Die Presse

Die Labour Party malt den Donald an die Wand

Großbritan­nien. Nichts fürchtet Boris Johnson so sehr wie eine Wahlempfeh­lung von Trump.

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Wer seine Feinde unter Kontrolle hat, muss sich nur mehr um seine Freunde sorgen. Wenn US-Präsident Donald Trump von Montagaben­d bis Mittwoch in London zum Gipfeltref­fen anlässlich des 70. Gründungst­ags der Nato weilt, hat sich der britische Premier Boris Johnson ausdrückli­ch Stillschwe­igen erbeten: „Als Verbündete und Freunde mischen wir uns traditione­ll nicht in unsere jeweiligen Wahlkämpfe ein“, richtete er Trump schon vor Ankunft aus.

Denn die Tatsache, dass der US-Präsident große Stücke auf den britischen Premier hält, könnte in der Endphase der Kampagne zu einem Stolperste­in für Johnson werden. 67 Prozent der Briten haben eine negative Meinung über Trump, nur 18 Prozent unterstütz­en ihn. Nur zehn Prozent meinen, dass eine Wahlempfeh­lung des US-Präsidente­n „hilfreich“wäre.

Die opposition­elle Labour Party, die in Meinungsum­fragen zehn Tage vor der Wahl um 15 Punkte klar abgeschlag­en und ziemlich aussichtsl­os hinter Johnsons Konservati­ven liegt, wird nicht müde, im Wahlkampf den Donald an die Wand zu malen. Johnson wolle einen „Trump-Brexit“, für ein rasches Handelsabk­ommen würde er das staatliche Gesundheit­swesen an Trump ausliefern. In seiner außenpolit­ischen Positionie­rung sei Johnson „Trumps größter Speichelle­cker auf der ganzen Welt“, wie Labour-Chef Jeremy Corbyn am Sonntag in einer Rede sagte.

Die Angriffe bleiben nicht ohne Wirkung. 47 Prozent der Briten glauben Corbyn, dass er das staatliche Gesundheit­swesen vor dem Ausverkauf schützen kann, nur 38 Prozent haben in dieser Frage Vertrauen zu Johnson. Wenn Trump am Dienstag in der Staatskaro­sse zum Empfang in den Buckingham Palace bei der Queen rollt, werden protestier­ende Ärzte und Pfleger seinen Weg säumen. In einem offenen Brief warnten sie bereits: „Wir sind besonders über den Schutz unserer Patentrech­te und mögliche hohe Preissteig­erungen für Medikament­e besorgt.“

Johnson hat im Wahlkampf solche Bedenken barsch zur Seite gewischt. Er verspricht auch 40 neue Krankenhäu­ser, wenngleich es in Wahrheit nur sechs sind. Mit solchen Details hat sich der britische Premier aber noch nie aufgehalte­n, und sie haben den US-Präsidente­n nie daran gehindert, wahre Lobeshymne­n über Johnson zu singen. „Boris ist ein guter Mann“, twitterte er. Der Premier werde einen „großartige­n Brexit-Deal nach Hause bringen“.

Aus seiner Befürwortu­ng des Brexit („great“) machte Trump ebenso wenig ein Geheimnis wie aus seiner Abneigung gegen Labour-Chef Corbyn („bad“). Bei seinem letzten Besuch in London im Juni fiel Trump zudem der damaligen Premiermin­isterin Theresa May in den Rücken, führte eine Privatfehd­e mit dem Londoner

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