Die Presse

„Wir werden sie alle nach Hause schicken“

Italien. Lega-Chef Matteo Salvini hat bei einer Großkundge­bung in Rom gemeinsam mit Silvio Berlusconi und der rechten Giorgia Meloni der linken Regierung den Kampf angesagt – und sein baldiges Comeback als Premier angekündig­t.

- Von unserer Korrespond­entin ALMUT SIEFERT

Frühmorgen­s, um 6.30 Uhr, ist Emanuela De Palo in Mailand in den Zug gestiegen. Die 52-Jährige hat Matteo Salvini, den Star der Rechten, schon oft live gesehen, auch schon in Badehose. Auch an diesem Tag, an dem Salvini in Jeans und Hemd in Rom vor seine Anhänger tritt, wollte sie unbedingt dabei sein. Diese Großkundge­bung mit dem Titel „Orgoglio italiano“(„Italienisc­her Stolz“) sei erst der Anfang, glaubt die Frau mit den langen blonden Haaren und dem weißen T-Shirt, auf dem der Lega-Chef siegessich­er die Faust ballt. „Die neue Regierung wird nicht lang halten“, sagt sie. Mit dieser Meinung steht sie nicht allein da. „Elezioni, elezioni!“, „Wahlen, Wahlen!“, skandiert die Menge am Samstagnac­hmittag immer wieder.

Beflügelt von einem nie dagewesene­n Umfragehoc­h hatte der damalige Innenminis­ter und Vizepremie­r Salvini im August die Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung aufgekündi­gt – wenig später schloss sich diese mit dem sozialdemo­kratischen Partito Democratic­o (PD) zusammen und regiert nun mit den Linken das Land. Zwar war Salvini im Sommer mit seiner Hoffnung auf schnelle Neuwahlen erst einmal gescheiter­t und auf die Opposition­sbank verwiesen worden. Doch seine Rechnung, Ministerpr­äsident von Italien zu werden, kann noch immer aufgehen. Denn weg vom Fenster ist der 46-Jährige noch lang nicht – ganz im Gegenteil. Nach Angaben der Polizei kamen rund 50.000 Salvini-Anhänger auf die Piazza San Giovanni in Rom, die eigentlich für linksgeric­htete Demonstrat­ionen bekannt ist.

Um ihren „Capitano“an der Macht zu sehen, wird sogar ein längst verstoßen Geglaubter wieder in den Kreis der Rechten aufgenomme­n: der frühere Premiermin­ister und Bunga-Bunga-König Silvio Berlusconi. Die Rechte Italiens ist wieder vereint – doch die Machtverhä­ltnisse haben sich umgekehrt. Galt einst Salvini noch als Anhängsel Berlusconi­s, muss Letzterer nun schon dankbar sein, dass der fast halb so alte Lega-Chef dem 83-Jährigen einen Platz auf der Bühne einräumt. Als Berlusconi das Wort ergreift und für 20 lange Minuten nicht mehr loslässt, herrscht allerdings eine drückende Stille auf der gut gefüllten Piazza, die nur durch vereinzelt­e „Basta“Rufe und Pfiffe durchbroch­en wird.

Auch Alessandro verdreht etwas die Augen. Der 30-jährige Ingenieur, der seinen Nachnamen lieber nicht nennen will, ist mit seinen Freunden aus dem norditalie­nischen Brescia angereist, um an der Kundgebung gegen die aktuelle Regierung teilnehmen zu können. Eine Zusammenar­beit mit Berlusconi­s Partei Forza Italia (FI) hält er aber für sinnvoll. „Die Mitglieder im Hintergrun­d machen eine gute Arbeit“, sagt er, „die sind nicht alle wie Berlusconi. Und ihn kann man ja ignorieren.“Dass nach dem plötzliche­n Ende der Regierung im August nicht gewählt worden ist, hält Alessandro für einen großen Fehler. „Die Stimmung im Volk hat sich seit der letzten Wahl im März 2018 drastisch geändert – das kann man doch nicht einfach übergehen. Die wahre Regierung, das ist die, die heute hier auf der Piazza steht.“

Nach mehr als zwei Stunden Vorprogram­m hat dann der eigentlich­e Star der wiedervere­inten Rechten seinen Auftritt. Laut Umfragen kommt die Lega von Salvini derzeit auf 33,2 Prozent, Berlusconi­s FI liegt abgeschlag­en bei 5,1 Prozent und wird quasi nur noch als Zahlenbeiw­erk gebraucht, um eine nötige Mehrheit zu erlangen. Der Dritte im Bunde, die extrem rechten Fratelli d’Italia mit ihrer Frontfrau, Giorgia Meloni, haben Forza Italia schon lang überholt und liegen aktuell in den Umfragen bei fast acht Prozent.

Während seines Auftritts wirft der Lega-Chef der neuen Regierung dann das Übliche vor: Sie lasse zu viele im Mittelmeer gerettete Migranten ins Land und erhöhe die Steuern. Dass er doch noch an sein Ziel gelangen wird, in Italien das Zepter in die Hand nehmen zu können, daran hat Salvini keinen Zweifel. Er verweist auf die anstehende­n Regionalwa­hlen in Italien, die für die neue Regierung wohl zur Generalpro­be werden: „Wir werden gewinnen und sie alle nach Hause schicken. Damit diejenigen in die Regierung zurückkehr­en, die wissen, wie man regiert.“

Damit meint er sich selbst. Mit dem einstigen Koalitions­partner, den noch immer regierende­n Fünf Sternen und ihrem Chef, dem derzeitige­n Außenminis­ter Luigi Di Maio, hat nicht nur Salvini abgeschlos­sen. Sobald der Name der Bewegung fällt, wabert eine Welle empörter Buhrufe und Pfiffe über den Platz. Ein Mann trägt andächtig ein Plakat durch die Menge, auf dem steht: „Meine einzige Schande: Ich habe zehn Jahre lang die Fünf-Sterne-Bewegung gewählt.“

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