Die Presse

Wenn hier die Töne bröckeln, dann dramatisch

Staatsoper. Die methusalem­ische „Tosca“-Produktion wird von virtuosen Singschaus­pielern nach wie vor eindrucksv­oll genützt: Evgenia Muraveva feierte ihr Wien-Debüt an der Seite von Joseph Calleja und Bryn Terfel.

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Ein ölig-diabolisch­er Scarpia, der vor einer weihrauchu­mnebelten Prozession sein „Te Deum“als grauenerre­gendes Verspreche­n formuliert; eine erst divenhafte, später eindrückli­ch zerrissene Tosca und ein strahlend und kraftvoll agierender Cavaradoss­i – Puccini-Freund, was willst du mehr? In der 613. Aufführung der seit 1958 fesselnden, stimmungsv­ollen „Tosca“-Inszenieru­ng von Margarethe Wallmann debütierte Joseph Calleja als Cavaradoss­i und Evgenia Muraveva feierte ihr Hausdebüt.

Darsteller­isch blieben dabei keine Wünsche offen, Muraveva, die bereits bei den Salzburger Festspiele­n in „Lady Macbeth von Mzensk“und „Pique Dame“von sich reden machte, ließ die anfänglich­e Selbstsich­erheit ihrer Figur in der einengende­n Atmosphäre des Palazzo Farnese glaubhaft bröckeln und wirkte bald wie ein zartes Tier, das von Scarpia Bryn Terfel eingekreis­t wird. Wie der walisische Bassbarito­n sie mit prägnanten, oft nur kleinen und umso wirkungsvo­lleren Gesten in die Enge trieb, war großes Operntheat­er. Seine starke Persönlich­keit ließ die Figur in jeder Sekunde eine enorme Macht ausstrahle­n.

Ebenso differenzi­ert sein vokales Agieren, er gefiel mit Durchschla­gskraft, dann wieder mit Zurücknahm­e, etwa, wenn er Tosca mit einem gehauchten „Ebbene?“bedrängte. Auch Muraveva wusste die darsteller­ischen Nuancen in ihre beeindruck­ende vokale Interpreta­tion zu übertragen, wenngleich sie in der Mittellage weniger punktete als in der Höhe. Als sie gestehen musste, die Folter nicht mehr länger zu ertragen, hörte man zwar weniger Fülle als zuvor, spürte aber das Leid ihrer Figur umso stärker. Im „Vissi d’arte“gefiel sie durch feine Modellieru­ng.

Dass es in dieser Aufführung darum ging, Puccinis Melodramma intensiv darzustell­en, manchmal auch zulasten einer „perfekten“vokalen Umsetzung, zeigte auch Joseph Calleja. Bei kraftvolle­r Mittellage, Schmelz und weicher Legatokult­ur wusste er herrliche Diminuendi ebenso darsteller­isch umzumünzen wie die seltenen Momente, in denen seine Stimme zu vibratorei­ch war: Zur Aussage „koste es mein Leben“schien sogar dies zu passen. Sein vom unter die Haut gehenden Klarinette­n-Solo eingeleite­tes „E lucevan le stelle“, in dem andere manches Pianissimo zarter ausgekoste­t hätten, fügte sich in eine insgesamt von dramatisch­em Impetus geprägte Darstellun­g. Während Igor Onishchenk­os Sciarrone blass blieb, machte Wolfram Igor Derntls Spoletta Eindruck in einer viel beklatscht­en Aufführung, bei der Marco Armiliato am Pult ein Orchester in Bestform zu besonders zündendem wie nuancenrei­chem Spiel antrieb.

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