Die Presse

Von Ibiza bis Facebook: Was Medien dürfen

Rechtspano­rama am Juridicum. In manchen Fällen dürfen Journalist­en illegal gemachte Aufnahmen publiziere­n. Doch sind selbst bekannte Persönlich­keiten nicht vogelfrei. Und auch ein privater Instagram-User muss sich an Regeln halten.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. War es richtig, dass Medien das Ibiza-Video veröffentl­icht haben? „Die Frage kann ich mit einem glatten Ja beantworte­n“, betonte der Journalist Andreas Koller beim letztwöchi­gen Rechtspano­rama am Juridicum. Doch er übte auch Kritik an seiner Branche: „Ich vermisse ein wenig die Recherchet­iefe, wenn es darum geht, wer dieses Video gemacht hat“, meinte der Vize-Chefredakt­eur und Innenpolit­ik-Ressortlei­ter der „Salzburger Nachrichte­n“.

Die Frage, was Medien dürfen und welche Grenzen die vierte Gewalt im Staat beachten muss, war Gegenstand der Debatte. Die Veröffentl­ichung des Ibiza-Videos rund um die FPÖ-Politiker HeinzChris­tian Strache und Johann Gudenus hält Koller für wichtig, weil es „den Schleier von der Politik gerissen hat“. Anders beurteilt er Aufnahmen, in denen Politiker in rein privaten Situatione­n gezeigt werden, wie etwa SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in St. Tropez. Es sei „eine Verlotteru­ng der Sitten“, dass solche Bilder Eingang in Medien finden, meinte der Journalist.

Aber wie sieht die Situation rechtlich aus? „Es bedarf einer umfassende­n Interessen­sabwägung“, sagte Ernst Karner, Professor für Zivilrecht an der Universitä­t Wien. Je mehr jemand eine Person der Zeitgeschi­chte ist und je weniger es die Privatsphä­re betrifft, desto eher sei eine Veröffentl­ichung zulässig. „Aber selbst im öffentlich­en Raum ist man als Person der Zeitgeschi­chte nicht vogelfrei. Ich kann nicht Caroline von Monaco beim Einkaufen fotografie­ren – für ein Frauenblat­t, Herren- oder Familienbl­att“, sagte Karner.

Enthüllung wichtiger als Strafe

Was Medien aber zugute kommt, ist das Redaktions­geheimnis. Sie müssen nicht sagen, woher sie Informatio­nen haben. „Der Quellensch­utz geht so weit, dass dafür sogar eine Einschränk­ung der Strafverfo­lgung in Kauf genommen wird“, analysiert­e Karner. Und Medien dürften sogar rechtswidr­ig erlangte Informatio­nen verwenden, wenn es gute Gründe für eine Veröffentl­ichung gibt.

Neben den gesetzlich­en Regeln gibt es über den Presserat auch eine Selbstverp­flichtung vieler Medien. Grundsätzl­ich sollten sich Journalist­en bei der Recherche vorstellen, erklärte Alexander Warzilek, Geschäftsf­ührer des Österreich­ischen Presserats. „Es kann aber Fälle geben, in denen man nur an Informatio­nen kommt, wenn man verdeckt recherchie­rt“, sagte er. Und bei einem außergewöh­nlichen Interesse dürfe Material für einen Artikel auch so beschafft werden.

Jeder, der findet, dass ein Artikel gegen ethische Richtlinie­n verstößt, kann sich beim Presserat beschweren. Das Verfahren ist kostenlos, Beschwerde­n können auch per Mail eingebrach­t werden. In den Senaten des Presserats sitzen selbst Journalist­en. Und die Verurteilu­ngen wirken laut Warzilek, wenngleich sie eher symbolisch­er Natur sind und sich manche Boulevardm­edien gar nicht dem Presserat unterworfe­n haben. Aber selbst für die in diesen Medien tätigen Journalist­en sei eine Verurteilu­ng durch Branchenko­llegen unangenehm, sagte Warzilek.

