Neuer Rekord der bezahlten Auszeit
Bildungskarenz. Auch die aktuellsten Daten zeigen: Es bilden sich vor allem jene Menschen weiter, die ohnehin schon gut ausgebildet sind. Das war aber nicht im Sinn des Erfinders.
Wer eine Pause von seinem Job braucht, muss ihn nicht an den Nagel hängen – er kann sich auch eine Auszeit nehmen. Und darf dabei sogar mit Unterstützung des Staats rechnen: Die Bildungskarenz macht es möglich. Möglich ist das für bis zu einem Jahr in einem Zeitraum von vier Jahren, wenn eine Weiterbildung im Ausmaß von mindestens 20 Wochenstunden absolviert wird. Vom Arbeitsmarktservice (AMS) bekommt man in dieser Zeit ein Weiterbildungsgeld in der Höhe des Arbeitslosengelds, zumindest aber 14,53 Euro am Tag. Die bezahlten Auszeiten werden immer beliebter: Voriges Jahr haben fast 15.000 Menschen eine Bildungskarenz begonnen. Um 4000 mehr als vor zehn Jahren. Diese Zahlen veröffentlichte das AMS am Montag.
Dabei zeigt sich ein eindeutiges Muster: Es sind die ohnehin schon gut Ausgebildeten, die sich weiterbilden. Dieser Trend hat sich in den vergangenen zehn Jahren noch verstärkt. 2009 verfügten 27 Prozent der Antragsteller über einen Fachhochschulabschluss, ein Universitätsstudium oder eine andere höhere Ausbildung. 2018 waren es schon 41 Prozent. Die Idee hinter der Bildungskarenz ist, dass Beschäftigte ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen. Die größten Risikogruppen sind Menschen mit keiner oder nur geringer Ausbildung und ältere Menschen. Es zeigt sich, dass genau diese Personen selten in Bildungskarenz gehen. 76 Prozent waren zuletzt zwischen 25 und 49 Jahre alt, 19 Prozent sogar unter 25 Jahre alt.
„Schwierig zu erreichen, aber sehr sinnvoll wäre eine stärkere Inanspruchnahme durch niedrig qualifizierte und ältere Personen“, sagt AMS-Chef Johannes Kopf. Für Gernot Mitter, Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration in der Wiener Arbeiterkammer (AK), ist klar, warum das so nicht funktioniert: „Man muss es sich leisten können, in Bildungskarenz zu gehen“, sagt Mitter zur „Presse“. Für Niedrigverdiener sei die Bildungskarenz einfach nicht attraktiv. Die AK will die Bildungskarenz durch ein Qualifizierungsgeld ersetzen, auf das es einen Rechtsanspruch geben soll. Das soll es für Beschäftigte, Arbeitslose und Ein-Personen-Unternehmer geben. Aktuell muss man zumindest sechs Monate lang arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein, um Anspruch auf das Weiterbildungsgeld zu haben.
1998 wurde das Weiterbildungsgeld eingeführt, aber richtig bekannt wurde die Bildungskarenz erst mit der Wirtschaftskrise 2009. Der Zuschuss wurde auf die Höhe des Arbeitslosengelds angehoben, teilweise sogar die Kosten für die Ausbildung übernommen. Die Folge war ein Boom der Bildungskarenz, der bis heute anhält. Die Kosten stiegen seither von 75 auf 191 Millionen Euro im Jahr. Das führte immer wieder zu Kritik, etwa an der laxen Handhabung. Erst seit 2013 müssen bestandene Prüfungen im Ausmaß von acht ECTS-Punkten je Semester nachgewiesen werden. Davor reichte eine Inskriptionsbestätigung.
Die Arbeitgeber halten von einem Rechtsanspruch, wie ihn die Arbeiterkammer fordert, nichts. Die Unternehmen würden den Wunsch der Arbeitnehmer nach Bildungskarenz meist mittragen. „Beide Seiten sollten davon profitieren“, sagt Rolf Gleißner, Leiter der sozialpolitischen Abteilung in der Wirtschaftskammer.
Ein Monat nach Ende der Auszeit waren laut den AMS-Daten 61 Prozent der Bezieher in einer Beschäftigung, 19 Prozent waren arbeitslos und 20 Prozent anders versichert: Etwa geringfügig beschäftigt, in Elternkarenz oder Mutterschutz. Zuletzt waren 57 Prozent der Bezieher Frauen, 2009 waren es noch 35 Prozent.
Nur 45 Prozent der Bezieher waren nach Ende der Bildungskarenz beim selben Arbeitgeber beschäftigt wie davor. Das zeigt laut AMS-Chef Kopf, dass Bildungskarenz die Flexibilität am Arbeitsmarkt fördere. Mitter von der AK sieht das auch als „Sozialleistung des Arbeitgebers am Ende eines Arbeitsverhältnisses“. Ein Dienstverhältnis wird, etwa durch Kündigung, aufgelöst, aber um die Dauer der Bildungskarenz verlängert.