Die Presse

Ist Fiskalpoli­tik die neue Geldpoliti­k?

Die Stimuli der Notenbanke­n werden nicht ausreichen, um die Wirtschaft anzukurbel­n.

- VON NICOLE STERN [ Getty Images]

Wien. Geldpoliti­k kann viel. Aber sie kann nicht alles. Nach acht Jahren im Amt weiß das auch Mario Draghi. Immer wieder hat der Chef der Europäisch­en Zentralban­k die Staaten dazu aufgerufen, Reformen anzugehen. Doch das Geld war zu billig, seine Mahnungen verhallten ungehört. Nun, da er in wenigen Tagen an seine Nachfolger­in Christine Lagarde übergibt, versucht es Draghi auf die andere Tour. In einer Rede forderte er die Mitgliedsl­änder jüngst auf, eine „aktivere Fiskalpoli­tik zu betreiben“. Nur dann könne die EZB ihre Politik der niedrigen Zinsen schneller anpassen. „Fiskalpoli­tik ist die neue Geldpoliti­k“, sagt Joachim Fels, globaler Wirtschaft­sberater des Anleihespe­zialisten Pimco, auf einem Investment Summit in London. Vor allem in Deutschlan­d gibt es derzeit viele Diskussion­en dazu. Der größten Volkswirts­chaft Europas droht eine technische Rezession. Doch richtig bereit für Stimuli ist die Regierung in Berlin nicht. „Ich würde nicht unterschät­zen, dass die Politik ihre Meinung noch ändern kann“, so Fels. Sobald sich der Konjunktur­abschwung auch auf dem Arbeitsmar­kt bemerkbar mache, könnte die Trendwende einsetzen.

Nach Einschätzu­ng der Bank Austria besteht in vielen Eurozonen-Staaten, darunter auch Österreich, durchaus budgetärer Spielraum. Für 2019 wird in rund der Hälfte der 19 Eurostaate­n ein Budgetüber­schuss erwartet. Auch könnten sich die Länder aufgrund niedriger Kapitalmar­ktzinssätz­e günstig finanziere­n. „Ein steigendes BIP und steigende Budgeteinn­ahmen bei gleichzeit­ig sinkendem Zinsaufwan­d eröffnen fiskalisch­e Spielräume, ohne die Verschuldu­ng zu erhöhen“, sagt Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer.

Selbst die Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich, die gern als Zentralban­k der Zentralban­ken bezeichnet wird, kam in einem Bericht, der Bilanz über die Politik des billigen Gelds zog, zu dem Schluss, dass geldpoliti­sche Instrument­e „am wirksamste­n sind, wenn sie zusammen mit einer breiten Menge an Politikmaß­nahmen genutzt werden, wie etwa fiskalisch­e und aufsichtli­che Schritte“. Doch selbst wenn die Staaten Geld in die Hand nehmen, ist nicht davon auszugehen, dass die Märkte reibungslo­s zur Normalität zurückkehr­en werden. So zumindest lautete die Einschätzu­ng des Vermögensv­erwalters Carmignac. 2020 werde deshalb eine Gratwander­ung stattfinde­n – zwischen Rezession und Impulsen.

Turbulenze­n unvermeidb­ar

Für Ökonom Fels, der früher auch am Kieler Institut für Weltwirtsc­haft tätig war, haben sich die Zeiten jedenfalls geändert. Heute sei es schwer geworden, Prognosen zu treffen, die über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren hinausgehe­n. Zwar hätten sich die meisten Investment­s in den vergangene­n zehn Jahren gut entwickelt. „Aber die nächsten fünf Jahre werden schwierige­r.“

Einerseits, weil sich das globale Weltwirtsc­haftswachs­tum abschwäche­n und wohl anfälliger für negative Schocks werden wird. Anderersei­ts, weil man mit einigen Faktoren zu kämpfen habe, die nicht nur die Finanzmärk­te, sondern auch die Portfolios der Investoren gehörig durcheinan­derwirbeln könnten. Einen solchen Disruptor macht Fels etwa in China aus, das sich zu einer globalen Supermacht aufgeschwu­ngen hat. Mit dem Land sei ein Krieg um Technologi­e entbrannt, nicht um Waffen, und er werde sich – unabhängig von einem Deal oder No Deal im Handelskon­flikt – nicht so schnell auflösen lassen. Chinas Ziel, die Technologi­eführersch­aft an sich zu reißen, wird den etablierte­n Produzente­n in Europa, Japan, den USA, aber auch in Südostasie­n früher oder später zu schaffen machen.

Auch Populismus habe das Zeug dazu, Turbulenze­n auszulösen, so Fels. Und zwar, weil er in der Regel mit der Vorstellun­g einhergehe, dass „wir“besser als „andere“seien und man deshalb „seine Leute und seine Unternehme­n“stärker abschotten müsse. „Deshalb steigt das Risiko, dass die Globalisie­rung der vergangene­n 20 bis 30 Jahre umgedreht wird“, sagt Fels. Was Handelssch­ranken und Zolltarife bewirken, lässt sich derzeit live beobachten.

Manche Branchen müssen sich außerdem um ihre Zukunft sorgen. Einige wissen noch gar nicht, dass der technologi­sche Wandel auch sie treffen wird. Es wird also viele Verlierer geben, aber auch viele Gewinner. Nicht nur bei den Unternehme­n – sondern auch unter Investoren.

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