Die Presse

Frauen verdienen nicht weniger als Männer

Ein Wort kann mehrere Bedeutungs­ebenen haben, die oft nicht sauber getrennt werden.

- VON ERICH KOCINA E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

Es

gibt im Deutschen – wie auch in anderen Sprachen – Wörter, die mehrere Bedeutunge­n haben. Sie wissen schon, ein Schloss kann sowohl ein Gebäude sein als auch die Vorrichtun­g, mit der man die Tür dazu absperren kann. Wer von seinem Lieblingsg­ericht spricht, schwärmt in der Regel nicht vom Landesgeri­cht für Strafsache­n oder einer ähnlichen Einrichtun­g. Und wenn man Brot unter den Armen verteilt, bedeutet das nicht, sich ein paar Baguettes unter die Achseln zu stecken. Bei manchen dieser Homonyme, so der korrekte Begriff dafür, ist der Unterschie­d in den Bedeutunge­n ziemlich eindeutig. Bei manchen hingegen verschwimm­en die unterschie­dlichen Ebenen. Ein Beispiel dafür ist das Wort „verdienen“. Das kann dafür stehen, dass man als Entschädig­ung für eine geleistete Arbeit etwas bekommt, also etwa Lohn, Gehalt oder Honorar. Es kann genauso dafür stehen, welche Summe man tatsächlic­h ausgezahlt bekommt. Und nicht zuletzt kann man auch etwas verdienen, indem man einen Gewinn erzielt, also wenn man zum Beispiel etwas um mehr Geld hergibt, als man dafür selbst hat hinlegen müssen.

Und dann ist da auch noch eine zweite Ebene, die abseits der monetären Dimension für etwas völlig Anderes steht. Dass man nämlich einer bestimmten Einschätzu­ng oder Reaktion würdig ist. Dass man etwas zu Recht bekommt. Das kann Lob, Dank oder Anerkennun­g sein, vom Schulterkl­opfen bis zum Nobelpreis. Ein Sieg, aber auch in negativer Hinsicht eine Strafe, die man sich eben aus der Sicht der anderen verdient hat.

Im Englischen gibt es für diese zwei Ebenen unterschie­dliche Wörter – „to earn“für die monetäre, „to deserve“für die moralische. Auf Deutsch lässt sich der Unterschie­d sprachlich nur schwierig ausdrücken. Halten wir dennoch fest: Frauen verdienen nicht weniger als Männer, sie bekommen nur weniger bezahlt.

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