Berufstätig trotz schwerer Krankheit
Wiedereinstieg. Leidet die Gesundheit, verblasst vieles zur Nebensache. Für die Genesung jedoch ist die Rückkehr in den Beruf mitunter essenziell. Nicht immer verläuft sie reibungslos.
Normalität ist nach schwerer Krankheit mitunter das, wonach sich Betroffene am meisten sehnen. Die erfolgreiche Rückkehr in den Alltag hängt dabei nicht selten vom Wiedereinstieg in den Beruf ab, der jedoch nicht immer reibungslos gelingt.
Die Beratungsstelle Fit2Work bietet für Menschen mit gesundheitlichen Problemen deshalb seit 2013 bundesweit Hilfe, nach der Krankheit wieder in den alten Job zurückzukehren – insbesondere nach psychischen Erkrankungen. Der „ganz niederschwelligen“Beratung, wie sie die überregionale Fit2Work-Koordinatorin und Arbeitspsychologin Barbara HaiderNovak nennt, folgt im Bedarfsfall ein Basischeck zur arbeitsmedizinischen Abklärung. Im Anschluss beginnt ein vier- bis zehnmonatiger Beratungsprozess.
Dass Bedarf an Beratung besteht, zeigen die Zahlen im Jahresbericht: Zwischen 1. Jänner 2016 und 30. September 2019 nahmen 63.627 Personen Beratung in Anspruch. Im Jahr 2018 waren es 16.610 Erstberatungen und damit um 16,7 Prozent mehr als im Jahr davor. Der Geschlechtervergleich zeigt eine weibliche Überrepräsentation: 57 Prozent der Klienten waren Frauen.
Die Beratung allein ist jedoch nur ein kleiner Abschnitt des Weges: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind ein anderer. Bis vor Kurzem allerdings gab es in Österreich nur unzureichende Instrumente, um den Wiedereinstieg zu schaffen. Bisweilen galt man nach einem Krankenstand als entweder völlig krank oder gänzlich gesund – das Dazwischen existierte nicht. Ein Zustand, der die Sozialpartner lang für eine gesetzliche Verankerung eines „sanften“
Wiedereinstiegs kämpfen ließ. Im Juli 2017 wurde er mit der Wiedereingliederungsteilzeit (Reduktion der Arbeitszeit auf 50 bzw. 75 Prozent für sechs, maximal neun Monate) reformiert. Seither werde das Angebot „sehr intensiv genutzt, sowohl von den Arbeitgebern als auch -nehmern“, sagt Psychologin Haider-Novak. Der Bekanntheitsgrad der jungen Regelung steige, dementsprechend auch die Inanspruchnahme. Zahlen dazu gibt es aber nicht: Eine Evaluierung wartet im Sozialministerium auf Veröffentlichung.
Dass das neue Gesetz dennoch nicht für jeden Verbesserungen bringt, zeigt das Beispiel von Clarissa Altmann. Die Chemotechnikerin war drei Monate in einer Pharmafirma tätig, als sie die Diagnose Brustkrebs traf. Noch im Urlaub erfuhr sie, dass ihr Vertrag beendet werden sollte. „Ich hatte nicht einmal die Möglichkeit, meine Sachen abzuholen. Die Firma hat sie mir per Post nach Hause geschickt“, erzählt die Betroffene. Anders als in Deutschland oder der Schweiz bietet der Krankenstand in Österreich nämlich keinen Kündigungsschutz.
Rückkehr ist Führungsthema
Altmanns Fall ist für Gaby Sonnbichler, Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe, damit ein „Super-GAU“, aber „Gott sei Dank“eher die Ausnahme: „In den meisten Fällen sind die Firmen schon bemüht, die Person im Arbeitsverhältnis zu lassen.“Fehlende Kommunikation zwischen Firmen und Betroffenen sei die zentrale Herausforderung beim Wiedereinstieg. Oft „sind es Angst und Unsicherheit“, die zu falschen Erwartungen auf beiden Seiten führen. „Das ist eindeutig ein Führungsthema: Der Vorgesetzte muss es schaffen, dass ein Wiedereinstieg weder zu Über- noch zu Unterforderung führt“, sagt Sonnbichler. Rücksicht sei angebracht, allerdings keine Überfürsorglichkeit.
Dass es in ihrem Fall zu so vielen Rückschlägen kam, findet Altmann dennoch auch positiv: „Es passiert alles so, wie es passieren muss.“Heute arbeitet sie 30 Stunden im Pharmaunternehmen Roche als Congress Coordinator. Und ist froh: „Hätten mich die andere Firma nicht gekündigt, wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.“