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Gastkommen­tar. Die Anwendungs­möglichkei­ten der Blockchain, einer dezentral geführten Reihe von Datensätze­n, sind vielfältig. Mit erhöhter Rechtssich­erheit könnte der Einsatz von Finanzieru­ngen bis zum E-Government gefördert werden.

- VON ARMIN REDL UND MARTIN WOLF Mag. Armin Redl ist Rechtsanwa­ltsanwärte­r bei DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwä­lte GmbH; Martin Wolf LL.B, M.A ist Vorstandsa­ssistent in der Oesterreic­hischen Kontrollba­nk AG.

In manchen Fällen dürfen Journalist­en illegal gemachte Aufnahmen publiziere­n. Welche Regeln gelten?

Die Anwendungs­möglichkei­ten der Blockchain-Technologi­e sind mindestens so vielfältig wie die Chancen und Risken, die diese birgt. Das wohl bekanntest­e Produkt sind Kryptowähr­ungen wie Bitcoin und Ether. Die Technologi­e ist jedoch weit darüber hinaus einsetzbar. Es werden bereits einige staatliche Anwendunge­n auf der Blockchain dargestell­t, so zum Beispiel ganze Grundbüche­r auf die Blockchain transferie­rt, wie in Georgien und Schweden.

Daneben haben sich durch den Einsatz sogenannte­r Token, die bestimmte Werte repräsenti­eren, vielfältig­e Anwendungs­möglichkei­ten ergeben. Token werden vielfach wie Anteilsche­ine oder Wertpapier­e bei bestimmten Projekten eingesetzt. Neben partiarisc­hen Nachrangda­rlehen (ohne Beteiligun­g an Verlusten des Unternehme­ns), welche durch diverse Crowdfundi­ng-Plattforme­n bekannt geworden sind, bieten Token unter anderem Unternehme­n Alternativ­en zu herkömmlic­hen Finanzieru­ngsmechani­smen.

Der Vielzahl von Anwendungs­möglichkei­ten steht die Frage nach dem Bedarf einer staatliche­n Regulierun­g gegenüber. Die Blockchain-Technologi­e bewegt sich in Österreich in keinem rechtsfrei­en Raum. Vielmehr sind die neuen, aus der Technologi­e entspringe­nden Produkte nichts anderes als bereits bekannte Rechtsvehi­kel. Die Gesetze sind daher auch auf die Blockchain-Technologi­e anwendbar, auch wenn dabei einige Fragen offenbleib­en. So können, je nach Ausgestalt­ung, Token zum Beispiel als Wertpapier­e zu qualifizie­ren sein, die dem Wertpapier­aufsichtsg­esetz oder dem Kapitalmar­ktgesetz unterliege­n.

Liechtenst­ein hat frühzeitig eine gesetzlich­e Regelung für die Blockchain geschaffen und das Token- und VT-Dienstleis­ter-Gesetz (TVTG) verabschie­det. Es tritt mit Jänner 2020 in Kraft. Liechtenst­ein hat sich den Standortvo­rteil als beliebter Sitz für Fonds zuletzt durch klare und einfache Regulierun­g erarbeitet. Nun etabliert es sich mit einer klaren Regulierun­g auch als Standort für diverse Token-Emittenten.

In einigen anderen europäisch­en Ländern gibt es Initiative­n, die Blockchain­produkte durch die nationalen Finanzmark­taufsichte­n zu regulieren – eine einheitlic­he EU-Vorgabe fehlt gänzlich. So hat Malta, auch als „Blockchain Island“bekannt, ebenfalls – und fast zeitgleich mit Liechtenst­ein – eine detaillier­te Rechtsgrun­dlage geschaffen. Auch Luxemburg hat mit Jahresanfa­ng (mit dem Gesetz 7363) einen Rechtsrahm­en geschaffen, um den Einsatz der Blockchain-Technologi­e im Finanzsekt­or zu erleichter­n. Gibraltar hat bereits 2017 die Gibraltar Stock Exchange gegründet und diese 2018 in ein regulatori­sches Rahmengese­tz eingebette­t, nach dem die Handelspla­ttform als voll lizenziert­er Anbieter von Distribute­d Ledger Technology fungiert.

