Ist Fiskalpolitik die neue Geldpolitik?
Die Stimuli der Notenbanken werden nicht ausreichen, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Wien. Geldpolitik kann viel. Aber sie kann nicht alles. Nach acht Jahren im Amt weiß das auch Mario Draghi. Immer wieder hat der Chef der Europäischen Zentralbank die Staaten dazu aufgerufen, Reformen anzugehen. Doch das Geld war zu billig, seine Mahnungen verhallten ungehört. Nun, da er in wenigen Tagen an seine Nachfolgerin Christine Lagarde übergibt, versucht es Draghi auf die andere Tour. In einer Rede forderte er die Mitgliedsländer jüngst auf, eine „aktivere Fiskalpolitik zu betreiben“. Nur dann könne die EZB ihre Politik der niedrigen Zinsen schneller anpassen. „Fiskalpolitik ist die neue Geldpolitik“, sagt Joachim Fels, globaler Wirtschaftsberater des Anleihespezialisten Pimco, auf einem Investment Summit in London. Vor allem in Deutschland gibt es derzeit viele Diskussionen dazu. Der größten Volkswirtschaft Europas droht eine technische Rezession. Doch richtig bereit für Stimuli ist die Regierung in Berlin nicht. „Ich würde nicht unterschätzen, dass die Politik ihre Meinung noch ändern kann“, so Fels. Sobald sich der Konjunkturabschwung auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar mache, könnte die Trendwende einsetzen.
Nach Einschätzung der Bank Austria besteht in vielen Eurozonen-Staaten, darunter auch Österreich, durchaus budgetärer Spielraum. Für 2019 wird in rund der Hälfte der 19 Eurostaaten ein Budgetüberschuss erwartet. Auch könnten sich die Länder aufgrund niedriger Kapitalmarktzinssätze günstig finanzieren. „Ein steigendes BIP und steigende Budgeteinnahmen bei gleichzeitig sinkendem Zinsaufwand eröffnen fiskalische Spielräume, ohne die Verschuldung zu erhöhen“, sagt Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer.
Selbst die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die gern als Zentralbank der Zentralbanken bezeichnet wird, kam in einem Bericht, der Bilanz über die Politik des billigen Gelds zog, zu dem Schluss, dass geldpolitische Instrumente „am wirksamsten sind, wenn sie zusammen mit einer breiten Menge an Politikmaßnahmen genutzt werden, wie etwa fiskalische und aufsichtliche Schritte“. Doch selbst wenn die Staaten Geld in die Hand nehmen, ist nicht davon auszugehen, dass die Märkte reibungslos zur Normalität zurückkehren werden. So zumindest lautete die Einschätzung des Vermögensverwalters Carmignac. 2020 werde deshalb eine Gratwanderung stattfinden – zwischen Rezession und Impulsen.
Turbulenzen unvermeidbar
Für Ökonom Fels, der früher auch am Kieler Institut für Weltwirtschaft tätig war, haben sich die Zeiten jedenfalls geändert. Heute sei es schwer geworden, Prognosen zu treffen, die über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren hinausgehen. Zwar hätten sich die meisten Investments in den vergangenen zehn Jahren gut entwickelt. „Aber die nächsten fünf Jahre werden schwieriger.“
Einerseits, weil sich das globale Weltwirtschaftswachstum abschwächen und wohl anfälliger für negative Schocks werden wird. Andererseits, weil man mit einigen Faktoren zu kämpfen habe, die nicht nur die Finanzmärkte, sondern auch die Portfolios der Investoren gehörig durcheinanderwirbeln könnten. Einen solchen Disruptor macht Fels etwa in China aus, das sich zu einer globalen Supermacht aufgeschwungen hat. Mit dem Land sei ein Krieg um Technologie entbrannt, nicht um Waffen, und er werde sich – unabhängig von einem Deal oder No Deal im Handelskonflikt – nicht so schnell auflösen lassen. Chinas Ziel, die Technologieführerschaft an sich zu reißen, wird den etablierten Produzenten in Europa, Japan, den USA, aber auch in Südostasien früher oder später zu schaffen machen.
Auch Populismus habe das Zeug dazu, Turbulenzen auszulösen, so Fels. Und zwar, weil er in der Regel mit der Vorstellung einhergehe, dass „wir“besser als „andere“seien und man deshalb „seine Leute und seine Unternehmen“stärker abschotten müsse. „Deshalb steigt das Risiko, dass die Globalisierung der vergangenen 20 bis 30 Jahre umgedreht wird“, sagt Fels. Was Handelsschranken und Zolltarife bewirken, lässt sich derzeit live beobachten.
Manche Branchen müssen sich außerdem um ihre Zukunft sorgen. Einige wissen noch gar nicht, dass der technologische Wandel auch sie treffen wird. Es wird also viele Verlierer geben, aber auch viele Gewinner. Nicht nur bei den Unternehmen – sondern auch unter Investoren.