Ein Portfolio für Optimisten
Börsenausblick. Seit Monaten warnen Börsianer vor vielen Risiken – doch was, wenn sich diese in Luft auflösen? Was hoffnungsfrohe Anleger jetzt kaufen können und warum selbst große Optimisten vorsichtig sein sollten.
Das Drama um den Brexit; der niemals endende Handelskrieg zwischen den USA und China; die sogenannte inverse Zinskurve als Vorbotin einer Rezession; ein Konjunktureinbruch in Deutschland; Warnungen vor Gewinneinbrüchen an der Wall Street; eine etwaige Amtsenthebung des US-Präsidenten und so weiter und so fort. Risiken für Investoren gibt es zur Genüge und seit Monaten werden Ökonomen und Analysten nicht müde, diese stets zu betonen.
Und was machen die Märkte? Scheren sich nur wenig darum. Der S&P-500-Index kratzte gegen Ende der vergangenen Woche wieder einmal an seinem Allzeithoch. Der DAX in Frankfurt legte seit Jahresbeginn um ein Fünftel zu. Und das Pfund in London, angesichts der Unsicherheit rund um den EU-Austritt Großbritanniens eine für Börsianer heiße Kartoffel, gewann zwischenzeitlich deutlich an Wert, nachdem sich ein Deal zwischen London und Brüssel angebahnt hatte.
Was also, wenn eh alles gut wird? Wenn sich Donald Trump und Xi Jinping tatsächlich auf einen umfangreichen Handelsdeal, der alle Streitpunkte adressiert, einigen und diesen noch heuer präsentieren? Wenn der Brexit in geordneten Bahnen über die Bühne geht? Wenn die größten US-Firmen weiterhin gute Bilanzzahlen abliefern? Wenn eine globale Rezession ausbleibt? Wenn sich das politische Washington irgendwie zusammenrauft und die Vorwürfe gegen den US-Präsidenten zu keinem Amtsenthebungsverfahren führen?
Klar: Die Aktienmärkte würden weiter zulegen, zumindest in den USA neue Rekorde verbuchen, und als herkömmlicher Kleinanleger hätte man wenig falsch gemacht, solange man den lauten Warnungen getrotzt hätte und weiterhin investiert geblieben wäre. Doch gibt es eine Reihe an Aktien, die von einem Verschwinden gewisser Risiken außergewöhnlich profitieren würden.
Goldman Sachs etwa hat eine Liste von US-Firmen erstellt, deren Geschäft ganz besonders von einer Einigung im Handelsstreit abhängt: An vorderster Front finden sich dabei Chiphersteller wie Nvidia, Qualcomm und Intel. Und auch die Kurse von Kasinos wie Las Vegas Sands oder Wynn Resorts würden womöglich nach oben schießen. Schließlich erzie
len diese den größten Teil ihres Umsatzes nicht mehr in Las Vegas, sondern in Macau. Ebenso von einer Waffenruhe im Tarifstreit profitieren würden Möbelhersteller wie Restauration Hardware, die einen Gutteil ihrer Ware aus Asien importieren.
Einen Vorgeschmack darauf, was im Fall eines geordneten EUAustritts Großbritanniens passieren könnte, haben Anleger in den vergangenen Tagen bekommen. Dabei sind es nicht nur Aktien der Riesen an der Londoner Börse, auf die Investoren ein Auge werfen. Sondern mittelgroße Firmen, die am europäischen Markt hängen und denen ein Chaos-Brexit besondere Sorge bereiten würde.
Zusammengefasst sind diese im FTSE-250-Index, der die 100 größten Firmen der Börse London ausschließt. Nachdem sich eine Einigung zwischen Brüssel und London angedeutet hatte, legte der FTSE-250-Index um fünf Prozent zu. Nahrung für Optimisten lieferten auch die Quartalsergebnisse der größten US-Banken. Citigroup, Morgan Stanley und JP Morgan vermeldeten teils deutlich höhere Gewinne als erwartet. Goldman Sachs und Bank of America gaben zwar Rückgänge bekannt, diese waren aber Einmalausgaben geschuldet. Generell könnten die Finanzgiganten von der aktuell besseren Stimmung profitieren. Sollte die Notenbank Fed die Zinsen vorerst nicht weiter senken, hilft das den Banken, die in einem höheren Zinsumfeld bessere Profitmöglichkeiten vorfinden.
Und doch: Es ist möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass viele der genannten Hypothesen nicht eintreten. Selbst die größten Optimisten sollten deshalb gerade jetzt nur einen Teil ihres Kapitals in neue Aktieninvestments stecken. Zudem ist ein langfristiger Horizont unabdinglich. Wer 50.000 Euro auf der Seite liegen hat und in einem halben Jahr ein schönes Auto kaufen will, würde einen Fehler begehen und unnötig hohes Risiko eingehen, wenn er das Geld nun zur Gänze in den Aktienmarkt steckt.