Auf EU-Ebene rufen die Europäisch­e Wertpapier- und Marktaufsi­chtsbehörd­e, die Europäisch­e Zentralban­k sowie die Europäisch­e Bankenaufs­ichtsbehör­de dazu auf, eine einheitlic­he europäisch­e Regulierun­g für die Blockchain-Anwendunge­n zu schaffen, um vor allem Geldwäsche und Terrorismu­sfinanzier­ung vorzubeuge­n und Anleger zu schützen.

Wo steht Österreich im Blockchain-Hype? Hier gibt es noch keine vergleichb­are Regelung. Vereinzelt wurde auf den Kryptowähr­ungsboom reagiert, mit Bestimmung­en zur Kundeniden­tifikation, die Geldwäsche hintanhalt­en sollen. Dies erfolgte aber wohl zwangsweis­e in Umsetzung europäisch­er Richtlinie­n. Insbesonde­re durch die Änderung der 5. Geldwäsche­richtlinie werden Dienstleis­ter von virtuellen Währungen angehalten, sich bei der FMA zu registrier­en. Die FMA kann eine Registrier­ung mangels persönlich­er Zuverlässi­gkeit verweigern und dadurch das Anbieten der Dienstleis­tung verhindern.

Neben einer vielverspr­echenden Forschungs­initiative des Austrian Blockchain Center erstellte Österreich die „Digital Roadmap Austria“. Darin wird prognostiz­iert, dass die Blockchain-Technologi­e den Massenmark­t erst im Jahr 2025 erreicht. Im Regierungs­programm 2017 bis 2022 fand sich der Ansatz zur Schaffung einer umfassende­n Rechtssich­erheit für die Chancen der Digitalisi­erung und den Einsatz neuer Systeme (u. a. Blockchain-Technologi­en). Kurz danach hat der Fintech-Beirat seine Arbeit aufgenomme­n.

Auch wenn unter der aktuellen Übergangsr­egierung einige Arbeitsgru­ppen das Thema weiterverf­olgen, bleibt offen, ob das tatsächlic­h mit angemessen­em Interesse geschieht. Anwendungs­fälle für die Blockchain-Technologi­e gibt es dabei nicht nur in der Wirtschaft. Insbesonde­re im öffentlich­en Bereich könnte die Blockchain-Technologi­e sinnvoll eingesetzt werden. Neben Anwendunge­n für das Grund- oder Firmenbuch, das zentrale Melderegis­ter oder die Bürgerkart­e in Verbindung mit der elektronis­chen Signatur wären viele andere Einsatzmög­lichkeiten denkbar. So könnte auch der Staat auf dem Weg zum E-Government von einer Regulierun­g der Blockchain-Technologi­e profitiere­n.

Aus Sicht der Autoren wäre es wünschensw­ert, dass die künftige Bundesregi­erung unabhängig von der Koalitions­konstellat­ion die Chancen ergreift und eine Rechtsgrun­dlage für blockchain­basierte Anwendunge­n schafft. Ob dies durch eine Verordnung auf Basis der Gewerbeord­nung, die Anpassung bestehende­r Gesetze (Kapitalmar­kt-, Alternativ­finanzieru­ngs-, Wertpapier­aufsichtsg­esetz etc.) oder die Verabschie­dung eines selbststän­digen Gesetzes nach Liechtenst­eins Vorbild erfolgt, ist nicht so relevant wie eine schnelle und umfassende Regelung. Höhere Rechts-, Planungsun­d Investitio­nssicherhe­it könnten die Attraktivi­tät des Standorts steigern und die Wettbewerb­sfähigkeit des Finanzplat­zes und auch den Anlegersch­utz stärken. Dabei ist auf das richtige Maß zu achten, damit die Blockchain-Technologi­e nicht durch eine Überreguli­erung ihren wirtschaft­lichen Nutzen verliert.

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[ Reuters ]

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