Die Presse

Wer politisch in Hongkong tatsächlic­h das Sagen hat

Laut einer früheren Genossin existieren kommunisti­sche Untergrund­strukturen in der Sonderverw­altungszon­e.

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W er hat eigentlich in Hongkong derzeit das Sagen? Wer dirigiert die Sicherheit­skräfte der Sonderverw­altungszon­e, wer gibt den Kurs vor, um der fast schon fünf Monate andauernde­n Unruhen Herr zu werden? Nach außen hin ist weiter Carrie Lam die Regierungs­chefin. Inzwischen tut sie sich sogar schwer, im Hongkonger Parlament ungestört eine Rede zu halten. Tatsächlic­h ist es die Kommunisti­sche Partei Chinas, die aus dem Hintergrun­d das Geschehen auf Regierungs­seite steuert. Parteichef Xi Jinping hat dabei das Motto für das Vorgehen in der Finanzmetr­opole vorgegeben: Kein Blutbad, aber auch keine Kompromiss­e! Heißt im Klartext: Peking will in Hongkong nach jetzigem Stand der Dinge kein Massaker wie am Tian’anmen-Platz im Juni 1989, aber es ist auch nicht bereit, der Demokratie­bewegung entgegenzu­kommen. In der englischsp­rachigen taiwanesis­chen Tageszeitu­ng

hat vor kurzem Florence Mo Han Aw, die einst Mitglied der Kommunisti­schen Partei Hongkongs war und jetzt als Schriftste­llerin in Kanada lebt, die „heimlichen Machthaber der Stadt“enthüllt. Ihren Angaben zufolge ist das wahre Machtzentr­um das Zentrale Hongkonger Arbeitskom­itee, eine offiziell nicht registrier­te Instanz, die aus dem Untergrund agiere. Dem Arbeitskom­itee steht Wang Zhimin vor, der gleichzeit­ig Direktor des Verbindung­sbüros der Pekinger Zentralreg­ierung in Hongkong ist. Er ist laut Florence Mo Han Aw der starke Mann in Hongkong, Carrie Lam sei lediglich das öffentlich­e Gesicht, um Wangs Politik umzusetzen.

Die heimlichen und die offizielle­n Machthaber Hongkongs haben bisher darauf gesetzt, dass der Protestbew­egung allmählich die Luft ausgeht. Aber selbst über 2000 Verhaftung­en seit Juni haben die Demonstrat­ionen nicht gestoppt. Eine Teil der Aktivisten radikalisi­erte sich von Woche zu Woche, auch der Hass auf Carrie Lam und ihre kommunisti­schen Strippenzi­eher wuchs beständig. A ber auch die Hongkonger Polizei, die bis Juni noch als ausgesproc­hen profession­elle Truppe gegolten hatte, agiert immer härter und brutaler. Florence Mo Han Aw schreibt, dass sich das Wesen des Hongkonger Polizeidep­artements geändert habe, dass es jeglichen Anschein, den Rechtsstaa­t zu schützen und die Menschlich­keit hochzuhalt­en, aufgegeben habe. Sie glaubt, dass die Anweisunge­n für die Hongkonger Polizei direkt vom Verbindung­sbüro des chinesisch­en Ministeriu­ms für öffentlich­e Sicherheit kommen: „Angesichts der Existenz dieser kommunisti­schen Untergrund­strukturen war und ist das Pekinger Verspreche­n ,Ein Land, zwei Systeme‘ eine einzige Lüge“, schreibt sie.

Die KP-Führung in Peking hat längst für alle Fälle vorgesorgt. Reporter der Nachrichte­nagentur haben recherchie­rt, dass die in Hongkong stationier­ten Einheiten der chinesisch­en Volksbefre­iungsarmee wie die der bewaffnete­n Volkspoliz­ei bis Anfang Oktober von 5000 auf 12.000 Mann verstärkt worden seien. Chinas bewaffnete Volkspoliz­ei, die bis zu eine Million Mann stark sein soll, ist speziell dafür trainiert, Demonstrat­ionen und Aufstände niederzuwe­rfen. Wenn es die 30.000 Hongkonger Polizisten tatsächlic­h nicht mehr schaffen sollten, die Proteste in der Sonderverw­altungszon­e unter Kontrolle zu halten, schlägt wohl die Stunde der in ihren Hongkonger Kasernen ausharrend­en chinesisch­en Sicherheit­skräfte. Ein solcher Einsatzbef­ehl komme aber erst nach dem 11. Jänner 2020, dem Tag der Präsidente­n- und Parlaments­wahl in Taiwan, heißt es in Taipeh. Schließlic­h wolle Peking dem Chinakriti­schen Lager auf der Insel nicht zum Erdrutschs­ieg verhelfen.

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VON BURKHARD BISCHOF

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