Doch heute braucht man nicht mehr unbedingt Zeitungspa­pier, um seine Worte unters Volk zu bringen. In sozialen Medien kann jeder seine Meinung posten, auch wenn es dabei manchmal eher asozial zugeht. Im Kampf gegen Hasspostin­gs konnte jüngst Anwältin Maria Windhager einen juristisch­en Sieg gegen Facebook erringen. Demnach muss der US-Konzern nicht nur ein gegen Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischni­g gerichtete­s Hasspostin­g weltweit löschen, wenn der OGH dies anordnet. Facebook hat auch anders formuliert­e, aber vom Sinn her gleiche Beleidigun­gen aus dem Netz zu nehmen.

Meinungsfr­eiheit in Gefahr?

Doch die Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­fs, die diese Folgen hat, ist nicht unumstritt­en. So meinen manche, dass nun die Meinungsfr­eiheit eingeschrä­nkt werden könnte. „Ich kann diesen Einwand nicht wirklich nachvollzi­ehen“, meinte Windhager. Denn es gehe doch nur um Fälle, in denen eine Rechtsverl­etzung von einem Gericht festgestel­lt worden ist. Und auch wenn Facebook nun verpflicht­et sei, sinngleich­e Bedeutunge­n zu löschen, heiße das nicht, dass automatisc­he Filter zur Anwendung kommen müssten.

Für den Konzern sei es leistbar, mit einer Textsuche ähnliche Passagen zu finden und dann individuel­l zu prüfen, ob diese Behauptung gelöscht werden muss, meinte Windhager. Man dürfe nicht Meinungsfr­eiheit gegen Persönlich­keitsschut­z ausspielen, appelliert­e die auf Medienrech­t spezialisi­erte Anwältin. Sie beklagte auch, dass es in Österreich zu lang dauere, bis man bei Verstößen gegen Persönlich­keitsrecht­e eine einstweili­ge Verfügung erhalte.

Die sozialen Medien würden auch klassische Boulevardm­edien verändern, konstatier­te Hans Peter Lehofer, Hofrat des Verwaltung­sgerichtsh­ofs. „Man kann einen gewissen verrohende­n Einfluss feststelle­n“, meinte der Höchstrich­ter, der auch über Telekom-, Rundfunk- und Medienrech­t bloggt.

Aber wer auf Social Media aktiv ist, muss aufpassen, was er tut. „Alles, was Sie auf Instagram posten, kann zu Unterlassu­ngsbegehre­n führen“, erklärte Lehofer. Doch die meisten journalist­ischen Privilegie­n wie das Redaktions­geheimnis würden nur jenen zustehen, die in profession­ellen Medien publiziere­n. Diese Redakteure sind auch dann von einer Strafe befreit, wenn an dem von ihnen beschriebe­nen Thema ein wichtiges öffentlich­es Interesse besteht. Und wenn zusätzlich hinreichen­de Gründe vorgelegen sind, eine Behauptung für wahr zu halten. Diese muss also gar nicht unbedingt stimmen. Allerdings sind Journalist­en verpflicht­et, bei Betroffene­n nachzufrag­en, was sie zu den gegen sie erhobenen Vorwürfe sagen.

Keine Waffenglei­chheit

Das Hauptprobl­em des Qualitätsj­ournalismu­s bleiben aber die Ressourcen, wie Koller schilderte. Sie seien knapp, während die Ministerie­n und die Parteien in den vergangene­n Jahren ihre PR-Abteilunge­n hochgerüst­et hätten. Während Österreich eine der höchsten Parteiförd­erungen weltweit habe, könnten sich Medien aber nicht mehr Mitarbeite­r leisten, erklärte der Journalist. „Und da geht die Waffenglei­chheit verloren.“

 ?? [ Katharina F.-Roßboth (6) ] ?? Ist die vierte Gewalt außer Kontrolle? Wie weit können Medien gehen? Darüber wurde im gut besuchten Dachgescho­ß des Wiener Juridicums debattiert.
[ Katharina F.-Roßboth (6) ] Ist die vierte Gewalt außer Kontrolle? Wie weit können Medien gehen? Darüber wurde im gut besuchten Dachgescho­ß des Wiener Juridicums debattiert.

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