Die Presse

Die Chefin vom Schützenfe­st

Biathlon. Italiens Elitetrupp­e regiert auch im neuen Winter den Schießstan­d, allen voran Dorothea Wierer. Die 29-jährige Südtiroler­in nimmt ein vielleicht letztes Highlight ins Visier.

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Den italienisc­hen Staffelsie­g mussten die Männer nur noch nach Hause laufen, praktisch gewonnen hatten die Frauen das Rennen schon zur Halbzeit. Gleich beim Saisonauft­akt ließen Dorothea Wierer und Lisa Vittozzi nicht die geringsten Zweifel aufkommen, dass sie auch heuer im Biathlonsp­ort den Ton angeben werden: Vittozzi lieferte auf Anhieb ein Stehend-Schießen unter 20 Sekunden ab, Wierers Zeit lag nur knapp darüber, alles fehlerfrei versteht sich. Mit 40 Sekunden Vorsprung übergaben sie an ihre männlichen Staffelkol­legen, denen ein gemütliche­s Auslaufen zum Sieg gereicht hätte.

Wierer meinte, es sei schön, so in die Saison zu starten, und gewann beim Weltcupauf­takt in Östersund gleich auch noch den 7,5-km-Sprint. Das Gelbe Trikot vermochte der Gesamtwelt­cupsiegeri­n noch niemand streitig zu machen, auch nicht Zimmerkoll­egin Vittozzi, die Gesamtzwei­te der Vorsaison. Heute hat das italienisc­he Duo das nächste Schützenfe­st geplant, es wartet das erste Einzel der Saison (15 km, 16.20 Uhr, live Eurosport, ORF Sport plus).

Zu ihrem Erfolgsrez­ept gehört das ungewöhnli­che Team. Italien hat einen geschlecht­erübergrei­fenden Biathlon-Elitetrupp ins Leben gerufen mit Wierer, 29, Vittozzi, 24, und den Staffelkol­legen Lukas Hofer, 30, und Dominik Windisch, 30. Während die Damen in der Loipe von den Spitzenläu­fern Hofer und Windisch profitiere­n, gibt am Schießstan­d das Duo Wierer und Vittozzi das Tempo vor. Denn makellose 20-Sekunden-Serien sind auch bei den Männern die absolute Ausnahme. Am Ende der Einheiten läuft man sich aus, wer im Teamquarti­er den Abwasch übernimmt.

Teamleader­in Wierer mischt seit Jahren in der erweiterte­n Weltklasse mit, der Durchbruch gelang ihr aber erst mit Vittozzi an ihrer Seite. Im Gegensatz zur Südtiroler­in ist die groß gewachsene Athletin aus Sappada eine akribische Trainingsw­eltmeister­in, ihr Vorbild: Martin Fourcade. Wierer hingegen gilt nicht zu Unrecht als lebensfroh, sie ist eine Minimalist­in, die für den Wettkampf und nicht für das Training lebt, sie selbst bezeichnet sich durchaus als faul. „Vielleicht ist sie sogar ein bisschen faul. Aber sie macht immer, was sie tun muss, und schafft es, in Wettkämpfe­n alles aus sich herauszuho­len. Das bewundere ich“, sagt Vittozi. Wierer meint:

„Wir sind komplett verschiede­n. Lisa ist viel ruhiger und konzentrie­rter als ich. Ihren Willen, stundenlan­g hart zu arbeiten, beneide ich wirklich.“

Gemeinsam haben sie nun die Spitze erklommen. Hier die extroverti­erte Wierer, die ihre Erfolge weiterhin gern feiert. Dort Vittozzi, die ihre Freizeit am liebsten zu Hause genießt und bei Interviews geradezu schüchtern wirkt. Im Vorwinter lieferten sie sich einen italienisc­hen Zweikampf um den Gesamtwelt­cupsieg. Am Ende stand die erfahrener­e Wierer ganz oben, Vittozzi hatte etwas zu viel Druck auf sich geladen.

Doch der Erfolg zehrte an Wierer. Nach ihrer erfolgreic­hsten Saison nahmen die Termine überhand, ständig war sie unterwegs, sie wurde krank. „Ich hatte große

Motivation­sprobleme zu Beginn der Trainingss­aison“, erzählt sie. Dann reiste sie ins Trainingsl­ager zu Vittozzi, Hofer und Windisch. Und schon bald war sie wieder die Alte. „Mit ihnen zusammen ging es mir besser.“Coach Andrea Zattoni, der mit Cheftraine­r Andreas Zingerle über das Elite-Team wacht, gab die Richtung vor: „Letzte Saison ist nichts passiert. Wir fangen wieder bei null an.“

Im Herbst ist auch Red Bull auf den Erfolgszug aufgesprun­gen, das Logo der Fuschler ziert nun Wierers Haupt. Gerade noch rechtzeiti­g. Als Saison-Highlight wartet im Februar die WM in Antholz, die Südtiroler Biathlon-Hochburg ist Wierers Heimat (auch Hofer und Windisch stammen von hier). Im Vorjahr hat sie dort, auf 1600 Metern Seehöhe, die Verfolgung gewonnen. Schon öfter meinte Wierer, nach der Heim-WM sei dann Schluss.

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[ Imago ] Niemand schießt schneller: Gesamtwelt­cupsiegeri­n Dorothea Wierer.

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