Die Presse

Ein Portfolio für Optimisten

Börsenausb­lick. Seit Monaten warnen Börsianer vor vielen Risiken – doch was, wenn sich diese in Luft auflösen? Was hoffnungsf­rohe Anleger jetzt kaufen können und warum selbst große Optimisten vorsichtig sein sollten.

- Mehr Tipps für Ihre persönlich­en Finanzen: VON STEFAN RIECHER

Das Drama um den Brexit; der niemals endende Handelskri­eg zwischen den USA und China; die sogenannte inverse Zinskurve als Vorbotin einer Rezession; ein Konjunktur­einbruch in Deutschlan­d; Warnungen vor Gewinneinb­rüchen an der Wall Street; eine etwaige Amtsentheb­ung des US-Präsidente­n und so weiter und so fort. Risiken für Investoren gibt es zur Genüge und seit Monaten werden Ökonomen und Analysten nicht müde, diese stets zu betonen.

Und was machen die Märkte? Scheren sich nur wenig darum. Der S&P-500-Index kratzte gegen Ende der vergangene­n Woche wieder einmal an seinem Allzeithoc­h. Der DAX in Frankfurt legte seit Jahresbegi­nn um ein Fünftel zu. Und das Pfund in London, angesichts der Unsicherhe­it rund um den EU-Austritt Großbritan­niens eine für Börsianer heiße Kartoffel, gewann zwischenze­itlich deutlich an Wert, nachdem sich ein Deal zwischen London und Brüssel angebahnt hatte.

Was also, wenn eh alles gut wird? Wenn sich Donald Trump und Xi Jinping tatsächlic­h auf einen umfangreic­hen Handelsdea­l, der alle Streitpunk­te adressiert, einigen und diesen noch heuer präsentier­en? Wenn der Brexit in geordneten Bahnen über die Bühne geht? Wenn die größten US-Firmen weiterhin gute Bilanzzahl­en abliefern? Wenn eine globale Rezession ausbleibt? Wenn sich das politische Washington irgendwie zusammenra­uft und die Vorwürfe gegen den US-Präsidente­n zu keinem Amtsentheb­ungsverfah­ren führen?

Klar: Die Aktienmärk­te würden weiter zulegen, zumindest in den USA neue Rekorde verbuchen, und als herkömmlic­her Kleinanleg­er hätte man wenig falsch gemacht, solange man den lauten Warnungen getrotzt hätte und weiterhin investiert geblieben wäre. Doch gibt es eine Reihe an Aktien, die von einem Verschwind­en gewisser Risiken außergewöh­nlich profitiere­n würden.

Goldman Sachs etwa hat eine Liste von US-Firmen erstellt, deren Geschäft ganz besonders von einer Einigung im Handelsstr­eit abhängt: An vorderster Front finden sich dabei Chipherste­ller wie Nvidia, Qualcomm und Intel. Und auch die Kurse von Kasinos wie Las Vegas Sands oder Wynn Resorts würden womöglich nach oben schießen. Schließlic­h erzie

len diese den größten Teil ihres Umsatzes nicht mehr in Las Vegas, sondern in Macau. Ebenso von einer Waffenruhe im Tarifstrei­t profitiere­n würden Möbelherst­eller wie Restaurati­on Hardware, die einen Gutteil ihrer Ware aus Asien importiere­n.

Einen Vorgeschma­ck darauf, was im Fall eines geordneten EUAustritt­s Großbritan­niens passieren könnte, haben Anleger in den vergangene­n Tagen bekommen. Dabei sind es nicht nur Aktien der Riesen an der Londoner Börse, auf die Investoren ein Auge werfen. Sondern mittelgroß­e Firmen, die am europäisch­en Markt hängen und denen ein Chaos-Brexit besondere Sorge bereiten würde.

Zusammenge­fasst sind diese im FTSE-250-Index, der die 100 größten Firmen der Börse London ausschließ­t. Nachdem sich eine Einigung zwischen Brüssel und London angedeutet hatte, legte der FTSE-250-Index um fünf Prozent zu. Nahrung für Optimisten lieferten auch die Quartalser­gebnisse der größten US-Banken. Citigroup, Morgan Stanley und JP Morgan vermeldete­n teils deutlich höhere Gewinne als erwartet. Goldman Sachs und Bank of America gaben zwar Rückgänge bekannt, diese waren aber Einmalausg­aben geschuldet. Generell könnten die Finanzgiga­nten von der aktuell besseren Stimmung profitiere­n. Sollte die Notenbank Fed die Zinsen vorerst nicht weiter senken, hilft das den Banken, die in einem höheren Zinsumfeld bessere Profitmögl­ichkeiten vorfinden.

Und doch: Es ist möglich, ja sogar wahrschein­lich, dass viele der genannten Hypothesen nicht eintreten. Selbst die größten Optimisten sollten deshalb gerade jetzt nur einen Teil ihres Kapitals in neue Aktieninve­stments stecken. Zudem ist ein langfristi­ger Horizont unabdingli­ch. Wer 50.000 Euro auf der Seite liegen hat und in einem halben Jahr ein schönes Auto kaufen will, würde einen Fehler begehen und unnötig hohes Risiko eingehen, wenn er das Geld nun zur Gänze in den Aktienmark­t steckt.

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