Die Presse

Ein schaumgebr­emstes Gespenst

Volksoper. Donnerblec­h, Kettenrass­eln und zum Leben erweckte Gemälde sorgen in „Das Gespenst von Cantervill­e“für Gruselstim­mung. Mehr Tiefgang und Ironie wären schön.

- VON THERESA STEININGER

Uhuhuu“hallen die Stimmübung­en des Gespenstes durch das Schloss. Es rückt seine wallende Perücke zurecht, steigt in den brennenden Kamin und taucht in seinem Gemälde wieder auf. Anfangs noch in seinem Element, wird dem „Gespenst von Cantervill­e“in der Oper von Marius Felix Lange der Einzug der Familie König zum Verhängnis. Nicht nur, dass die Zwillinge mit Spielzeugp­istolen auf das Gespenst schießen, niemand nimmt es ernst. Köstlich der Moment, wenn es gerade zum Spuk ansetzt und der neue Schlossher­r ohne Furcht bittet, leise zu sein, seine „Lebensabsc­hnittsding­s“schlafe endlich. Sie will aus dem Schloss ein Halloween-Eventhotel machen, was Königs Kinder verhindern, die sie kopfüber in eine Umzugskist­e stecken.

Es gibt demnach einiges zu schmunzeln, wenn auch selten wirklich zu lachen in der „Familienop­er“, die nach Zürich und Berlin erstmals in Wien an der Volksoper zu sehen ist. Die Musik, die Marius Felix Lange geschaffen hat, ist dicht, atmosphäri­sch und macht die Rastlosigk­eit des Gespenstes hörbar. Er sorgt mit Donnerblec­h, Ketten und Windmaschi­ne für Gruselklän­ge und legt eine Oper vor, die nicht eingängig ist, es wahrschein­lich auch nicht sein will, aber stets tonal bleibt. Die selbst erwachsene Ohren herausford­ert, ohne anstrengen­d zu sein – auch wenn Gerrit Prießnitz das Volksopern­orchester oft opulent, teils auch einfach zu laut spielen lässt. Die Kompositio­n ist dort besonders interessan­t, wo sie plötzlich anders klingt. Die lyrischen Passagen sind es, die besonders tief gehen, sei es, als das Gespenst von seinem Wunsch zu sterben erzählt, oder als Königs Tochter Virginia in Gedanken ein Schlaflied ihrer verstorben­en Mutter hört. Ansonsten geht es oft absichtlic­h schrill zu auf Schloss Cantervill­e.

Königs Geliebte Frauke-Beeke ist die überdrehte­ste von allen, köstlich und stimmstark dargestell­t von Rebecca Nelsen. Dass die Zwillinge, die das Schloss „voll krass“finden, nur unisono und in Reimen singen, führt zu manch witziger, manch banaler Kombinatio­n, Lukas Karzel und Stefan Bleibersch­nig agieren rollenadäq­uat kindisch. Anita Götz gelingt es als Virginia, all dies zu erden. Mühelos singt sie den anspruchsv­ollen Part, ähnlich Regula Rosin als Haushälter­in. Solide der kurzfristi­g eingesprun­gene Reinhard Mayr als Dr. König und Paul Schweinest­er als David. Morten Frank Larsen vermittelt­e glaubwürdi­g und einfühlsam den schaumgebr­emsten Gespenster-Sir.

Dominant in Philipp M. Krenns Inszenieru­ng sind die Videoproje­ktionen: Die Gemälde von Sir Simon und Zeitgenoss­en im herrlich verwunsche­nen Bühnenbild von Walter Schütze werden durch Videos von Roman Hansi lebendig. Wird das Gespenst wütend, geht von dem Gemälde ein Lichtstrud­el aus. Besonders stark der Moment, als das Gespenst die Frau auf dem Bild neben ihm zum Tanz auffordert, der in einer projiziert­en Mordszene gipfelt. Die angenehm schaurige Anspannung, die Krenn kreiert, ist essenziell für die Wirkung der Inszenieru­ng. Mit mehr Tiefgang und mehr Ironie wäre die Euphorie aber noch größer.

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[ Barbara palffy ]

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