„Wir gefährden das Leben an sich“
Klimagipfel. Zwei Wochen beraten 196 Staaten darüber, wie man die Erderwärmung eindämmen kann. EU-Ratsvorsitzender Michel beklagte: „Wir haben den Planeten in die Knie gezwungen.“
Die Zeit drängt, Millionen demonstrieren – aber die Staaten handeln langsam: Mit eindringlichen Rufen nach mehr Klimaschutz hat am Montag die 25. UNKlimakonferenz in Madrid begonnen. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, sprach von einem „Krieg gegen die Natur“, der beendet werden müsse. „Wenn wir nicht schnell unseren Lebensstil ändern, gefährden wir das Leben an sich.“
196 Staaten und die EU verhandeln in den kommenden zwei Wochen darüber, wie das Pariser Klimaabkommen verwirklicht und die Erderwärmung eingedämmt werden kann. Die Aktivisten von Fridays for Future und anderen Klimaschutzbewegungen wollen ihnen dabei genau auf die Finger schauen. Die Schwedin Greta Thunberg, das Gesicht der weltweiten Jugendproteste, dürfte nach ihrer Atlantiküberquerung diese Woche in Portugal ankommen, am Freitag will sie in Madrid mit Schülern demonstrieren.
Mit einem Eisbären aus Plüsch hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen seine Rede am Eröffnungstag gehalten – ein Geschenk für den sechsjährigen David, den Sohn einer Mitarbeiterin, verriet er den Staats- und Regierungschefs. „Wir müssen Strom sparen, sonst sterben die Eisbären“, sagte David laut Van der Bellen beim Anblick der Kristallluster in der Hofburg.
„2020 ist das Jahr, in dem wir unsere nationalen Klimapläne nachbessern müssen“, erklärte Van der Bellen. „Und ab da darf es mit den klimaschädlichen Treibhausgasemissionen nur mehr in eine Richtung gehen: nach unten.“Der Bundespräsident weiter: „Es ist nicht Schicksal, es ist schlicht und einfach unsere Entscheidung.“Van der Bellen rief die Regierungschefs auf, an die Kinder zu denken, „denn unsere Kinder werden später auch an uns denken, daran, was wir getan haben. Oder daran, was wir nicht getan haben.“
Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versicherte in Madrid: „Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten.“
Von der Leyen will die Ziele der EU zum Einsparen von Treibhausgasen für 2030 verschärfen. 2050 soll die europäische Wirtschaft unter dem Strich sogar klimaneutral sein.
Für die USA sagte die Frontfrau der Demokraten, Nancy Pelosi, auf der UN-Klimakonferenz anhaltendes Engagement zu. US-Präsident Donald Trump hat den Ausstieg des Landes aus dem Pariser Klimaabkommen eingeleitet. Pelosi sagte als Leiterin der Delegation von Demokraten des Kongresses dazu: „Wir sind noch dabei. Die Vereinigten Staaten sind noch dabei.“
In Madrid soll Druck aufgebaut werden, damit alle Staaten bis 2020 ehrgeizigere Pläne zur Reduzierung ihres Treibhausgas-Ausstoßes vorlegen. Zudem geht es um Regeln, nach denen Staaten und Unternehmen Klimaschutz in anderen Ländern finanzieren können. Ein weiteres Thema soll die Finanzierung von Schäden durch Extremwetter in ärmeren Ländern sein.
Zurzeit zerstöre die Menschheit wissentlich die Ökosysteme, die sie am Leben erhalten, beklagte Guterres. Vor allem die Länder mit dem größten TreibhausgasAusstoß müssten mehr tun. Trotz gegenteiliger Versprechen sei während der vergangenen zehn Jahre der Ausstoß von Treibhausgasen jährlich im Schnitt um 1,5 Prozent gestiegen.
Die bisherigen Klimaschutzpläne der Staaten reichen bei Weitem nicht, um die Erderwärmung, wie 2015 in Paris vereinbart, auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Geht es weiter wie bisher, könnten es bis Ende des Jahrhunderts stattdessen im Mittel knapp vier Grad mehr sein.
Der Vorsitzende des Weltklimarats IPCC, der koreanische Klimaökonom Hoesung Lee, sagte, die fatalen Folgen der Erderwärmung kämen schneller und massiver als angenommen. Es seien Veränderungen der Lebens- und Wirtschaftsweise ungekannten Ausmaßes nötig. „Wir sind nicht einmal ansatzweise dabei, den Klimawandel zu bekämpfen.“
Den Vorsitz des Klimagipfels hat die chilenische Umweltministerin Carolina Schmidt, wegen der regierungskritischen Proteste konnte der Gipfel aber nicht in Chile abgehalten werden. „Nur wenn wir Seite an Seite stehen, wenn wir zusammenarbeiten, können wir wirklich die größte Herausforderung angehen, die weltweit auf uns zukommt“, sagte Schmidt.
Der neue EU-Ratsvorsitzende, der Belgier Charles Michel, meinte, die Menschheit erleide zurzeit den Klimanotstand. Die Ressourcen des Planeten seien über Gebühr ausgebeutet worden. „Wir haben den Planeten in die Knie gezwungen“, sagte er. (red./ag.)