Udotopia: Udo Proksch als Designer
Buch. Die Australierin Luisa Jean Cooper beleuchtet in einem opulenten Band Udo Proksch als Designer – „als einen Teil seines Lebens, der existiert.“
Luisa Jean Cooper beleuchtet in einem opulenten Band Udo Proksch als Design-Genie.
Ein silberner Schuh, geformt wie ein Fuß. Ringe, die ganze Finger bedecken; gewagte Brillen, drapiert auf einem Schmetterling. Noch hat Luisa Jean Cooper die Artefakte aus dem Nachlass Udo Prokschs auf Peter Coelns Esstisch drapiert, für die Buchpräsentation sollen sie ein Stockwerk tiefer in die Galerie Westlicht wandern.
Um zu verstehen, warum die Australierin dort Montagabend einen kiloschweren, luxuriös ausgestatteten Bildband präsentierte, muss man nach Hong Kong gehen. Dort lebt Michael Jardine, den man sich als Brillenfanatiker vorstellen kann. „Viele verstehen das nicht. Aber so wie andere Marken oder Kunst sammeln, sammelt er Brillen“, sagt Cooper. Und Markenrechte.
Als Kreativchefin seiner Firma erhielt Cooper 2015 den Auftrag, den Relaunch einzelner Marken vorzubereiten. So radelte sie durch Paris, um Philippe Chevallier zu finden – er hatte als erster Brillen auf den Catwalk gebracht, war dann untergetaucht. Sie setzte Detektive an, fand ihn letztlich in Südfrankreich. Er zeigte sich über die späte Anerkennung erfreut.
Als sie Serge Kirchhofer respektive Udo Proksch das erste Mal googelte, landete sie auf Murderpedia. „Da habe ich mir schon gedacht: Was mache ich da eigentlich?“Doch Cooper forschte weiter, landete über „zehn verschiedene Schritte“bei Westlicht-Gründer Peter Coeln. Der hatte Fotos aus dem Nachlass des schillernden Enfant terrible und verurteilten Mörders angeboten bekommen, herausgefunden, dass dessen Bruder ein riesiges Archiv in einem feuchten Keller verwaltete – und das Konvolut 2005 übernommen. Ingrid Thurnhers Buch gründet ebenso darauf wie Robert Dornhelms Film.
„Er war seiner Zeit voraus“
Cooper hat sich nun in hunderten Stunden Prokschs kreativer Seite angenommen. Ihr sei früh klar geworden, dass sie sich nicht nur der Marke Serge Kirchhofer widmen könne, ohne auch die Linien Carrera und Viennaline, und ja die ganze Person zu betrachten. „Als Kreativchefin interessiert mich der ganzheitliche Ansatz bei einem Projekt. Und er ist ein Meister darin: Vom Sketch bis zur Weise, wie im Geschäft über ein Produkt gesprochen wird, von der Verpackung bis zur PR, den Kollaborationen mit anderen Künstlern und den goldenen Fingern, dem Schuh und den anderen Objekten rund um das Kernprodukt.“In dieser Beziehung sei Proksch „hundert Prozent seiner Zeit voraus gewesen“.
Er habe aus dem Medizinprodukt Brille etwas Begehrenswertes gemacht; für Carrera aus einer Skibrille ein Celebrity-Accessoire. Und er habe sich genau mit dem Gesicht befasst, die Augenbrauen einbezogen, die
Technik einer Brille studiert. Sie sei, erzählt Cooper, auch auf Messen gewesen; Optiker würden heute noch von der Marke Serge Kirchhofer berichten. Allein vom Modell Gigi wurden 13 Millionen Stück verkauft. Doch jenseits der Brillenbranche und angesichts der Abzweigungen, die Proksch in seinem Leben nahm, „hat diese Geschichte noch niemand erzählt“.
In ihrem Buch, für das sie 6000 Zeichnungen gesichtet hat, zeichnet Cooper die Entstehung einzelner Entwürfe nach. Und habe man die erst einmal studiert, würden sie einem überall begegnen: Auf dem Gesicht Yoko Onos auf einem ikonischen Annie Leibovitz-Bild, bei Lady Gaga mit einer Brille von Dior. Proksch habe sich als Mischung zwischen Dali und Dior gesehen, dem Surrealen ebenso zugetan wie dem Schönen.
Hätte Proksch weitergemacht, glaubt Cooper, wäre er eine der Größen der Branche. Würde er heute anfangen, er würde nicht Plastik propagieren, sondern Nachhaltigkeit. Und ja, natürlich habe auch sie sich die Frage gestellt: Kann man Werk und Schöpfer trennen, das eine loben, den anderen kritisch sehen? „Ich beleuchte“, sagt Cooper, „einfach einen Teil seines Lebens, der existiert – ob wir das nun gut finden oder nicht. Wichtig ist, das mit dem nötigen Bewusstsein zu tun.“Das Archiv gehört inzwischen Michael Jardine – der es in Wien lassen würden, wenn man es denn will.