Nein, in der SPÖ-Zentrale menschelt es ganz und gar nicht
Wortspenden von Landeskaisern, Stadthäuptlingen und Möchtegern-Parteichefs sind entbehrlich. Der Zustand der SPÖ war schon vor Rendi-Wagner desaströs.
Blöd, irgendwie. Da plakatiert man im Wahlkampf die flauschige Worthülse „Menschlichkeit“, und dann hapert es nach herben Stimmen-, Mandats- und Gesichtsverlusten bei der Nationalratswahl just daran: Mit E-Mails knapp vor Weihnachten Kündigungen zu avisieren ist schlicht letztklassig, zumal für eine sozialdemokratische Partei.
„Die Arbeit ist schlecht verteilt“, entdeckte der niederösterreichische SP-Chef Franz Schnabl im Juli und hatte dabei wohl nicht die Löwelstraße im Blick. Für viele sei der Arbeitsdruck hoch, sie müssten zahlreiche Überstunden leisten, „die Sozialdemokratie ist die einzige Kraft im Land, die Antworten für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf die Herausforderungen des digitalen Wandels und der Klimakrise hat“. Gilt offenbar nicht für Krisen und Arbeitnehmer im eigenen Haus. Obwohl auch dort die Arbeit künftig neu verteilt wird.
„Wir werden mit weniger Mitarbeitern mehr leisten müssen“(©Pamela Rendi-Wagner). Heißt was? Dass bisher zu viele Mitarbeiter zu wenig geleistet haben? Dass Arbeitsdruck und Überstunden steigen? Warum beantragen eigentlich nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um Kollegen vor der Kündigung zu bewahren, Teilzeitarbeit? Schließlich kämpft die SPÖ für das Recht darauf. Oder vermodert Solidarität auf dem sozialdemokratischen Komposthaufen?
Gleichzeitig lassen die Schreibkämpfe der Herrn Christian Kern, Christian Deutsch und Christoph Matznetter an der (Zu-)Rechnungsfähigkeit der Partei zweifeln: Von zwölf Millionen Euro Schulden war im Frühjahr die Rede, ein halbes Jahr später will PRW von ihrem Vorgänger 14 Millionen Miese übernommen haben; der wiederum beziffert seine Minus-Hinterlassenschaft mit 10,87 Millionen. Deutsch und Matznetter schaffen das Rechenkunststück und geben beiden recht. Ein paar Millionen rauf oder runter, wen kratzt das schon – hol dir, was dir zusteht! Auch so ein tolles SP-Plakat von 2017.
Beherzigt hat die Aufforderung der damalige SPÖ-Spitzenkandidat selbst, als er sein Gehalt von der Partei um gut 6100
Euro beinahe verdoppeln ließ, damit beim Absturz vom Bundeskanzlersalär zu dem eines einfachen Abgeordneten nur ja das Glaskinn unversehrt bleibt. Zersprungen ist es dann aber doch. Und jetzt hat PRW den Scherben auf.
Verlässlich befeuern Landeskaiser, Stadthäuptlinge, Möchtegern-Parteichefs und Balkon-Muppets das blassrote Tohuwabohu. „Die SPÖ ist Opfer von BoboQuereinsteigern geworden“, befand etwa der 81-jährige Industrielle Hannes Androsch. Dass just einer der alten Flügelkämpfer als Parteigewissen auftritt und dabei so nebenbei gleich auch seinem Intimfeind Franz Vranitzky eins überbraten darf – „Was wollen Sie von einer Partei, bei der der Vorsitzende vor 25 Jahren mit dem Privatjet zum Golfspielen fliegt, da kommt Jahrzehnte später so etwas heraus“–, ist interessant.
Nur zur Erinnerung: Androsch war als Finanzminister (1970 bis 1981) an einer Steuerberatungskanzlei beteiligt, die – schlag nach bei Wikipedia – unter anderem Aufträge staatseigener Unternehmen erhielt. Nach Ende seiner Ministertätigkeit wurde er wegen privater Schwarzgeldkonten angeklagt und schließlich einmal wegen Steuerhinterziehung und einmal wegen Falschaussage im AKH-Prozess rechtskräftig verurteilt.
Einen „erbärmlichen Zustand“der SPÖ diagnostizierte Androsch übrigens schon im Jahr 2000. Damals arbeitete Rendi-Wagner noch am AKHInstitut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin, war kein SPÖ-Mitglied, konnte folglich auch noch nicht darauf vergessen, Parteisteuer abzuführen. Dieses Schmerzensgeld hat PRW mittlerweile beglichen.
Dass sie den Job bei all dem parteiinternen Gegenwind nicht längst hingeschmissen hat, zeugt – auch – von uneitlem Verantwortungsbewusstsein und Durchhaltevermögen: Eigenschaften jedenfalls, die etliche ihrer Kritiker und Vorgänger nicht für sich in Anspruch nehmen können.