einer staatlichen Regulierung gegenüber. Die Blockchain-Technologie bewegt sich in Österreich in keinem rechtsfreien Raum. Vielmehr sind die neuen, aus der Technologie entspringenden Produkte nichts anderes als bereits bekannte Rechtsvehikel. Die Gesetze sind daher auch auf die Blockchain-Technologie anwendbar, auch wenn dabei einige Fragen offenbleiben. So können, je nach Ausgestaltung, Token zum Beispiel als Wertpapiere zu qualifizieren sein, die dem Wertpapieraufsichtsgesetz oder dem Kapitalmarktgesetz unterliegen.
Liechtenstein hat frühzeitig eine gesetzliche Regelung für die Blockchain geschaffen und das Token- und VT-Dienstleister-Gesetz (TVTG) verabschiedet. Es tritt mit Jänner 2020 in Kraft. Liechtenstein hat sich den Standortvorteil als beliebter Sitz für Fonds zuletzt durch klare und einfache Regulierung erarbeitet. Nun etabliert es sich mit einer klaren Regulierung auch als Standort für diverse Token-Emittenten.
In einigen anderen europäischen Ländern gibt es Initiativen, die Blockchainprodukte durch die nationalen Finanzmarktaufsichten zu regulieren – eine einheitliche EU-Vorgabe fehlt gänzlich. So hat Malta, auch als „Blockchain Island“bekannt, ebenfalls – und fast zeitgleich mit Liechtenstein – eine detaillierte Rechtsgrundlage geschaffen. Auch Luxemburg hat mit Jahresanfang (mit dem Gesetz 7363) einen Rechtsrahmen geschaffen, um den Einsatz der Blockchain-Technologie im Finanzsektor zu erleichtern. Gibraltar hat bereits 2017 die Gibraltar Stock Exchange gegründet und diese 2018 in ein regulatorisches Rahmengesetz eingebettet, nach dem die Handelsplattform als voll lizenzierter Anbieter von Distributed Ledger Technology fungiert.
Auf EU-Ebene rufen die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, die Europäische Zentralbank sowie die Europäische Bankenaufsichtsbehörde dazu auf, eine einheitliche europäische Regulierung für die Blockchain-Anwendungen zu schaffen, um vor allem Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorzubeugen und Anleger zu schützen.
Wo steht Österreich im Blockchain-Hype? Hier gibt es noch keine vergleichbare Regelung. Vereinzelt wurde auf den Kryptowährungsboom reagiert, mit Bestimmungen zur Kundenidentifikation, die Geldwäsche hintanhalten sollen. Dies erfolgte aber wohl zwangsweise in Umsetzung europäischer Richtlinien. Insbesondere durch die Änderung der 5. Geldwäscherichtlinie werden Dienstleister von virtuellen Währungen angehalten, sich bei der FMA zu registrieren. Die FMA kann eine Registrierung mangels persönlicher Zuverlässigkeit verweigern und dadurch das Anbieten der Dienstleistung verhindern.
Neben einer vielversprechenden Forschungsinitiative des Austrian Blockchain Center erstellte Österreich die „Digital Roadmap Austria“. Darin wird prognostiziert, dass die Blockchain-Technologie den Massenmarkt erst im Jahr 2025 erreicht. Im Regierungsprogramm 2017 bis 2022 fand sich der Ansatz zur Schaffung einer umfassenden Rechtssicherheit für die Chancen der Digitalisierung und den Einsatz neuer Systeme (u. a. Blockchain-Technologien). Kurz danach hat der Fintech-Beirat seine Arbeit aufgenommen.
Auch wenn unter der aktuellen Übergangsregierung einige Arbeitsgruppen das Thema weiterverfolgen, bleibt offen, ob das tatsächlich mit angemessenem Interesse geschieht. Anwendungsfälle für die Blockchain-Technologie gibt es dabei nicht nur in der Wirtschaft. Insbesondere im öffentlichen Bereich könnte die Blockchain-Technologie sinnvoll eingesetzt werden. Neben Anwendungen für das Grund- oder Firmenbuch, das zentrale Melderegister oder die Bürgerkarte in Verbindung mit der elektronischen Signatur wären viele andere Einsatzmöglichkeiten denkbar. So könnte auch der Staat auf dem Weg zum E-Government von einer Regulierung der Blockchain-Technologie profitieren.
Aus Sicht der Autoren wäre es wünschenswert, dass die künftige Bundesregierung unabhängig von der Koalitionskonstellation die Chancen ergreift und eine Rechtsgrundlage für blockchainbasierte Anwendungen schafft. Ob dies durch eine Verordnung auf Basis der Gewerbeordnung, die Anpassung bestehender Gesetze (Kapitalmarkt-, Alternativfinanzierungs-, Wertpapieraufsichtsgesetz etc.) oder die Verabschiedung eines selbstständigen Gesetzes nach Liechtensteins Vorbild erfolgt, ist nicht so relevant wie eine schnelle und umfassende Regelung. Höhere Rechts-, Planungsund Investitionssicherheit könnten die Attraktivität des Standorts steigern und die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes und auch den Anlegerschutz stärken. Dabei ist auf das richtige Maß zu achten, damit die Blockchain-Technologie nicht durch eine Überregulierung ihren wirtschaftlichen Nutzen verliert.