Wenn der Skischuh nicht mehr drückt
Ski. Matthias Mayer war in Lake Louise bereits vier Mal Zweiter, jetzt gewann der Kärntner, 29, den ersten Super-G der Saison mit deutlichem Vorsprung von vier Zehntelsekunden. Er wirkt befreit, das Training stimmt – das Material auch.
Österreichs Skiwelt ist doch noch in Ordnung, zumindest in der Speed-Abteilung des ÖSV. Denn während bei den Technikern nach dem Rücktritt von Marcel Hirscher weiterhin ein sehr großes Loch zur Spitze klafft, muss sich der Kärntner Matthias Mayer nur darüber Gedanken machen, wie weit die Verfolger hinter ihm zurückliegen. Er knüpfte im Super-G von Lake Louise da an, wo Hermann Maier für Rot-Weiß-Rot vor elf Jahren aufgehört hat – der erste Saisonsieg gibt dem 29-Jährigen zudem weiteren Anschub.
Mayer war auf dieser Strecke als viermaliger Zweiter bereits oft nahe am Erfolg, nur fehlte immer irgendwo eine Hundertstelsekunde. Vier Zehntelsekunden Vorsprung auf den Südtiroler Dominik Paris konnten sich jedoch sehen lassen. Der zweifache Olympiasieger (Abfahrt 2014, Super-G 2018) sagt: „Jetzt habe ich das endlich runtergebracht, was da ist.“
Sein sechster Weltcupsieg zeige, dass Vorbereitung, Material und Kondition stimmen. Das erste Rennen der Saison zu gewinnen mache Lust auf weitere Events, der große Druck, „endlich gewinnen zu müssen“, den gebe es jetzt nicht mehr. Dass zuvor sieben Mal in Serie stets Norweger in Lake Louise gewonnen hatten, ist nun Vergangenheit. Ob es eine allgemeine Trendwende sein kann? Mayer lächelte nur. Sein neuer Skischuh (Head) hat die erste Prüfung mit Bravour bestanden.
Der dritte Platz durch Vincent Kriechmayr (Fischer, +0,49 Sekunden) dokumentiert jedoch, dass die ÖSV-Speed-Abteilung, geleitet von Sepp Brunner, vieles richtig gemacht haben könnte. Die nächste Bestandsaufnahme erfolgt in Beaver Creek, mit dem nächsten Speed-Double. Der Tross machte sich flott nach dem Super-G auf den Weg, schon am Freitag geht es auf der „Birds of Prey“-Piste weiter. Diesmal macht der Super-G den Anfang, der Samstag ist für die Abfahrt reserviert. Die Nordamerika-Tournee wird am Sonntag mit einem RTL abgeschlossen. Mayer hat für alle drei Rennen geplant. „Da muss man extrem am Limit sein, es ist eine coole Strecke.“
Im Jahr eins nach Lindsey Vonn und Hirscher stellte Mikaela Shiffrin rasch klar, wer die Nummer eins im Skizirkus ist. Amerikas Lichtgestalt demonstrierte mit ihren Siegen Nummer 61 (Levi) und 62 (Killington), dass die Bestmarken von Ingemar Stenmark (86), Vonn (82) und Hirscher (67) fallen werden. Mit Annemarie MoserPröll hat die 24-Jährige jedenfalls bereits gleichgezogen. „Rekorde sind einfach nur ein Symbol für meine Karriere. Für meine Arbeit, für die Arbeit des gesamten Teams. Wir versuchen jeden Tag das Beste“, versuchte sie ihre Bescheidenheit hervorzukehren. Wenn man aber weiß, mit welch Akribie, Aufwand und Materialbergen sie unterwegs ist, lenken solche Ausflüchte nicht vom Wesentlichen ab. Vergleiche mit allen andern lehnt sie auch ab, ihre Sicht: „Für mich werden ihre Rekorde immer bestehen. Ich sorge lediglich für neue Zahlen.“(red.)