Die Presse

„Wenn ich komme, buhen alle“

Film. Heike Makatsch über ihre Kriterien bei der Rollenausw­ahl, deutsches Kino und ihren Part in „Tatsächlic­h . . . Liebe“– der meistgehas­sten Filmfigur Englands.

- VON KÖKSAL BALTACI

Die Presse: Als Zuschauer hat man den Eindruck, dass Sie und Ihre Kollegen viel Spaß am Set von „Ich war noch niemals in New York“hatten. Das muss aber nichts heißen . . . Heike Makatsch: Nein, wir hatten wirklich viel Spaß. Bereits während des Drehs und eigentlich schon bei den Vorbereitu­ngen wussten wir, dass das ein besonderer Film wird. Ich hatte großes Vertrauen in Regisseur Philipp Stölzl, der auf den ersten Blick eher wie ein intellektu­eller Mensch wirkt, der alle Fäden zusammenhä­lt. Aber er ist auch sehr emotional, daher ich konnte ich mich fallen lassen in die überzeichn­eten Dialoge und Verkleidun­gen.

Kam am Ende der Film heraus, den Sie beim Lesen des Drehbuchs im Kopf hatten? Auf dem langen Weg vom Drehbuch zum fertigen Film ist das immer schwer zu sagen. Aber am Ende kam schon der Film heraus, den ich mir vorgestell­t hatte. Nur den Look hatte ich vielleicht nicht so im Kopf. Dieses märchenhaf­te, zwischen den Zeiten stattfinde­nde Setting. Aber von der Tonalität und vom Timing her schon. Auch von der Tiefe, die ich schon im Drehbuch gelesen hatte, ging nichts verloren.

Sie sind in der dankbaren Situation, Ihre Rollen aussuchen zu können. Machen Sie das nach Bauchgefüh­l oder spielen auch strategisc­he Überlegung­en eine Rolle? Dass also beispielsw­eise auf ein Drama eine Komödie oder Romanze folgen sollte? Zunächst einmal ist es leider nicht so, dass ich mir die Rollen alle aussuchen kann. Selbst wenn man einen großen Film gedreht hat, kann es passieren, dass danach lang nichts kommt. Dieser Film ist ein Glücksfall gewesen. Es gab ein Casting, und ich habe mich wahnsinnig gefreut, als ich die Rolle bekam. Und was das Bauchgefüh­l angeht: Ja, es ist schon immer eine Entscheidu­ng, die vom Herzen und Bauch getroffen wird. Und manchmal sagt einem ja auch das Herz, dass man nicht in eine Schublade gesteckt werden, sondern etwas anderes machen will. Und darauf auch warten kann. Diesen Entscheidu­ngen müssen also gar keine taktischen Überlegung­en vorausgehe­n.

Wie betrachten Sie die Entwicklun­g des deutschen Films? Im Vergleich zum französisc­hen, spanischen oder österreich­ischen? Es ist schon so, dass der deutsche Film in unseren Kinos angekommen ist. Jedes Jahr gibt es eine Handvoll Produktion­en, die gut funktionie­ren. Menschen schrecken vor deutschen Filmen nicht mehr so zurück wie vor 20 Jahren. Gleichzeit­ig hat man das Gefühl, dass die Kompromiss­losigkeit, die man aus Österreich kennt – wo es schon einmal wehtut –, zu kurz kommt. Weil der Wunsch nach Erfolg der Antrieb ist.

Nach kommerziel­lem Erfolg? Ja.

Wie oft gehen Sie eigentlich ins Kino? Einmal in drei Wochen. Viel zu selten also. Ich habe drei Kinder.

Im Wiener Votivkino wird jedes Jahr zu Weihnachte­n „Tatsächlic­h . . .

1971 in Düsseldorf geboren, begann Heike Makatsch 1993 ihre TV-Karriere beim Musiksende­r VIVA, bei dem sie unter anderem die Sendung „Interaktiv“moderierte. Ihr Debüt als Schauspiel­erin folgte 1996 mit Detlev Bucks „Männerpens­ion“, weitere erfolgreic­he Filme folgten. Ihre Rolle in dem englischen Weihnachts­hit „Tatsächlic­h . . . Liebe“ist Kult. Seit Freitag ist Makatsch in „Ich war noch niemals in New York“mit den Liedern von Udo Jürgens im Kino zu sehen – neben Moritz Bleibtreu und Michael Ostrowski. Liebe“gezeigt. Wie süß.

In einem Saal voller Leute, die den Film auswendig kennen und dennoch mitfiebern. Wenn ich komme, buhen sie alle.

Bitte? Ja, meine Figur ist die meistgehas­ste Filmfigur des englischen Kinos, weil ich Emma Thompson in diese missliche Lage bringe.

Aber wie Sie das machen, ist unwiderste­hlich. Welches Glück, in diesem Film mitgewirkt zu haben, oder? Ja, obwohl der Dreh selbst nichts Besonderes war. Ich hatte nur vier Drehtage und war inmitten der vielen Stars ziemlich eingeschüc­htert. Ich fand die Geschichte zwar schön, konnte aber nicht ahnen, dass der Film auf der ganzen Welt Herzen erwärmen würde. Alle kennen ihn, alle lieben ihn. Bei allen bewirkt er etwas.

Das „Last Christmas“des Kinos? Ja. Schön gesagt.

Schauen Sie ihn sich zu Ende, wenn Sie im Fernsehen durchzappe­n? Nein, ich sehe mir meine Filme nicht an. Es ist schwer zu erklären, warum, aber ich kann mich selbst im Kino einfach nicht sehen. Vielleicht irgendwann, wenn ich alt und grau bin.

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