Versumpern am Naschmarkt
Ausgehen. Versteckte Entschleunigung: Neben dem Theater an der Wien eröffnen Hoteli`ere Barbara Ludwig und Paul Rittenauer die Ludwig Bar.
Früher war das Papagenotor das Hauptportal des Theaters an der Wien. Heute geht man wohl nur noch selten durch die enge Papagenogasse von der Secession kommend auf das klassizistische Portal zu – es sei denn, man ist als Wien-Besucher im Hotel Beethoven abgestiegen.
Künftig könnte das anders sein, hoffen zumindest Barbara Ludwig und Paul Rittenauer. Denn gleich ums Eck soll im Jänner und damit passend zum Beethoven-Jahr 2020 ihre neue Ludwig Bar eröffnen – auch wenn bisher nur die Baustelle zu sehen ist.
Das Beethoven führt Ludwig seit zehn Jahren, am 1. November 2009 hat sie es übernommen. Aus dem Salesund Marketingbereich im Tourismus kommend, hatte sie zuvor – ebenfalls zehn Jahre lang – eine Fotoagentur geführt, bis deren Mutterfirma den Besitzer wechselte. Danach stellte sie sich selbst die Frage: Was mache ich mit meinem Leben? So kam sie auf die Idee mit dem Hotel – sie sei „schon immer gern Gastgeberin gewesen“.
Mithilfe ihres Vaters und Bruders übernahm sie das Hotel, das zuvor drei Generationen lang in Familienbesitz gewesen war; „gutbürgerlich, aber ein bisschen verstaubt“. Vor allem die Lage unmittelbar beim Naschmarkt habe sie angesprochen. Dass die bisherige Lobby „eine super Bar wäre“, dachte sie sich schon damals.
Doch zunächst kam der Umbau – der zehn Jahre dauern sollte. Ludwig hat das Dach ausgebaut, bei laufendem Betrieb die Zimmer renoviert, in Kooperation mit zwei Designern jedem Stockwerk ein Wien-Thema zugeordnet und jedem Zimmer wiederum eine Persönlichkeit. So kann man etwa bei den Wiener Kaffeehausliteraten nächtigen (bei Friedell, Altenberg, Torberg oder Joseph Roth) und sich im Salon deren Werke ausleihen.
Daneben dienten auch die Secession (mit Postern und Leihgaben), Ludwig van Beethoven und seine Zeit (mit reproduzierten Tapeten), das Theater an der Wien, Liebe und Lust in Wien (mit Alma Mahler, Sigmund Freud oder Katharina Schratt) oder die starken Frauen des Fin de Si`ecle als Inspirationen für die Gestaltung. Der Bösendorfer vorn in der Lounge ist jener ihrer Mutter. Eigentlich, erzählt Ludwig, hätte aus ihr ja eine Konzertpianistin werden sollen. „Aber mit 18 Jahren habe ich den Flügel zugeklappt.“
Als Hoteli`ere, berichtet sie, könne sie inzwischen auf treue, oft kulturaffine Stammgäste zählen; auf Tripadvisor rangiert das Hotel als Wiens Nummer sieben. Für ihr Gastronomieprojekt hat Ludwig nun mit Gregor Eichinger einen renommierten und Bar-versierten Wiener Architekten engagiert. Er hat ein Konzept mit Holz, Leder und Terrazzo und einem großen, zentralen Bartisch entworfen – vor dem Hintergrund einer paillettenbesetzten Wand. Dazu komme eine hochwertige Tonanlage, für die Künstler auch Platten mitbringen und vielleicht auch einmal zum Mikrofon greifen können.
Mit Rittenauer, der ein Freund ihrer Tochter ist, wollte sie sich wiederum einen professionellen Kenner der Szene ins Boot holen. Rittenauer hat nach der Matura in Döbling bei den Heurigen Zimmermann und Wolf seine ersten Partys veranstaltet, später folgten der Club Hochriegl und die Residenz Zögernitz. Für die Erste Bank besiedelte er deren Campus beim
Hauptbahnhof mit Lokalen wie dem Iki; daneben kann er auf temporäre Projekte wie die Heldenbar (sommers vor dem Weltmuseum) oder heuer die Freiluft-Bar im Hochhaus Herrengasse verweisen; die allerdings vorzeitig wieder schließen musste.
Mit der Ludwig Bar wolle man nicht mit den aktuellen American Bars in Wettstreit „um den most fancy drink treten“, sagt Rittenauer. „Wir wollen das Wienerische widerspiegeln und die Wiener Bar beim Naschmarkt sein.“Die Drinks sollen klassisch sein, dabei sowohl die Themen des Hotels aufgreifen als auch den nahen Markt mit seinen Gerüchen, Gewürzen und Geschmäckern. Als After-Work-Bar plant man, nachmittags gegen 16 Uhr zu starten; dazu soll es „Wiener Tapas“geben, idealerweise würden auch deren Zutaten vom Markt bezogen. Nicht zuletzt zielt man vom frühen Abend bis ein Uhr nachts auf Naschmarktund Theaterbesucher, zumal in der Gegend zwar kulinarisch viel geboten werde, „aber Bars gibt es kaum“.
Wie man „Wiener Bar“nun definiert? „Als einen sozialen Ort“, sagt Ludwig, „wo Wiener Lebensgefühl vermittelt wird, mit Essen, Trinken, guter Atmosphäre und Musik, wo man sich trifft, plaudert und versumpert.“Sie assoziiert Wien auch mit Entschleunigung, erinnert sich gern an ihre Jugend, „als man sechs Stunden mit einem kleinen Braunen im Dommayer gesessen ist und alle getroffen hat“.