Der Kampf gegen die Kurden findet auch in Österreich statt
Im Krieg gegen die Kurden geht es nicht nur um Geopolitik, sondern es ist auch ein Richtungskampf im Islam.
Am Institut für Islamisch-Theologische Studien an der Uni Wien fand im Frühjahr ein bemerkenswertes Symposium statt. Es ging um die Kopftuchfrage, der Saal war gut gefüllt. Von der Islamischen Glaubensgemeinschaft war trotz Einladung niemand erschienen. Das Podium war hochkarätig besetzt, darunter der deutsche Soziologe Kenan Güngör. Nach seinen Ausführungen über die Stellung der Frau im Islam stand ein Mann mit wuchtigem Vollbart auf und meinte, der Redner sei gar nicht befugt, im Namen des Islam zu sprechen, denn er sei gar kein Muslim. Der aggressive Unterton bei dieser Bemerkung war nicht zu überhören. Ein Teil des Publikums applaudierte frenetisch, ansonsten betretene Gesichter.
Güngör stammt aus der Türkei und hat kurdische Wurzeln. Das Wiener Institut hat weltweit den ersten Lehrstuhl für AlevitischTheologische Studien eingerichtet, das von einer Frau geleitet wird. International werde dieser Lehrstuhl von islamischen Predigern massiv angegriffen, wird am Institut beklagt.
Bei der „Eroberung“des Kurdengebietes durch die Türkei geht es nicht nur um Innenpolitik oder Geopolitik, und es geht natürlich nicht um eine „Friedenszone“. Es geht um Unterwerfung, und das in mehrfacher Hinsicht. Die Kurden gelten für Präsident Erdogan˘ als „Marxisten“, im Gebiet gibt es Basisdemokratie. Es ist auch ein Kampf gegen eine Richtung des Islams, der Fundamentalisten nicht in den Kram passt. Die Kurdenregion zeigt nämlich, dass Islam und Frauenemanzipation durchaus vereinbar sind, in dieser Hinsicht ist sie eine moderne Modellregion in der islamischen Welt. Die Frauen sind absolut gleichberechtigt, tragen kein Kopftuch, sondern viele als Soldatinnen einen Helm. Auch viele politische Ämter sind mit Frauen besetzt. Diese Modellregion soll nach dem Wunsch des türkischen Präsidenten, der der radikalen Muslimbruderschaft nahesteht, ausgemerzt werden. Es ist eine tragische Facette, dass die Kurden nun ausgerechnet auf den Massenmörder Assad angewiesen sind, wie auch die Christen in der Region.
Der Konflikt zwischen national-fundamentalistischen Kräften in der Türkei und den Kurden schwelt seit Jahrzehnten. Er ist, wie das obige Beispiel illustriert, auch bei uns in Österreich stets präsent. Durch den offenen Krieg in der Grenzregion wird dies auch Auswirkungen auf Europa haben, die das friedliche Zusammenleben gefährden. Erste Anzeichen sind sichtbar, etwa als die Fußballer der türkischen Nationalmannschaft beim Spiel in Frankreich für die türkischen Soldaten im Krieg salutierten. Die Symbolwirkung ist verheerend und findet bereits viele Nachahmer, so etwa bei einigen deutschen Fußballvereinen mit türkisch-stämmigen Spielern.
Die EU klopft den Kurdenvertretern bedauernd auf die Schulter, es wird auch offiziell Protest eingelegt. Mehr ist nicht zu erwarten. Es war schon bei Abschluss des „Flüchtlingsdeals“– welch schreckliches Wort – klar, dass Erdogan˘ die Flüchtlinge als Druckmittel gegen die EU benützen würde. Die Kurden gelten laut Erdogan˘ als „Terroristen“, der Kampf ist brutal, erste abgeschnittene Köpfe werden gezeigt. Da kann die UNO protestieren, so viel sie will. Experten warnen auch vor einem Wiedererstarken des IS in der Region und international, denn die Kurden waren deren entschlossenste Gegner und halten viele gefangen.
Vernichtet ist jedenfalls die Hoffnung vieler Syrer, die aus dieser Region stammen, bald in ihre Heimat zurückkehren zu können. Im Gegenteil flüchten viele Menschen aus den Kriegsgebieten oder wollen weg aus der Türkei – etliche werden sich auch in Richtung Europa auf den Weg machen. Bald-wieder-Kanzler Sebastian Kurz hat vor einigen Tagen als oberste Priorität seiner künftigen Regierung die Wirtschaft genannt.
Es könnte sehr leicht sein, dass er die Reihung bald wird ändern müssen.