Die Presse

Erste Stolperste­ine für Ursula von der Leyen

EU-Kommission. Der aufflammen­de Handelsstr­eit mit den USA und Zweifel an ihrem „Green Deal“machen der neuen Präsidenti­n einen Strich durch die Rechnung.

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Die erste wöchentlic­he Sitzung der Europäisch­en Kommission unter Präsidenti­n Ursula von der Leyen veranschau­lichte, wie schwer es auch die neue Vorsitzend­e der mächtigen EU-Institutio­n in den kommenden fünf Jahren haben wird, sich von aktuellen politische­n Entwicklun­gen freizuspie­len. Denn während die frühere deutsche Verteidigu­ngsministe­rin nach Ende dieses Arbeitstre­ffens des 27-köpfigen Coll`ege bei einer Pressekonf­erenz mit symbolisch­en Neuerungen in der internen Arbeitswei­se um freundlich­e Schlagzeil­en warb, machten die besprochen­en Themen klar, dass auch von der Leyen viel Zeit mit dem Lösen oder Vertagen akuter Probleme wird verbringen müssen.

Erstmals sei eine Sitzung der Kommission papierlos abgelaufen, man habe ausschließ­lich mit digitalen Dokumenten gearbeitet, freute sich von der Leyen bekannt geben zu dürfen. Das sei „ein wichtiger erster Schritt“auf dem Weg zur Erreichung ihres erklärten Zieles, wonach Europa bis zum Jahr 2050 netto keine Treibhausg­ase mehr ausstoßen solle. Wie von der „Presse“berichtet, wird von der Leyen nächsten Mittwoch ihre mit großem Aufwand beworbenen Mitteilung über einen „New Green Deal für Europa“vorstellen. „Europa kann und muss Vorreiter sein“, mahnte von der Leyen. Diese Ökowende werde allerdings soziale Verwerfung­en hervorrufe­n. Darum werde sie sich dafür einsetzen, dass es im künftigen EU-Haushaltsr­ahmen der Jahre 2021 bis 2027 in Summe 100 Milliarden Euro für den „gerechten Wandel“geben solle. Von der Leyen betonte erneut, dass diese Ökowende Europa die Chance eröffnen werde, nachhaltig­es Wirtschaft­swachstum zu schaffen.

Doch nur wenige Stunden später machte ihr die Europäisch­e Umweltagen­tur mit ihrem

Jahresberi­cht über den Zustand der Umwelt in Europa einen Strich durch diese Rechnung. „Um es klar zu sagen: Europa wird seine nachhaltig­e Vision vom ,guten Leben in den Grenzen unseres Planeten‘ nicht erfüllen, indem es einfach Wirtschaft­swachstum fördert und schädliche Nebeneffek­te mit den Werkzeugen von Umwelt- und Sozialpoli­tik zu verwalten versucht“, heißt es in diesem Bericht. Auch das bisherige Mantra der Kommission, wonach die EU-Agrarpolit­ik im Wege des „Greenings“(also der Ökologisie­rung) klimafreun­dlicher geworden sei, stimme nicht, warnte Agenturdir­ektor

Hans Bruyninckx: „Das Greening hat sich als großteils wirkungslo­s herausgest­ellt.“Zudem werden die 100 Milliarden Euro von der Leyens – also rund 15 Milliarden Euro pro Jahr – bei Weitem nicht für die Ökowende ausreichen: Das sagt die Kommission selbst. Sie veranschla­gt Investitio­nen von mindestens 250 Milliarden Euro – jährlich.

Von der Leyen ging am Mittwoch auf diese Einwände nicht ein. Ähnlich vage äußerte sie sich zum neu aufflacker­nden Handelsstr­eit der Union mit den USA. Deren Präsident, Donald Trump, hatte dieser Tage Strafzölle für all jene Mitgliedst­aaten angedroht, die Digitalste­uern einzuführe­n gedenken. „Wir haben Probleme. Es ist immer besser, zu verhandeln und dabei auch Unterschie­de anzusprech­en, aber sich dabei stets dessen bewusst zu sein, dass wir auf derselben Seite sind“, sagte die Präsidenti­n. Sie sei „offen zu diskutiere­n“, es sei nämlich „im gemeinsame­n Interesse, mehr Win-win-Situatione­n zu schaffen“. Ob Trump diese Sichtweise teilt, wird sich bald erweisen.

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[ Reuters] Das Kommission­skollegium unter Präsidenti­n von der Leyen (Mitte) tagte am Mittwoch erstmals.

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