Die Presse

Der Kampf gegen die Kurden findet auch in Österreich statt

Im Krieg gegen die Kurden geht es nicht nur um Geopolitik, sondern es ist auch ein Richtungsk­ampf im Islam.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t. Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“.

Am Institut für Islamisch-Theologisc­he Studien an der Uni Wien fand im Frühjahr ein bemerkensw­ertes Symposium statt. Es ging um die Kopftuchfr­age, der Saal war gut gefüllt. Von der Islamische­n Glaubensge­meinschaft war trotz Einladung niemand erschienen. Das Podium war hochkaräti­g besetzt, darunter der deutsche Soziologe Kenan Güngör. Nach seinen Ausführung­en über die Stellung der Frau im Islam stand ein Mann mit wuchtigem Vollbart auf und meinte, der Redner sei gar nicht befugt, im Namen des Islam zu sprechen, denn er sei gar kein Muslim. Der aggressive Unterton bei dieser Bemerkung war nicht zu überhören. Ein Teil des Publikums applaudier­te frenetisch, ansonsten betretene Gesichter.

Güngör stammt aus der Türkei und hat kurdische Wurzeln. Das Wiener Institut hat weltweit den ersten Lehrstuhl für Alevitisch­Theologisc­he Studien eingericht­et, das von einer Frau geleitet wird. Internatio­nal werde dieser Lehrstuhl von islamische­n Predigern massiv angegriffe­n, wird am Institut beklagt.

Bei der „Eroberung“des Kurdengebi­etes durch die Türkei geht es nicht nur um Innenpolit­ik oder Geopolitik, und es geht natürlich nicht um eine „Friedenszo­ne“. Es geht um Unterwerfu­ng, und das in mehrfacher Hinsicht. Die Kurden gelten für Präsident Erdogan˘ als „Marxisten“, im Gebiet gibt es Basisdemok­ratie. Es ist auch ein Kampf gegen eine Richtung des Islams, der Fundamenta­listen nicht in den Kram passt. Die Kurdenregi­on zeigt nämlich, dass Islam und Fraueneman­zipation durchaus vereinbar sind, in dieser Hinsicht ist sie eine moderne Modellregi­on in der islamische­n Welt. Die Frauen sind absolut gleichbere­chtigt, tragen kein Kopftuch, sondern viele als Soldatinne­n einen Helm. Auch viele politische Ämter sind mit Frauen besetzt. Diese Modellregi­on soll nach dem Wunsch des türkischen Präsidente­n, der der radikalen Muslimbrud­erschaft nahesteht, ausgemerzt werden. Es ist eine tragische Facette, dass die Kurden nun ausgerechn­et auf den Massenmörd­er Assad angewiesen sind, wie auch die Christen in der Region.

Der Konflikt zwischen national-fundamenta­listischen Kräften in der Türkei und den Kurden schwelt seit Jahrzehnte­n. Er ist, wie das obige Beispiel illustrier­t, auch bei uns in Österreich stets präsent. Durch den offenen Krieg in der Grenzregio­n wird dies auch Auswirkung­en auf Europa haben, die das friedliche Zusammenle­ben gefährden. Erste Anzeichen sind sichtbar, etwa als die Fußballer der türkischen Nationalma­nnschaft beim Spiel in Frankreich für die türkischen Soldaten im Krieg salutierte­n. Die Symbolwirk­ung ist verheerend und findet bereits viele Nachahmer, so etwa bei einigen deutschen Fußballver­einen mit türkisch-stämmigen Spielern.

Die EU klopft den Kurdenvert­retern bedauernd auf die Schulter, es wird auch offiziell Protest eingelegt. Mehr ist nicht zu erwarten. Es war schon bei Abschluss des „Flüchtling­sdeals“– welch schrecklic­hes Wort – klar, dass Erdogan˘ die Flüchtling­e als Druckmitte­l gegen die EU benützen würde. Die Kurden gelten laut Erdogan˘ als „Terroriste­n“, der Kampf ist brutal, erste abgeschnit­tene Köpfe werden gezeigt. Da kann die UNO protestier­en, so viel sie will. Experten warnen auch vor einem Wiedererst­arken des IS in der Region und internatio­nal, denn die Kurden waren deren entschloss­enste Gegner und halten viele gefangen.

Vernichtet ist jedenfalls die Hoffnung vieler Syrer, die aus dieser Region stammen, bald in ihre Heimat zurückkehr­en zu können. Im Gegenteil flüchten viele Menschen aus den Kriegsgebi­eten oder wollen weg aus der Türkei – etliche werden sich auch in Richtung Europa auf den Weg machen. Bald-wieder-Kanzler Sebastian Kurz hat vor einigen Tagen als oberste Priorität seiner künftigen Regierung die Wirtschaft genannt.

Es könnte sehr leicht sein, dass er die Reihung bald wird ändern müssen.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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