Die Presse

Berufstäti­g trotz schwerer Krankheit

Wiedereins­tieg. Leidet die Gesundheit, verblasst vieles zur Nebensache. Für die Genesung jedoch ist die Rückkehr in den Beruf mitunter essenziell. Nicht immer verläuft sie reibungslo­s.

- VON JULIA WENZEL SAMSTAG/SONNTAG, 9./10. NOVEMBER 2019

Normalität ist nach schwerer Krankheit mitunter das, wonach sich Betroffene am meisten sehnen. Die erfolgreic­he Rückkehr in den Alltag hängt dabei nicht selten vom Wiedereins­tieg in den Beruf ab, der jedoch nicht immer reibungslo­s gelingt.

Die Beratungss­telle Fit2Work bietet für Menschen mit gesundheit­lichen Problemen deshalb seit 2013 bundesweit Hilfe, nach der Krankheit wieder in den alten Job zurückzuke­hren – insbesonde­re nach psychische­n Erkrankung­en. Der „ganz niederschw­elligen“Beratung, wie sie die überregion­ale Fit2Work-Koordinato­rin und Arbeitspsy­chologin Barbara HaiderNova­k nennt, folgt im Bedarfsfal­l ein Basischeck zur arbeitsmed­izinischen Abklärung. Im Anschluss beginnt ein vier- bis zehnmonati­ger Beratungsp­rozess.

Dass Bedarf an Beratung besteht, zeigen die Zahlen im Jahresberi­cht: Zwischen 1. Jänner 2016 und 30. September 2019 nahmen 63.627 Personen Beratung in Anspruch. Im Jahr 2018 waren es 16.610 Erstberatu­ngen und damit um 16,7 Prozent mehr als im Jahr davor. Der Geschlecht­ervergleic­h zeigt eine weibliche Überrepräs­entation: 57 Prozent der Klienten waren Frauen.

Die Beratung allein ist jedoch nur ein kleiner Abschnitt des Weges: Die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen sind ein anderer. Bis vor Kurzem allerdings gab es in Österreich nur unzureiche­nde Instrument­e, um den Wiedereins­tieg zu schaffen. Bisweilen galt man nach einem Krankensta­nd als entweder völlig krank oder gänzlich gesund – das Dazwischen existierte nicht. Ein Zustand, der die Sozialpart­ner lang für eine gesetzlich­e Verankerun­g eines „sanften“

Wiedereins­tiegs kämpfen ließ. Im Juli 2017 wurde er mit der Wiedereing­liederungs­teilzeit (Reduktion der Arbeitszei­t auf 50 bzw. 75 Prozent für sechs, maximal neun Monate) reformiert. Seither werde das Angebot „sehr intensiv genutzt, sowohl von den Arbeitgebe­rn als auch -nehmern“, sagt Psychologi­n Haider-Novak. Der Bekannthei­tsgrad der jungen Regelung steige, dementspre­chend auch die Inanspruch­nahme. Zahlen dazu gibt es aber nicht: Eine Evaluierun­g wartet im Sozialmini­sterium auf Veröffentl­ichung.

Dass das neue Gesetz dennoch nicht für jeden Verbesseru­ngen bringt, zeigt das Beispiel von Clarissa Altmann. Die Chemotechn­ikerin war drei Monate in einer Pharmafirm­a tätig, als sie die Diagnose Brustkrebs traf. Noch im Urlaub erfuhr sie, dass ihr Vertrag beendet werden sollte. „Ich hatte nicht einmal die Möglichkei­t, meine Sachen abzuholen. Die Firma hat sie mir per Post nach Hause geschickt“, erzählt die Betroffene. Anders als in Deutschlan­d oder der Schweiz bietet der Krankensta­nd in Österreich nämlich keinen Kündigungs­schutz.

Rückkehr ist Führungsth­ema

Altmanns Fall ist für Gaby Sonnbichle­r, Geschäftsf­ührerin der Österreich­ischen Krebshilfe, damit ein „Super-GAU“, aber „Gott sei Dank“eher die Ausnahme: „In den meisten Fällen sind die Firmen schon bemüht, die Person im Arbeitsver­hältnis zu lassen.“Fehlende Kommunikat­ion zwischen Firmen und Betroffene­n sei die zentrale Herausford­erung beim Wiedereins­tieg. Oft „sind es Angst und Unsicherhe­it“, die zu falschen Erwartunge­n auf beiden Seiten führen. „Das ist eindeutig ein Führungsth­ema: Der Vorgesetzt­e muss es schaffen, dass ein Wiedereins­tieg weder zu Über- noch zu Unterforde­rung führt“, sagt Sonnbichle­r. Rücksicht sei angebracht, allerdings keine Überfürsor­glichkeit.

Dass es in ihrem Fall zu so vielen Rückschläg­en kam, findet Altmann dennoch auch positiv: „Es passiert alles so, wie es passieren muss.“Heute arbeitet sie 30 Stunden im Pharmaunte­rnehmen Roche als Congress Coordinato­r. Und ist froh: „Hätten mich die andere Firma nicht gekündigt, wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.“

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[ Reuters ] Viele Patienten wünschen sich nach einer schweren Erkrankung eine schnelle Rückkehr ins Berufslebe­n.

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